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14. Mai 2010, 12:53 Movie

DVD der Woche: District 9

Christina Ruloff - Was ist der Mensch? Der Überraschungserfolg aus Südafrika zeigt (in Form eines „Mocumentary“) wie Menschen mit scheinbar Andersartigen umspringen – grausam, gleichgültig, unmenschlich. Wer ein paar grundsätzliche Wahrheit über sich selbst und seine Mitmenschen ertragen...

Was ist der Mensch? Der Überraschungserfolg aus Südafrika zeigt (in Form eines „Mocumentary“) wie Menschen mit scheinbar Andersartigen umspringen – grausam, gleichgültig, unmenschlich. Wer ein paar grundsätzliche Wahrheit über sich selbst und seine Mitmenschen ertragen kann, hat mit District 9 die richtige Scheibe gefunden, alle anderen lassen getrost die Finger von dem Film.

Vor gut 20 Jahren sind Aliens in einem schrottreifen Raumschiff in Johannesburg gestrandet, wurden aus humanitären Erwägungen gerettet und durchgefüttert und vegetieren nun in einem Slum recht- und hilflos vor sich hin. Sie ernähren sich von Katzenfutter, werden von einer nigerianischen Gang laufend betrogen und gedemütigt und dürfen ihr Ghetto nicht mehr verlassen; kein Wunder, bieten sie doch einen sagenhaft hässlichen Anblick, können keiner geregelten Arbeit nachgehen und es fehlen ihnen jegliche Umgangsformen. Nun sollen sich ein für alle Mal aus dem Blickfeld der zivilisierten Welt entfernt in ein Camp in der Wüste verfrachtet werden. Damit alles im legalen Rahmen abläuft, müssen die Ausserirdischen ihren eigenen Deportationsbefehl selber unterschreiben. Und eben hierfür ist Wikus zuständig.

Wikus Van De Merwe ist kein böser Mensch – er ist lediglich ein durchschnittlicher und durchschnittlich beschränkter Büroheini; er liebt einen guten Burger, sein Einfamilienhaus und seine Frau. Er weiss was richtig ist und was sich gehört. Er darf in die Hütten der Aliens eintreten, alles durchwühlen, sie anschreien, sie notfalls mit Erpressungen und Drohungen zur Unterschrift nötigen, und sie allenfalls sogar erschiessen. Das ist als Mensch sein gutes Recht. Als er einen Deckel zu viel öffnet und sich mit einer braunen Flüssigkeit beschmiert, muss er am eigenen Leib erfahren, wie es ist, ein Paria zu sein. Er verwandelt sich sukzessive in einen so verhassten Ausserirdischen und wird von den Menschen ausgestossen und gejagt.

Wer nicht sputet, kriegt Prügel - der ganz normale Kontakt zwischen Ausserirdischen und Mensch.

Die grosse Frage, die sich bei District 9 stellt, ist nicht so sehr, wer die Ausserirdischen sind, wer gemeint ist – hier gibt es unzählige Interpretationen; die Parallelen zur Apartheid in Südafrika sind nicht zu übersehen, aber grundsätzlich kommen alle Menschen in Frage, die vermeintlich „anders“ wirken oder sich (un)freiwilligerweise anderen Menschen ausliefern müssen; Dokumentarfilme über Flüchtlingscamps (beispielsweise in Darfur oder in Haiti) zeigen allen, die es wissen wollen, dass es mit der berühmten Humanität nicht weit her ist.

Erschreckender ist die Art, wie Menschen – ganz normale Menschen wie wir sie auf der Strasse, in der Nachbarschaft, im Zug, beim Einkaufen treffen – handeln, wenn sie die Gelegenheit dazu kriegen. Daher ist erste halbe Stunde, die Wikus bei seiner Arbeit zeigt, in ihrer Alltäglichkeit Übelkeit erregend. Wikus, der harmlose und allseits beliebte Familienmensch, terrorisiert seine Schutzbefohlenen, er lässt sie in jeder Sekunde seine ganze Verachtung spüren, er wäre froh diese Plage loszusein, daher er treibt zum Jux ausserirdische Säuglinge ab – vor laufender Kamera, die seine hervorragende Arbeit dokumentieren soll. Er ist sich der Ungeheuerlichkeit nicht nur nicht bewusst, er empfindet sein Verhalten als normal und vorbildlich.

"Paving the Way to Unity" steht da; Stacheldraht und Armee reden aber eine andere Sprache. Im Hintergrund ist Johannesburg im Jahre 2009.

Neill Blomkamp folgt im Laufe des Films allen üblichen Regeln des Action-Genres, es wird viel geschossen und noch mehr gerannt; der Regisseur verrät jedoch nicht seine Kernaussage. Weder wandelt sich Wikus zu einem moralischen Menschen, noch ist er in der Lage seine Gesellschaft zu hinterfragen. Ein Happy Ending ist nicht in Sicht – wie auch? Kein Wunder war District 9 bei uns kein Erfolg beschieden – das (Selbst)Porträt unserer Gesellschaft ist zu beissend, zu ernsthaft und zu unversöhnlich, als dass man beruhigt das Kino verlassen könnte.

District 9 ist auf DVD erschienen!

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