Die Frau ohne Schatten @ Opernhaus Zürich
Christina Ruloff - Gewaltig: Das Opernhaus Zürich inszeniert Die Frau ohne Schatten von Richard Strauss neu. Dank des schlicht herausragenden Orchesters und der vielen tollen Solodarbietungen ist die Oper ein intensives Erlebnis, so dass sich während der vier Stunden (bei zwei langen Pausen) wede...
Einst hat er sich eine zierliche, weiss Gazelle gefangen. Doch ehe er sie erlegen konnte, hat sie sich eine wunderbare Frau verwandelt. Nun sind der Kaiser und seine Kaiserin ein Jahr lang glücklich zusammen, doch grosse Unglück steht an. Denn die Frau wirft noch immer keinen Schatten, ist noch immer nicht ganz Mensch geworden. Und wenn es ihr innerhalb der nächsten drei Tage nicht gelingt, einen Schatten aufzutreiben, wird ihr unbekümmerter und etwas törichter Gatte zu Stein werden. In ihrer kindlichen Verzweiflung wendet sie sich an ihre geliebte Amme, die bislang immer Rat wusste. Diese führt sie nun zum Färber, wo der Haussegen mehr als nur schief steht. Die Gattin macht ihrem anständigen und viel zu nachsichtigen Mann mit unendlichem Genörgel und Gekeife das Leben zur Hölle. Um ihm eins auszuwischen und dem drögen Alltag zu entfliehen, ist die Färberin bereit alles zu tun, und sich schon gar von ihrem unnützen Schatten zu trennen. Doch im Moment, wo es so weit wäre, zögert die Kaiser: Natürlich will sie ihren Mann retten und unbedingt einen Schatten haben; doch um welchen Preis? Wird sie je glücklich werden, wenn sie durch ihre Erlösung andere ins Unglück stürzt?
Was ist ein Schatten wert?
Es sind die ganz grossen Fragen des menschlichen Daseins, die in der „Frau ohne Schatten“ gestellt werden: Was ist der Mensch und was macht seine Menschlichkeit aus? Wie viel fremdes Unglück ist das eigene Glück wert? Wer darf oder kann über andere urteilen? Der passiven und etwas naiven Kaiserin (zart und doch stark dargestellt und gesungen von Emily Magee) fehlt mehr als nur der eigene Schatten, der ein Symbol für ihre noch nicht ausgewachsene menschliche Seele ist. Was ihr an Menschlichem abgeht, hat ihr Spiegelbild, die Fäberin (stimmlich und schauspielerisch ganz stark: Janice Baird) im Überfluss, nämlich Emotionen: Sie lässt sich von Missgunst, Neid, Angst und Wut hin- und herwerfen, nur um, als es zählt, doch zu ihrem Mann und zu sich selbst zu finden. Michael Volle verkörpert diesen grossartig nuanciert: Von Geduld über Selbstzweifel, Verzweiflung und Hass beherrscht er alle Facetten des menschlichen Daseins und es ist nach seiner Darbietung schlicht unmöglich, sich einen anderen Färber vorzustellen. In ihm findet die Kaiserin schliesslich ihren Meister und versteht, was es im Idealfall bedeutet, Mensch zu sein.
Eine Irrfahrt durch die menschliche Seele - im dritten Akt in Blau.
Das Orchester der Oper Zürich hat sich bei der Premiere der „Frau ohne Schatten“ wieder einmal selbst übertroffen. Man ist sich von diesem Orchester erstklassige Darbietungen gewohnt. Aber wie souverän und differenziert es unter der Leitung von Franz Welser-Möst diese höchst anspruchsvolle und zu allem noch lange Oper meistert, ist grosse Klasse. Es erhielt daher zu Recht den grössten Applaus des ganzen Abends. Nie hat es die starken und oftmals sehr lauten Sänger mit Musik übertönt, aber auch hat es sich nie übertönen lassen, sondern die gewaltige Vision von Strauss beeindruckend für sich sprechen lassen.
Das kann man von der Regie von David Pountney leider nicht sagen. Ist das Libretto von Hugo von Hoffmannsthal ohnehin schon sehr symbollastig und für den heutigen Geschmack gewöhnungsbedürftig, so tut die Regie ihr Übriges, diese Aspekte zu übermässig zu betonen. Einmal abstrakt, einmal realistisch, dann wieder symbolistisch fehlt der Inszenierung eine klare Linie. Der Falke, ein wichtiges Symbol, räkelt sich lasziv über farbige Bälle und Eier, die im bieder tapezierten Wohnzimmer der Kaiserin hängen – man fragt sich warum. Später erholt sich die Kaiserin von ihren menschlichen Abenteuern in einem Zwischending aus Vogelhaus und Laufgitter, an dem zu allem Übel auch noch Babypuppen hängen. Überhaupt sind die vielen Babys, die sich penetrant und leitmotivisch mit übergrossen Masken durchs Stück bewegen ein Ärgernis. Natürlich ist das Kind ein von Hoffmansthal geschätztes Symbol für Leben und Tod und für den Menschen. Aber eine wirklich gute Inszenierung braucht das Offensichtliche doch nicht breitzutreten, sondern verlässt sich auf die Symbiose zwischen Musik und Text. Und Sänger wie Orchester haben schlicht Herausragendes geleistet, so dass das Drumherum nicht nötig gewesen wäre.
Weitere Spieldaten:» Mi, 15.12.2009» Sa, 19.12.2009 » Di, 22.12.2009 » Sa, 26.12.2009 » So, 03.01.2010 » Sa, 09.01.2010
Copyright Fotos: Suzanne Schwiertz