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5. März 2009, 23:54 CD / Vinyl Music

Massiv - Meine Zeit

Oliver Kaftan - „Explosiv wie Dynamite, kultiviert wie Freundeskreis“, so sieht sich der 27-jährige Wasiem Taha, besser bekannt als Massiv, auf seinem neuen Album. Der selbst ernannte „King of Rap“ war schon immer ein selbstsicherer Provokant. Kaum ein anderer Rapper Deutschlands polar...

Explosiv wie Dynamite, kultiviert wie Freundeskreis“, so sieht sich der 27-jährige Wasiem Taha, besser bekannt als Massiv, auf seinem neuen Album. Der selbst ernannte „King of Rap“ war schon immer ein selbstsicherer Provokant. Kaum ein anderer Rapper Deutschlands polarisiert wie er und so ziert auch die Inschrift „Der neue Gangstarap-Superstar Massiv ist gekommen, um zu bleiben – Kampf gehört für ihn dazu“ das Cover seines neuen Albums. Wer einen solchen Anspruch hat, muss auch etwas bieten (freilich müsste dies nicht musikalische Klasse sein, denn im Kampf sind schliesslich alle Mittel erlaubt). Dass dieser Mann die Charts stürmen kann, hat er zwar bereits bewiesen, aber ist seine Musik wirklich so gut oder widerspiegelt er damit bloss eine Tendenz in der Gesellschaft („Ich bin der Prototyp, auf den jetzt unsere Jugend steht“ in Das gewisse Etwas)?

Besinnt man sich kurz auf das Klischee vom Gangsta-Rap, erwartet man eine grosse Portion Selbstverherrlichung, verziert mit Arroganz und einer Prise Mysogynie. Doch das Album entspricht diesem Klischee nicht, denn Frauen kommen überraschenderweise gut weg. Stattdessen integriert der „Hero aus der Arbeiterklasse“ (Einer aus dem Volk) einen starken Ehrbegriff und ein ansonsten für diese Sparte unübliches Konzept der Hoffnung. Der Sohn palästinensischer Einwanderer war bereits im Auftrag des deutschen Goethe-Instituts auf einer Tournee durch Palästina, um den Jugendlichen einen gewaltfreien Lebensweg aufzuzeigen. Es liegt nicht in meiner Kraft, darüber zu urteilen, ob Massiv der geeignete Mann dafür ist („Lass dich ein mit mir und du liegst als Wasserleiche da“ in Das gewisse Etwas), aber als potentieller Friedensstifter macht er sich, auch wenn die Verhältnisse sehr idealisiert dargestellt werden, in Deutschland („Das ist das Land das uns zum Glück führt (…), hier sind alle vereint – egal, ob arm oder reich, schwarz oder weiss“) nicht schlecht. Es bleiben auf jeden Fall Widersprüche, welche nur schwer aufzulösen sind, sowohl textlich als auch musikalisch. Der Hörer findet tiefgründige Ideen mit sozialkritischen Aspekten (Weil wir der Wahrheit nicht ins Auge sehen), aber auch langweilige Inhalte (Die drei Löwen) auf dem Album.

Trotz beeinträchtigtem Sozialisationsprozess - Massiv hat keinen Schulabschluss - und vielen Kritikern, hat dieser Mann eine interessante Seite. Ihm gelingt es, das Leben eines immer grösser werdenden Teils der Gesellschaft zu widerspiegeln, welchem es ähnlich wie ihm geht. Natürlich sind die Texte teilweise primitiv und meist in vulgärer Sprache gerappt, aber mit zumindest intuitiver Kenntnis der Frustrations-Aggressions-Hypothese kann jeder ein gewisses Verständnis für das Verhalten der Mitglieder dieser Gesellschaftsschicht entwickeln. Er ist zwar nicht „Explosiv wie Dynamite, kultiviert wie Freundeskreis“ (King of Rap), aber wer in dieser immer noch in Schichten aufgeteilten Gesellschaft zuunterst anfangen muss und sich nach oben kämpft, soll auch, einmal oben angelangt, „Fickt euch!“ sagen dürfen.

Veröffentlichung CH:
27.02.2009

Label:
Sony Music (Columbia)

Tracklist:
1. Intro (01:43)
2. Meine Zeit (04:00)
3. Hand in Hand (04:01)
4. Einer aus dem Volk (03:49)
5. MAS Techno (03:08)
6. Hollyhood (03:39)
7. Massiv / Taylor, C.J. - Es zählt jede Sekunde (04:04)
8. Massiv / Winans, Mario - Dream (03:46)
9. Das gewisse Etwas (04:24)
10. King Of Rap (03:45)
11. Deutschland (03:19)
12. Massiv / Sonic / Beirut - Die drei Löwen (03:43)
13. Blutsbruder (03:14)
14. Massiv / Beirut - Weil wir der Wahrheit nicht ins Auge sehen (03:14)
15. Massiv / Beirut - Alles oder nichts (03:45)
16. Ich bin deutscher Hip Hop (03:48)
17. Rockballade (03:24)

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