A monkey needs to dance, so do you
Melanie Pfändler - Schmutzige Schweden, explosive Partypioniere und ein schwuler Vegetarier mit Zauberkräften – das erste Zürich Open Air endet am Sonntag 29.8. mit einem fulminanten Finale. Ein Haus voller Büros. Ein paar Menschen in Anzügen bewegen sich durch die Flure; steife, stumme Ges...
Ein Haus voller Büros. Ein paar Menschen in Anzügen bewegen sich durch die Flure; steife, stumme Gestalten. Da beginnt ein Lied zu spielen: „We’re the people, the lucky with the fragile bones, the ones who sit and worry ´bout getting to old. We’re the people, the happy with the broken hearts, the ones who draw a picture and proclaim that it’s art...“ – Plötzlich reissen sich die Bürohengste die Kleider vom Leib und beginnen wie wild zu tanzen.Dieses Bild hat Oskar „Ossi“ Bonde vor Augen, wenn er an „Man must dance“ denkt, den Geniestreich auf der ersten Johnossi-Platte. Sein Kumpane John denkt an einen rumhüpfenden Buschmenschen im Regenwald. Auch ihre Songs beweisen: An Phantasie fehlt es den beiden Schweden nicht. Minimalistisch waren sie höchstens bei der Namenswahl. Die dürfte etwa so abgelaufen sein: „Du, John, wenn wir schon so eine tolle Band sind, dann brauchen wir doch auch einen Namen.“ „Au ja, Ossi! Hast du auch gleich eine Idee?“ „Nö. Du vielleicht?“ „Lass mal überlegen.“ Einige Promille später war die Sache gegessen.Live sind Johnossi ein echtes Ereignis; da fliegen die Drumsticks und tropft der Schweiss. Doch nicht nur weibliche Indie- und Skandinavier-Fans, sondern auch männliche Zocker kommen auf ihre Kosten: Der „Execution Song“ dürfte ihnen aus dem EA-Game „NHL 2009“ bekannt vorkommen.In jenem Interview, das die Autorin dieses Texts vor zwei Jahren geführt hat und in dem John und Ossi ihr Kopfkino beschrieben, kamen noch mehr prickelnde Informationen zutage: John hasst Mode und denkt, dass es illegal sein sollte, dass 14-jährige Uhren für 20‘000 Euro besitzen. In ihren Anfangszeiten sind Johnossi nach ihren Konzerten manchmal in eine Bar gegangen und haben rumgeknutscht, um dem Gerücht Antrieb zu verleihen, dass sie schwul seien. Ossi belügt seine Mutter, wenn sie anruft und fragt, was er den ganzen Tag gemacht habe. Und John wünscht sich, eines Tages auf die Bühne treten zu können und zu wissen: „I am the fucking best in the fucking whole wide world.“ Am Zürich Open Air können John und Ossi beweisen, dass sie diesem Traum schon einen Schritt näher gekommen sind.
Good ol‘ days
Im Vergleich zu den beiden dreckigen Schweden sehen „Kitty, Daisy & Lewis“ aus wie frisch aus der Waschmittelwerbung. Das Londoner Trio ist quasi die Kelly Family im Kleinformat. Die Durham-Geschwister orientieren sich allerdings nicht am Hippie-Sound der Seventies, sondern am Swing, Blues, Folk und Rock’n’Roll der Nachkriegszeit. Dabei wirken sie so unschuldig und glücklich, wie eine Hausfrau aus den 50ern, die gerade ein neues Backpulver entdeckt hat („Better cookies for my darling!“).Authentizität wird im Hause Durham gross geschrieben: Die ersten Singles wurden im Eigenheim produziert, das Aufnahmeequipment stammt ausschliesslich aus den 40ern und 50ern und bei manchen Konzerten stehen Mami und Papi mit auf der Bühne. Das Gute-Alte-Zeiten-Image macht sich bezahlt: Kitty, Daisy und Lewis standen bereits mit Mika und Coldplay auf der Bühne und sind gleich zweimal am Glastonbury Festival aufgetreten. Ein feuchter Traum für Fans von Johnny Cash und „Eine himmlische Familie“!
Auch nicht ganz unpassend: Die Schweizer„Christopher Christopher“. Deren erste Single hiess nämlich „We did the Laundry today“. Nice Job, Jungs!
Ebenfalls nicht zu verachten ist Jónsi, ein schwuler Vegetarier mit Zauberkräften. Während die anderen Sigur Rösser eine Babypause einlegen, ist Frontmann Jón Þór Birgisson allein unterwegs und umgarnt die Fans erstmals in englischer Sprache. Die Veranstalter dazu: „Seine Musik ist bezaubernd anders, mit seiner feenhaften Stimme und den reichhaltigen Melodien verleitet sie zum träumen und davonschweben.“
WUUUUUARRRH!
Während Jónsi an Isländisch Moos oder Magic Mushrooms erinnert, schmeckt der Headliner des Abends eher nach Acid, Speed und Ecstasy. Oder Napalm. Liam Howlett, Leeroy Thornhill und Keith Flint – diese drei Namen stehen für explosive Live-Shows erster Güte. Dank „The Prodigy“ darf man seine CD-Sammlung aus den 90ern herzeigen, ohne sich gleich in Grund und Boden zu schämen. Eine ganze Generation hat diesem Sound ihre Party- und Katerstimmung zu verdanken. Auch die Band hat einiges hinter sich: Trennungen, Besetzungswechsel und die ersten grauen Haare. Wobei sie letzteres wohl selbst nicht eingestehen würden: „Wir sorgen für Erregung, wir sind eskapistisch. Außerdem sind wir ja nicht die Rolling Stones – wir sind immer noch fucking jung!“, zitieren die Veranstalter die Elektro-Punks. Also Achtung: Nix für Weichbecher!
Die sind am Sonntag auch noch dabei:
FRISKA VILJOR
STEREOPHONICS
KATE NASH
JJ
SAYBIA
GEMMA RAY
BELLE AND SEBASTIAN
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