Giorni e Nuvole
Christina Ruloff - Von der Arbeitslosigkeit und ihren bitteren Folgen für ein Familienleben: Silvio Soldini (Pane e Tulipani) inszeniert einen ernsthaften, quälenden Film, der leider an Überlänge krankt.Man fragt sich, was Michele seiner Frau Elsa noch alles verheimlicht hat. Am Tag nach ihrer ...
Man fragt sich, was Michele seiner Frau Elsa noch alles verheimlicht hat. Am Tag nach ihrer mit Bravour bestandenen Dissertation eröffnet er ihr, dass er arbeitslos ist – seit vier Monaten! Der Ausfall seines Gehalts hat ein derartiges Loch in die familiären Finanzen gerissen, dass man in Kürze ihr Haus verkaufen müsse. Er habe seine Frau nicht aufregen, nicht von ihren Prüfungen ablenken wollen. Die Arbeitstage hat er auf seinem Boot verbracht, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen...
Für das wohlhabende, bürgerliche Ehepaar beginnt ein Alptraum. Schwerer als die Einschränkungen, der Umzug in die schauderhafte Arbeitersatellitenstadt wiegen Scham, Schande und Ohnmacht. Michele, der joviale und väterliche Typ, zeigt sich plötzlich von ganz neuen Seiten. Dass seine Frau mit einem Bürojob die Familie durchzufüttern sucht, erfüllt ihn mit Ressentiments und Wut. In seiner Verzweiflung, seiner Rolle nicht gerecht zu werden, wird er reizbar, cholerisch und passiv...
Zusammen sind sie noch einsamer als ohne einander. Doch was kann man tun? Die grossartige Margherita Buy und ihr ziemlich unterlegener Filmehemann Antonio Albanese sind ratlos.
Silvio Soldini, der hierzulande vor allem für das wunderbare Filmmärchen Pane e Tulipani mit Bruno Ganz als isländischem Kellner bekannt ist, schildert den Fall des Ehepaars als minuziöse Studie über Arbeitslosigkeit und ihre Folgen – und zwar in den sogenannt besseren Kreisen. Man verstrickt sich in Lügen, beginnt die Freunde zu meiden. Plötzlich ist man alleine und hält sich selbst nicht mehr aus, keift sich wegen Lappalien an, macht sich gegenseitig verantwortlich. Soldini zeigt den Zerfall von Selbstwertgefühl und Anstand in scharfen, quälenden Bildern; nur die fabelhafte Margherita Buy hält den Zuschauer mit ihrem Esprit, ihrer Persönlichkeit bei Stange, Filmehemann Antonio Albanese geht mit seiner selbstgerechten Art schon bald sehr auf die Nerven. Die langatmige Inszenierung, die immer wieder atmosphärische Bilder Genuas, unnötige Unterepisoden und bedeutungsschwangere Musik einschiebt, macht es dem leidgeprüften Arthousezuschauer schwer. Es mag sein, dass in der Arbeitslosigkeit alles Ziel und Sinn verliert, doch ein Spielfilm, so deprimierend er auch sein muss, darf nicht so vor sich hindümpeln. Schon ein kleiner Lösungsansatz, oder eine drastische Auflösung hätten dramaturgisch gut getan. Denn nur im Film siegt die Liebe, und selten wirkte eine Versöhnung so wenig überzeugend, ja erzwungen wie hier.
Bewertung: 2.5 von 5
Job weg, Boot weg, Haus weg - und die Ehe zerbröselt langsam und quälend.
* Originaltitel: Giorni e nuvole
* Dauer: 115 Minuten
* Land: I
* Regie: Silvio Soldini
* Darsteller: Margherita Buy, Antonio Albanese, Giuseppe Battiston, Alba Rohrwacher
* Verleih: Filmcoopi
* Start: 3.4.2008