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29. März 2011, 16:35 Kolumnen

Shots no. 24: Bälpmoos, Bälpmoos

Dominik Mösching - Warum reisen wir eigentlich? Darauf gibt es fast so viele Antworten wie Reisende. Denken wir einen Moment über die Motive nach.

Bälpmoos, Bälpmoos: Irgendwo da draussen versteckt er sich, der Sinn des Lebens.

Jedes Jahr stehen mehr Leute an den Flughafenschaltern, mehr Koffern und Rucksäcke und E-Mails und MMS sind unterwegs. Immer mehr Menschen tauschen ihr verdientes Geld nicht gegen Sachen wie Kleidung oder Autos ein, sondern gegen Zeit, die sie an einem anderen Ort als ihrem Zuhause verbringen. Sie tun damit das, wovon Büne Huber in Bälpmoos ewig träumt: Sich wegspicken lassen. Dabei zählt aber nur für die Einen das Weggehen. Für die Anderen ist es das Unterwegssein an sich.

Die Weggeher sind die, die Urlaub machen. Man hat sich vier, fünf Wochen frei genommen, vielleicht auch zwei Monate Unbezahlten. Sich wieder einmal Zeit für sich selber (oder falls zu zweit: für den Partner) nehmen. Endlich mal dieses ferne Land kennen lernen, von dem man jetzt schon seit Jahren träumt und auf das man sich durch die Lektüre von Reiseführern schon bestens vorbereitet hat. Dabei übt das Leben A zuhause ständig einen kleinen, subtilen, gemeinen Druck auf das Leben B unterwegs aus. Dies und das muss man noch gesehen haben, Schatz, nur noch eine Woche, ha, zuhause regnet es, haben wir es nicht gut hier. Reisende dieses Typs sind häufig Schweizer. Oder Deutsche. Die Reise-Weggeher mit ihrer Kombination von Erholung und Aktivität sind aber nicht zu verwechseln mit den Ferien-Weggehern: Der Zweck ihrer zehntägigen All-Inclusive-Trips ist nicht mehr (und nicht weniger) als das einmalige Herunterfahren des Hirns. Sie reisen nicht, sondern werden gereist.

Für diejenigen, denen es ums Unterwegssein an sich geht, macht die Trennung von Leben A und B keinen Sinn. Denn daheim warten keine Aufgaben, weil man gerade einen Job oder das Studium oder, im Fall der meisten israelischen Reisenden, den Militärdienst beendet hat. Die Richtung heisst vorwärts, und Mobilität wird zur zeitweiligen Identität. Da gibt es Abenteurer wie die beiden britischen Modestudenten, die eineinhalb Jahre mit ihren alten, schweren und unpraktischen Reise-Klappkoffern unterwegs sind („for the sake of style, you know“). Es gibt Berufene wie den Christ und Ex-Junkie aus den Staaten, der mit seiner Gitarre von Gottesdienst zu Gottesdienst reist und nicht nur die Anderen, sondern auch sich selber zu erlösen hofft. Es gibt chronisch Heimatsuchende wie den Australier, der im siebten Jahr auf der Piste für eine Saison in einem abgelegenen kanadischen Hostel jobbt. Und es gibt unausstehliche Elitekosmopoliten wie den Holländer, der wahnsinnig gerne seinen Geschichten lauscht und in einem anderen Leben wohl Autos statt Länderstempel im Pass sammeln würde. Hauptsache Status.

Weggehen, Unterwegssein – und, ja, ankommen. „Es landet jede immer wider vor sire eigete Tür“, singt Büne Huber in Globetrotter und meint damit natürlich auch: bei sich selbst. Kaum einmal kann man sich selbst so unbeschwert suchen wie in diesem Zeitfenster, das sich Reisen nennt. Wenn ich dabei frecherweise gerade Lust habe, irgendwo zu bleiben statt weiterzureisen – ich tu’s.

Und schon habe ich eine Wohnung für ein paar Monate gefunden, hier in Buenos Aires.

(Bisherige Shots From the Road findest du hier.)

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