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7. September 2010, 16:31 Interview Movie

Markus Hering im Interview

Gregor Schenker - Nächsten Donnerstag kommt Das Leben ist zu lang ins Kino, der neuste Film des Schweizer Regisseurs Dani Levy (Alles auf Zucker!, Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler). Im Film geht es um Alfi Seliger, ein Filmemacher, der seit einem vielversprechende...

Nächsten Donnerstag kommt Das Leben ist zu lang ins Kino, der neuste Film des Schweizer Regisseurs Dani Levy (Alles auf Zucker!, Mein Führer – Die wirklich wahrste Wahrheit über Adolf Hitler). Im Film geht es um Alfi Seliger, ein Filmemacher, der seit einem vielversprechenden Karriereanfang nichts mehr auf die Reihe gekriegt hat. Das Schicksal scheint sich zu wenden, als sich die Frau eines Produzenten in ihn verliebt, aber dann geht es auch schon wieder konsequent abwärts – bis sogar Selbstmord eine gute Option darzustellen scheint …
Markus Hering, der Hauptdarsteller, beantwortet die Fragen von Students.ch.


Students.ch: Du spielst im Film Alfi Seliger, der ja gewisse Ähnlichkeiten mit Dani Levy hat – bis hin zum äusseren Erscheinungsbild. Aber du trittst nicht einfach als sein Zwilling auf, oder?

Nein. Die Rolle enthält zwar Persönliches – wenn zum Beispiel der Produzent Alfi sagt, dass nur er diesen Film über die dänischen Mohammed-Karikaturen machen könne, weil er jüdisch sei, so geht das auf Reaktionen auf „Mein Führer“ zurück. Aber Alfi ist nicht Dani Levy.
Dani hat sich, wie er sagt, schwer getan, einen Alfi Seliger zu finden. Der Dreh wurde deshalb sogar vom Frühjahr in den Herbst verschoben. Und das war für mich ein Glück, weil Danis Produzentin, Manuela Stehr, beim Münchner Filmfest war. „Whisky mit Wodka“ von Andreas Dresen lief da gerade; ich spiele darin einen Schauspieler, der für einen alkoholkranken Star als Double einspringt. Manuela Stehr machte Dani auf mich aufmerksam, wir haben uns zu einem Gespräch getroffen und zum Ende dieses Gesprächs war klar, dass ich die Rolle habe. So zu einer Rolle zu kommen, das ist schon eine schöne Sache.

Students.ch: War es nötig, sich auf den jüdischen Hintergrund der Figur vorzubereiten?

Ich habe Dani gefragt, ob ich mich da informieren muss, ob ich irgendwelche religiösen Rituale kennen muss. Aber das war nicht nötig, da Alfi im Film eigentlich nie so etwas macht. Das war sicher ganz anders für die Schauspieler in „Alles auf Zucker“, wo das viel eher eine Rolle spielt.

Students.ch: Du kommst eigentlich vom Theater, auch wenn du schon länger in Film und Fernsehen in Nebenrollen aufgetreten bist. Was sind so die Unterschiede, wenn man auf der Bühne oder vor der Kamera steht?

Ich bin schon früh zweigleisig gefahren, weil sich das auch positiv beeinflusst. Das Spielen im Film hilft beim Spielen im Theater und umgekehrt. Auf dem Set musst du sehr fokussiert sein, du musst lernen, mit dem Kamerabild zu denken und darauf zu achten. Das hilft dir dann beim Theater, wo du dir dann den Rand der Bühne wie das Kamerabild denkst.

Students.ch: Ein Unterschied ist ja auch, dass man im Theater vor realem Publikum spielt, beim Film aber für ein imaginäres Publikum.

Am Set hast du ja die Crew. Du spielst zwar nicht unbedingt für sie, aber du hast sie als Gegenüber, so dass du merkst, ob das, was du spielst, so funktioniert und glaubwürdig ist.
Beim Film ist es auch so, dass du auf Kollegen mit ganz verschiedenen Hintergründen triffst. Teilweise hast du sie noch nie zuvor gesehen, aber du weisst, am Abend muss die Szene im Kasten sein. Du musst spontan auf sie reagieren. Und bei Dani gefällt mir, dass er dir Raum dafür lässt. Er lässt die Schauspieler zusammenkommen und sie einfach machen und lässt sich vom Ergebnis überraschen.
Es ist übrigens etwas Neues für mich, in einem Film eine Hauptrolle zu übernehmen. Man kann sich stärker einbringen und steht am Schluss für den Film ein. Das ist etwas ganz anders, als wenn man eine Nebenrolle spielt. Das ist auch eine Abwechslung für mich; das Theater kenn ich schon, das hier im Film ist etwas Neues für mich. Das möchte ich noch etwas ausprobieren, wenn ich die Möglichkeit kriege.

Students.ch: Du bist ja sehr erfolgreich am Theater, wurdest mit zwei Nestroys ausgezeichnet. Wenn du nun Alfi spielst, der ebenfalls in einem Künstlerberuf ist, aber sehr erfolglos, war das für dich auch eine Möglichkeit, ein alternatives Szenario durchzuspielen? In der Art: Was wäre, wenn ich in meinem Beruf ein Versager wäre?

