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8. Juni 2011, 16:07 Kolumnen

Shots no. 27: Vulkan mit einschneiender Wirkung

Dominik Mösching - Zuerst ist es kalt geworden in Buenos Aires, und jetzt dies: Ein Vulkanausbruch in den Anden sorgt für ungemütliche Herbsttage im Land. Wie sieht die Lage vor Ort aus?

Mach die Fenster zu, Schatz.

Eigentlich hatte ich es ja bereits vorgestern im Fernsehen gesehen. Doch ich schenkte der aufgetürmten Wolke aus Gas und Asche, die sich drohend über kahle Berge schob und an der ich zwei, drei Mal vorbeizappte, keine weitere Aufmerksamkeit. Zu routiniert ist man heutzutage im Umgang mit solchen Bildern. Vulkane, Erdbeben, Überschwemmungen, Waldbrände – irgendwo findet so etwas halt statt, sagt man sich. Aber bitte nicht in meinem Garten.

Als ich am gleichen Abend bei einem interkontinentalen Skype-Schwatz gefragt wurde, ob man denn den Puyehue-Ausbruch auch in Buenos Aires bemerke, stutzte ich einen Moment. Dann lächelte ich. "Aber, aber", bemerkte ich gönnerhaft, "die chilenisch-argentinische Grenze, wo sich das Vulkanmassiv ja bekanntlich befindet, liegt doch 1700 Kilometer westlich von hier." So ist das eben, dachte ich. Aus der Ferne betrachtet sitze ich geradezu auf dem Magmakrater, nur weil ich in Südamerika bin. Ich erinnerte mich an meinen Januar-Trip nach Patagonien. Bariloche, ein leicht unsympathisches Sankt Moritz-Imitat und in der Nähe des Vulkans gelegen, besuchte ich doppelt: zunächst auf dem Weg runter nach El Chaltén und dann für den Übertritt nach Chile, weil damals weiter südlich die Grenzen streikeshalber geschlossen waren. Die internationale Passstrasse führte mich unmittelbar am Puyehue entlang. Wie es dort nun wohl aussah?

Die Antwort bekam ich am nächsten Morgen. An diesen Bildern konnte ich nun nicht mehr vorbeizappen. Ich sah Menschen mit Atemmasken, die in grauer Düsternis haufenweise Vulkanstaub wie schmutzigen Pulverschnee aus ihren Einfahrten schaufelten. Die Wasservorräte anlegten und ihre Generatoren anwarfen. Strom und Licht waren genau wie die Schulen ausgefallen, und die Wolke tauchte die Häuser, die zu sehen waren, in surreales Dämmerlicht.

Und dann bemerkte ich mein Hostel.

Das war Bariloche! Ich konnte es nicht glauben. Die ganze andine Seenregion bis hoch nach San Martín de Los Andes war betroffen und teilweise abgeschnitten. In Villa La Angostura, diesem schweizerisch inspirierten Kitsch-Touristenstädtchen, lagen vierzig Zentimeter Asche auf den Strassen. Sogar an der patagonischen Atlantikküste um Trelew und Puerto Madryn regnete es Staub, und der komplette Flugverkehr im Süden war gestrichen. Doch es kam noch dicker. "Seit 10.30 Uhr sind alle Flüge in Buenos Aires eingestellt", wurde vermeldet. Später wurde das zwar relativiert. Ich schimpfte mich aber trotzdem "Idiot" und entschuldigte mich in Gedanken bei meinem Skype-Freund. Sollte er doch recht gehabt haben? Würden die fünfzehn Millionen Einwohner der Metropole bald ebenfalls Asche schippern müssen?

Mutig warf ich mich in meine Jacke – ja, es ist kalt geworden – und begab mich hinaus auf Spurensuche. Die Sonne klebte matt hinter einer grauen Dunstplatte, ein undefinierbarer, leicht giftig scheinender Geruch lag in der Luft, die vereinigten Abwarte der Stadt wässerten wie verrückt die Abschnitte der Trottoirs vor ihren Häusern, und meine Augen brannten ein bisschen.

Ich war erleichtert. Es war wie immer: Ein ganz normaler Herbsttag in Buenos Aires.

 Bariloche im Januar. In diesen Tagen ist es dort nicht mehr ganz so sonnig.
Bariloche im Januar. In diesen Tagen ist es dort nicht mehr ganz so sonnig.

 Aber auch ohne Vulkan schlichen damals schon kecke Nebel über die Seen.
Aber auch ohne Vulkan schlichen damals schon kecke Nebel über die Seen.

 Bariloches
Bariloches "Dorfplatz" im alpenländischen Stil. Hinten: Die beginnende patagonische Steppe.

 Es ist Herbst geworden in Buenos Aires.
Es ist Herbst geworden in Buenos Aires.

 Einige Bäume sträuben sich noch gegen die Kälte.
Einige Bäume sträuben sich noch gegen die Kälte.

Bisherige Shots From the Road findest du hier.

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