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21. April 2010, 00:00 Movie

Gainsbourg

Gregor Schenker - Eigentlich ist der Franzose Joann Sfar ja für seine Comics berühmt (und das zu Recht). Für die Fantasy-Parodie-Reihe Donjon zum Beispiel, die er zusammen mit Lewis Trondheim, Manu Larcenet und anderen auf die Beine gestellt hat, oder für Die Katze des Rabbiners (soll auch dem...

Eigentlich ist der Franzose Joann Sfar ja für seine Comics berühmt (und das zu Recht). Für die Fantasy-Parodie-Reihe Donjon zum Beispiel, die er zusammen mit Lewis Trondheim, Manu Larcenet und anderen auf die Beine gestellt hat, oder für Die Katze des Rabbiners (soll auch demnächst ins Kino kommen). Für die Adaption seines eigenen Bildbandes über den legendären Chansonnier Serge Gainsbourg haben ihm die Produzenten jedoch 16 Millionen Euro in die Hand gedrückt, damit er gleich selbst Regie führt – und er hat ein bemerkenswertes Zwischending von Märchen und Biopic hingezaubert.

Der kleine Lucien Gainsbourg erlebt den Zweiten Weltkrieg im besetzten Frankreich als Kind russisch-jüdischer Eltern und muss sich vor der SS im Wald verstecken. Immerhin weiss er, was er später werden will, nämlich Maler. Karrieretechnisch will das allerdings nicht so recht hinhauen, dafür schlägt er sich als Pianist und Songschreiber durch (er nennt sich inzwischen Serge). Bis er schliesslich die Malerei für die Musik aufgibt. Nach eher bescheidenen Anfängen beginnt der unaufhaltsame Aufstieg, er wendet sich der Popmusik zu, feiert gewaltige Publikumserfolge, arbeitet (und schläft) mit Stars wie Brigitte Bardot oder Jane Birkin.
Selbstverständlich hat der Ruhm auch die berüchtigten Schattenseiten: Die Sucht nach Tabak und Alkohol führt schon bald zum Herzinfarkt, Beziehungen gehen in die Brüche, als Vater ist Serge eine Katastrophe und das obszöne Liebeslied Je t’aime… moi non plus oder seine Reggae-Version der Marseillaise ziehen grosse Skandale nach sich…

Der Film orientiert sich zwar an der Biographie Gainsbourgs, verfolgt diese aber eher frei assoziierend und sprunghaft als historisch exakt und schön der Reihe nach. Auffallend sind insbesondere die surrealistischen Einschübe, wie beispielsweise das imaginäre zweite Ich des Protagonisten. Handelt es sich bei diesem in Kindertagen noch um eine Karikatur des nach Weltherrschaft greifenden Juden, wird es später zu „la gueule“, der selbstbewussten, verführerischen und künstlerisch virtuosen, aber auch entstellten „Fratze“, die Gainsbourg immer wieder ins Zeug flickt, aber ihn auch zum Erfolg (in der Musik und bei der Damenwelt) verhilft.
Auch sonst begeistert der Film mit Bildwelten, die Sfars Comics auf die Leinwand bannen. Nicht zuletzt da, wo es um die holde Weiblichkeit geht, die schwärmerisch in Szene gesetzt wird (der Film folgt da halt ganz der Perspektive des Protagonisten, erinnert aber auch an die sinnlichen Elemente aus dem Werk des Comicschaffers).

Ebenso bemerkenswert ist der Soundtrack. Der Musiker Olivier Daviaud (hier das erste Mal als Filmkomponist unterwegs) und die Darsteller interpretieren Gainsbourgs Werk neu. Mit anbetungswürdigem Resultat. Es hilft, dass die Schauspieler mit dem nötigen musikalischen Talent gesegnet sind, allen voran natürlich Eric Elmosnino (Le père de mes enfants) als Gainsbourg, aber auch Lucy Gordon (Frost) als Jane Birkin oder Laetitia Casta (Astérix et Obélix contre César) in der Rolle der Bardot. (Nebenbei: In Kurzauftritten sieht man Claude Chabrol als Gainsbourgs Produzent und Joann Sfar selbst als Georges Brassens.)

Fazit: Indem die grossartige Musik von Serge Gainsbourg mit den fantastischen Bilderwelten von Joann Sfar vereint wird, entsteht mit Gainsbourg (Vie héroïque) ein bezauberndes surreales Märchen, das man sich keinesfalls entgehen lassen sollte.


Bewertung: 5 von 5


  • Titel: Gainsbourg (Vie héroïque)
  • Land: Frankreich
  • Regie: Joann Sfar
  • Darsteller: Eric Elmosnino, Laetitia Casta, Lucy Gordon, Doug Jones
  • Verleih: Pathé Films
  • Start: 22. 4. 2010
Fotos von Pathé Films
Kommentare
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cruloff 27.04.2010 um 22:45
Ein wirklich genialer Film, der Gainsbourg gerecht wird; hier hat ein Regisseur mal den Mut nicht einfach die Biographie von der Wiege bis Bahre abzurasseln, sondern Akzente zu setzen und eigene Wege zu gehen. Unbedingt schauen gehen!