Tell
Christina Ruloff - Mike Eschmanns neuester Streifen verhunzt das Schweizer Nationalepos und macht aus Wilhelm Tell einen Österreicher. So ein Schmarren. Der Schwur ist legendär – der Film wird es wohl nicht werdenDie Idee ist ja nicht neu. Schon Max Frisch verdrehte den Gründungsmythos der Ei...
Der Schwur ist legendär – der Film wird es wohl nicht werden
Die Idee ist ja nicht neu. Schon Max Frisch verdrehte den Gründungsmythos der Eidgenossenschaft - von Friedrich Schiller im 18. Jahrhundert literarisch geformt und in den 1890er Jahren als Hauptbestandteil ins nationalistische Mythenrepertoires der jungen Schweizer Republik aufgenommen - und stellte in Wilhelm Tell für die Schule den angeblichen Helden als rückständigen Querulanten dar, der sich der Zivilisierung und Modernisierung durch die fortschrittlichen Habsburger widersetzte. Damals, als die Schweiz von paranoid antikommunistischen Freisinnig-Konservativen dominiert wurde, von Fichen, Sympathie für Faschistische Regimes und antilinkem Gesinnungsterror gesprägt war, kam das einem Tabubruch gleich, war das mutig. Heute braucht es keine grosse Zivilcourage, um ein altes Nationalepos zu persiflieren, und auch nicht, um die Armee zu verschaukeln (Tell-Regisseur Mike Eschmann inszenierte auch die RS-Komödie Achtung Fertig Charly).
Stauffacher (rechts) bietet Tell den roten Pass an – wenn er in die Gessler-Burg gelangen kann.
Der Plot von Tell ist schnell erzählt. Die Innerschweiz um 1291: Wilhelm Tell ist Oesterreicher, lebt jedoch seit Ewigkeiten in der Schweiz und spart mit dem Handel mit Verjüngungselexier auf den Kauf des begehrten roten Passes. Eines Tages setzt sich seine Geschäftspartnerin, das Heidi, mit seinem Ersparten nach Italien ab, um sich einer Brustvergrösserung zu unterziehen. Doch Tell kriegt von eidgenössischen Widerstandskämpfern die Gelegenheit, die Staatsbürger-schaft durch einen militärischen Coup zu erhalten. Als Oesterreicher kann er sich in eine habsburgische Burg einschleichen. Dort soll er verhindern, dass das neue, unzerstörbare Tor eingesetzt wird, damit die helvetischen Freiheitskämpfer noch rechtzeitig die Festung stürmen können.
Heidi nach der Rückkehr von Power-Shopping und Brustvergrösserungsoperation aus Italien
„Es geht mir nicht um Klamauk“, hält der Regisseur im Presseheft fest. Da hat der Regisseur am Set aber schlecht aufgepasst - und sich die falsche Crew zusammengestellt. Die deutschen Gastspieler Axel Stein (Immer Ärger mit Hausmeister Krause) und Christian Tramitz (Der Schuh des Manitu) jedenfalls kennt man vor allem aus klamaukigen, slap-stick-lastigen und nicht besonders hochstehenden Lustspielen. Eschmann will lustig sein, indem er einerseits nationale Klischees überspitzt und andererseits die bekannten Charaktere aus der Tell-Saga und andere literarische Gestalten der Schweizer Geschichte mit absurden Attributen versetzt. So ist Tell ein Oesterreicher, der den Schweizer Pass will, Heidi ein kiffende Nutte, der Alpöhi ein Ziegenficker, und so weiter. Das gelingt aber nicht, denn statt absurdem Anarchie-Humor à la Monty Python bleibt es Provinzklamauk auf tiefstem Niveau. Bezeichnend ist etwa die Szene, als die drei tapferen Mannen auf der Rütliwiese zum Freiheitsschwur ansetzen. Mitten im pathetischen Ritual unterbricht die Frau des Stauffachers die Zeremonie und ruft den Mann energisch zum Essen. Irgendwie ist das voraussehbar und nicht neu, auch fehlt es den heimischen Schaustellern schlicht an Talent und Stil, um solche Szenen mit dem nötigen Ernst durchzuziehen.
„Humor muss schmerzen“, schreibt Mike Eschmann in der Presseinformation. Diesen Imperativ nimmt der Regisseur ernst - sein Humor tut weh. Allerdings nicht so, wie er das gerne hätte.
Bewertung: 1.5 von 5
Titel: Tell
Genre: Komödie
Regie: Mike Eschmann
Darsteller: Mike Müller, Eva Hadorn, Axel Stein u.a.
Dauer: 96 Minuten
Kinostart: 27. September 2007
Verleih: Universal Pictures
Autor: Joel Bedetti