No Country for Old Men
Christina Ruloff - Die Coen - Brüder sind wieder auf der Höhe ihres Schaffens: No Country For Old Men zeigt die von Leichen gesäumten Verstrickungen dreier Männer in Südtexas als Götterdämmerung unserer Zeit: Was will man mehr?Die Geschichte beginnt, wie so oft bei den Coen - Brüdern, mit ...
Die Geschichte beginnt, wie so oft bei den Coen - Brüdern, mit einem dummen, aber folgenreichen Zufall. Oder ist es doch Schicksal? Wie oft findet man von Maschinenpistolen durchlöcherte Autos, ein paar tote, langsam verwesende mexikanische Drogendealer, eine Menge Dope und zwei Millionen Dollar in gebrauchten, unmarkierten Hunderternoten? Mitten in der südtexanischen Wüste? Moss – wortkarger Vietnamveteran und passionierter Jäger, der sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt und mit seiner Frau im örtlichen Trailerpark wohnt – überlegt nicht lange. Seine Gier ist grösser als seine Angst und sein sonst recht gesunder Menschenverstand; dass es sich hierbei um einen Wendepunkt in seinem Leben handelt, ist ihm sofort klar. Aber ist das Geld nicht ein Geschenk des Himmels?
Er ist - in jeder Hinsicht - nicht von dieser Welt: Javier Bardems Oscar prämierter Anton Chigurh.
Die Antwort kommt – wie die Amerikaner sagen würden – direkt per FedEx aus der Hölle, von Satan höchstpersönlich, in der Person von Anton Chigurh. Denn zwei Millionen Dollar Drogengelder werden immer vermisst. Die Figur Chigurhs setzt neue Massstäbe für Film – Schurken und lässt so sympathische Kerle wie Hannibal Lecter oder das Personal aus Lynch- oder Cronenberg - Filmen richtig leutselig und menschlich aussehen. Ausgestattet mit einer Luftdruckpistole (die üblicherweise zum Schlachten von Vieh verwendet wird) tötet er systematisch alles, was auch nur auf seiner Strassenseite fährt. „He doesn’t have a sense of humor“, heisst es einmal.
So stimmt das natürlich nicht, denn Javier Bardems Anton Chigurh ist eine Figur, die von den Coens ausgebaut und so inszeniert wurde, dass sie das Publikum mit grotesken, irrsinnigen und absurden Dialogen und ebenso wahnwitzigen Handlungen ständig zum Lachen bringt. Oder ist es eher ein verstörtes, fassungsloses Kichern, das die eigene Unfähigkeit zu reagieren maskiert? Denn reagiert wird in der sehr getreuen Verfilmung von Cormac McCarthys grossartigem Roman „No Country For Old Men“ höchst spärlich und wenn, dann immer zu spät. In der Rahmenhandlung erzählt der Sheriff, dessen County von Chigurh entvölkert wird, wie sich Südtexas in den letzten Jahren verändert hat; wie der mexikanische Drogenhandel das Land in den Griff genommen und die örtliche Polizei entmutigt, dezimiert und schliesslich mit noch nie dagewesener Gewalt zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen hat. Tommy Lee Jones gibt dem scheinbar lakonischen, abgehalfterten Sheriff Würde und Zerbrechlichkeit; man erlebt mit ihm, wie eine Tradition, eine Ordnung, eine ganze Welt untergeht.
"Last week they found this couple out in California, they would rent out rooms to old people an then kill em and bury em in the yard an cash their social security checks. They’d torture em first, I don’t know why. Maybe their television was broke." Für Tommy Lee Jones' Sheriff geht eine Welt unter.
Darum geht es Ethan und Joel Coen und McCarthy: Sie zeigen in grandiosen, auch metaphorischen Landschaftsaufnahmen, mit irrsinnigen und zugleich einfachen und wahren Dialogen, mit Mord und Todschlag den Untergang unserer Zeit. Atmosphärisch beängstigend und grossartig: No Country For Old Men ist ein Meisterwerk, das man gesehen haben muss.
Bewertung: 5 von 5
Wie lange hält Moss Anton Chigruh stand?
* Titel: No Country For Old Men
* Land: USA
* Dauer: 122 Minuten
* Regie: Joel und Ethan Coen
* Darsteller: Javier Bardem, Josh Brolin, Tommy Lee Jones, Woody Harrelson, Kelly Macdonald, Tess Harper