Review: Glasmenagerie @ Schauspielhaus
Robert Salzer - „Was wird aus uns? Was soll die Zukunft sein?“ – Samir zeigt Die Glasmenagerie von Tennessee Williams: Einige originelle Ideen; die hohen Erwartungen werden leider nicht erfüllt.Tom Wingfield (Maik Solbach) erzählt die Geschichte seiner Familie. Der Vater hat sich schon v...
Tom Wingfield (Maik Solbach) erzählt die Geschichte seiner Familie. Der Vater hat sich schon vor einigen Jahren aus dem Staub gemacht und so muss Tom als Ersatzernährer herhalten. Um die Familie durchzubringen arbeitet er in einer Schuhfabrik. Dabei träumt er davon, seinen Job an den Nagel zu hängen und stattdessen Dichter zu werden. „Für 65 Dollar im Monat gebe ich alles auf, wovon ich träume!“ Um der Realität zu entfliehen geht Tom Abend für Abend ins Kino und kommt frühmorgens betrunken nach Hause. Doch auch die anderen Familienmitglieder flüchten sich in Fantasiewelten. Die Mutter Amanda (gut gespielt von Jutta Lampe) schwärmt von ihrer längst vergangenen Jugend in den Südstaaten. Damals sei alles besser gewesen, sie habe in Wohlstand gelebt und viele Verehrer gehabt. „Einer hatte ein Bild von mir dabei, in der Nacht als er starb.“ Laura, die jüngere Schwester (Cathérine Seifert) hat sich aus gläsernen Figuren ihren eigenen kleinen Zoo zusammengestellt, die titelgebende Glasmenagerie. Die junge Frau ist sehr schüchtern gegenüber Fremden, nicht zuletzt, weil sie leicht behindert ist.Eines Tages beschliesst Amanda, ihrer Tochter einen Mann zu finden. Tom bringt deshalb Jim O’Connor (Oliver Masucci), einen alten Schulfreund, mit nach Hause. Die Mutter knüpft hohe Erwartungen an diesen Besuch und inszeniert den Abend nach allen Regeln der Kunst. Nicht nur putzt sie sich und ihre Tochter heraus (mit Papiertaschentüchern wird die flachbrüstige Laura attraktiver gemacht), auch weiss sie im rechten Moment den Strom abzudrehen, um die Begegnung zwischen Jim und Laura romantischer werden zu lassen. Das Vorhaben gelingt und die beiden tanzen eng umschlungen, bis Jim auf das gläserne Einhorn aus der Glasmenagerie tritt…
Die tragische Familie Wingfield (Jutta Lampe, Maik Solbach, Cathérine Seifert)
Samirs Inszenierung spielt in einem aus Metallstäben angedeuteten Zimmer, das spartanisch eingerichtet ist. Zwischen den einzelnen Szenen werden im hinteren Teil der Bühne jeweils Ausschnitte aus Modeschauen, Werbungen und Musikvideos projiziert, welche wohl die grosse Welt ausserhalb der engen Wingfieldschen Wohnung darstellen sollen. Laura schaut denn auch gespannt auf den alten Fernseher, der dasselbe zeigt.
Laura zeigt Jim bei Kerzenlicht ihr gläsernes Einhorn (Oliver Masucci und Cathérine Seifert)
Immer wieder blitzen während des Stücks interessante Ideen des Regisseurs auf: Die Laufschrift, welche in der Originalsprache Toms Erzählungen unterstreicht, ist ebenso originell wie die Szene im Kerzenschein.
Die hohen Erwartungen, welche die hervorragende letzte Samir-Inszenierung „Motortown“ geweckt hat, erfüllt diese Inszenierung hingegen nicht. So hat sie Längen, die Dialoge wirken vorhersehbar und irgendwie springt der Funke nicht auf das Publikum über. Was will uns das Stück genau sagen? Statt gebannt zuzuschauen hängt man seinen eigenen Gedanken nach. In den hinteren Reihen hört man die Schauspieler nur sehr leise, was dem Theatergenuss nicht förderlich ist. Da trösten auch die guten Leistungen der Darsteller – vor allem Jutta Lampe gibt eine ausgezeichnete bitterböse und dominante Mutter – nicht über die mässige Inszenierung hinweg, in der keinerlei Akzente gesetzt werden.
Nach neunzig Minuten Theater geht der Zuschauer unbefriedigt nach Hause und weiss nicht so recht, was er vom gerade Gesehenen halten soll. Vielleicht will Williams gerade dies.