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17. Januar 2011, 14:47 Kolumnen

Shots no. 20: Chile ist zu

Dominik Mösching - Gestrandet, aber auf der angenehmeren Seite der Grenze: Wegen einer massiven Gaspreiserhöhung blockieren Demonstranten in Südchile alle Verbindungen.

Es wäre der perfekte Plan gewesen. Nachdem ich die argentinische Ostseite der Anden nach Süden durchquert gehabt haben würde, hätte ich bei Puerto Natales die Grenze nach Chile überschritten, zwei Wandertage im Nationalpark Torres Del Paine vebracht und anschliessend die Navimag-Fähre nach Puerto Montt - wiederum gen Norden - genommen. Der erste Teil hat perfekt geklappt: Die Steppenpiste Ruta 40 und die Granitspitzen von Cerro Torre und Fitz Roy sind eine Wucht. Aber weiter als bis El Calafate, die Touristenhochburg im Süden Argentiniens, scheint es nicht zu gehen. Denn Busse fahren keine mehr nach Chile.

Seit fünf Tagen schon blockieren Demonstranten alle Strassen, die in die Städte Punta Arenas und Puerto Natales führen. Erzürnt hat sie der Entscheid der chilenischen Regierung, die Gaspreise in der Provinz nicht mehr zu subventionieren; bis anhin waren diese deutlich billiger als im Rest des Landes. Fällt der Randregionenbonus weg, verteuert sich Gas auf einen Schlag um fast zwanzig Prozent. Zuviel für die Kleinbetriebe, den Transport und die Haushalte. Und so füllen sich in El Calafate die Hostels mit Gestrandeten, während immerhin die grenzüberschreitenden Telefone heiss laufen. Übernachtungen, Touren und Flüge werden gecancelt, und ich frage mich, warum eigentlich im Navimag-Büro seit Tagen keiner abnimmt. Mein Schiff kann ich nämlich nicht mehr erreichen.

Auf der argentinischen Seite der Blockade ist die Situation dennoch relativ entspannt - zumindest, solange die Geldautomaten funktionieren. Das ist bei der momentanen Bargeldknappheit hier keine Selbstverständlichkeit. In Chile hingegen sitzen einige oben im Nationalpark fest, und in den Städten fehlen gemäss der Lokalzeitung El Pinguino Betten sowie teilweise gar Nahrungsmittel. Die Zeitung berichtet in ihrer Online-Ausgabe von gestürmten Geschäften, total bereits 180 Verhafteten und einem fatalen Unfall: Beim Versuch eines Lastwagens, eine Sperre zu durchbrechen, kamen zwei Menschen ums Leben. 

Und die Situation scheint noch ungemütlicher zu werden. Vorgestern Samstag und gestern Sonntag wurden die Sperren zwar zeitweise gelockert, aber nur für Lebensmittellieferungen und hilfsbedürftige Touristen. Eine schwangere Schweizerin kam mit dem Roten Kreuz über die Grenze. Eine andere Reisende erzählt mir, dass sie herauskamen, weil jemand in ihrem Mietauto einen Armbruch 'vorweisen' konnte. Und ein Schweizer Ehepaar, das auf Kreuzfahrt gewesen war, liess sich für viel Geld und mit Begleitschutz an den Blockaden vorbeischleppen. Man hört Gerüchte, wonach der Ausnahmezustand über die Provinz Magellanes verhängt wurde, und selbst eine Ausweitung der Streiks in andere Regionen Chiles scheint nicht mehr unmöglich.

Und plötzlich sitzt man in einer dieser unheimlichen Eskalations-Kurzgeschichten von Franz Hohler. Werde ich einen der knappen Busplätze nach Norden ergattern können?

Update folgt.

Strassenschild der Steppenpiste Ruta 40.

Patagonische Photografen produzieren paketweise Postkarten.

Gestrandet in El Calafate, besucht man auch die zweitwichtigsten Sehenswürdigkeiten. Hier: Der Fussballplatz.

Bisherige Shots From the Road findest du hier.

Kommentare
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Jim-Knopf 26.01.2011 um 13:27
Das waren verrückte Zeiten! Meine Freundin und ich kamen während einer kurzen Blockadeöffnung aus Puerto Natales. Spontanflucht mit einem privaten Pick-Up.. dann zu Fuss über die argentinische Grenze.

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