Beim Film stehe ich ja quasi noch am Anfang, da muss man erst sehen, ob ich Erfolg habe. Aber man stellt sich schon solche Fragen. Wenn Alfi zum Beispiel hört, dass er Darmkrebs hat, oder hatte, da fragt man sich natürlich: Wie würde ich auf so etwas reagieren? Ich bin ja in einem Alter, in dem das Risiko besteht, oder in dem es zunehmend Bekannte betrifft. Aber wie man reagieren würde, weiss man wohl nicht, solange man nicht selber in dieser Situation steckt.

Students.ch: Aber da bietet das Schauspielen natürlich die Möglichkeit, das Durchzuspielen. Oder auch für das Publikum, das stellvertretend mitzuerleben.

Genau.

Students.ch: Alfi geht auch ziemlich entspannt mit Drogen und Sex um. Obwohl er auf der anderen Seite ziemlich spiessig wirkt.

Er hat beide Seiten, seine guten und seine schlechten. Mich interessieren Figuren, die Schwächen haben, auch wenn ich im Theater einen Helden spiele. Heutzutage ist es eh keine grosse Sache mehr, einen Joint zu rauchen. Früher hat man Zigaretten geraucht, heute ab und zu einen Joint.
Aber bei der Sache mit dem Koks, da will sich Alfi keine Blösse geben und zieht sich am Schluss gleich zwei Lines rein, fast schon eine Überdosis. Auch mit den Frauen; er wird ja gleich mit vier Frauen intim: Mit Natasha, Caro, seiner Ehefrau und mit seiner Mutter, der er einen Zungenkuss gibt um ihr zu beweisen, dass das alles nur ein Film ist. Er ist ein Charakter mit ganz verschiedenen Seiten.

Students.ch: Du sprichst es an: Alfi merkt im Film, dass er nur eine Filmfigur ist. Da stellt sich für ihn die Fragen nach seiner Identität besonders stark. Wie übrigens auch für Caro Will, der Soap-Opera-Darstellerin. Aber sie geht ganz anders damit um.

Ihr Leben ist ja schön, sie will es gar nicht ändern. Alfi lehnt sich aber gegen den Regisseur auf. Ich finde grandios, wie er sich auflehnt und nichts mit sich machen lässt. Als er dann am Schluss zurück in eine frühere Stelle im Film geworfen wird, führt er sein Leben auch ganz anders, noch einmal ganz neu.
Wobei es ja auch die Interpretationsmöglichkeit gibt, dass das alles nur in seinem Kopf stattfindet.

Students.ch: Man könnte die Geschehnisse nach dem Selbstmordversuch auch als eine Art Höllenvision begreifen. Der Film lässt da viele Möglichkeiten offen.

Genau. Mich haben schon Leute nach der Vorstellung gefragt, ob sie mit ihrer Interpretation recht haben. Ich meine: Wenn sie das so sehen, dann stimmt das auch. Es gibt bei dem Film nicht DIE richtige Lösung.

Students.ch: Dieser Ansatz des Filmes, dass sich eine Filmfigur bewusst wird, bietet auch sonst schöne Möglichkeiten, zur Auseinandersetzung mit Klischees zum Beispiel. Der Film beginnt ja wie eine ganz normale Komödie, was er aber schliesslich nicht ist.

Ja, das haben wir bewusst so gemacht. Auch, dass Alfi Seliger so ähnlich ist wie Woody Allen, der ja ganz ähnliche Figuren gespielt hat. Da haben wir den Zuschauer aufs Glatteis geführt. Es hat natürlich grossen Spass gemacht, mit diesen Klischees zu spielen. Auch in der Zungenkuss-Szene zum Beispiel, wenn Alfi zu seiner Mutter sagt, sie sei ja nur ein Klischee, ein Mythos. Und sie dann: Ja, und? Da wird dieses Klischee hinterfragt, aber weil Elke Sommer diese Rolle spielt, trifft es ja eigentlich gerade zu. So etwas hat mir sehr gefallen.

Students.ch: Da drin steckt ja auch die Frage nach dem Gegensatz von Film als reiner Unterhaltung, oder von Film mit einem Anspruch. Alfi kämpft ja dafür, seine Ideen gegen die Industrie durchzusetzen, womit er aber zum Beispiel als Soap-Opera-Regisseur völlig versagt.

Solche Produktionen sind ja das Industriellste, was man finden kann. Es wird im Tagesrhythmus gearbeitet, da ist es schwierig, eine gute Leistung abzuliefern. Man kann dann nicht sagen: Können wir das noch einmal wiederholen, das kann ich besser. Stattdessen heisst es: Egal, wir müssen auch mal fertig werden. Auch bei Serien, in denen ich mitgespielt habe, habe ich das so ähnlich erlebt. In solchen Produktionen habe ich schon gute Kollegen schlecht spielen sehen, ist mir bestimmt auch schon passiert. Solche Rollen reizen mich inzwischen gar nicht mehr.

Students.ch: Du spielst ja ganz verschiedene Sachen, nicht nur Komödien.

Also, am Theater spiele ich ja alles, da wird erwartet, dass man vielseitig ist. Im Film muss man aufpassen, dass man nicht in eine Schublade gesteckt wird. Das passiert ziemlich schnell und man ist selbst dafür verantwortlich, dass es nicht passiert. Es ist auch nur Zufall, dass ich jetzt zweimal hintereinander, „Whisky mit Wodka“ und „Das Leben ist zu lang“, in einer Komödie über das Filmemachen mitspiele. Da suche ich das nächste Mal lieber nach etwas anderem.


Die Kritik zum Film gibt es hier.
Und hier findet Ihr das Interview mit Dani Levy.


Bilder von Filmcoopi

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