Bart aber herzlich: Mein Haircember
Marco Büsch - Der Movember ist vorüber und ich habe meinen Bart abrasiert. Wobei ich gar nicht mitgemacht habe. Viel schlimmer ist aber, dass ich in einem äusserst schwierigen Coiffeur-Dilemma stecke und mitten in einem ungewollten „Haircember“.
Das Bartproblem habe ich behoben, er ist mittlerweile abrasiert, nicht um der Bartkontroverse zu entgehen, aber die Stoppeln begannen zunehmend zu jucken. Meine Kopfhaare wachsen jedoch nun schon seit beinahe zwei Monaten unkontrolliert und ungebremst aus meinem Schädel heraus und es wäre an der Zeit, wieder einmal meinen Coiffeur aufzusuchen. Ich gebe es offen zu: Es ist ein 25-Franken-Coiffeursalon. Dementsprechend kann man nicht sehr viel erwarten, aber ich verlange eigentlich auch keine Wunder von ihnen: Einmal kürzen bitte! In diesem Coiffeursalon arbeiten zwei Coiffeure, wovon einer ein einigermassen passables Deutsch spricht, der andere aber leider nicht. So hat letzterer mir einmal einen Grossteil meiner Kopfbehaarung abgeschnitten und rasiert, weil er irgendwie meine Längenangabe von „nur ganz wenig“ nicht verstanden hatte. Und ich habe das zu spät realisiert. Jedenfalls bin ich nun ein bisschen sensibilisiert auf die Frage, wie hoch die Chance sein wird, dass dieser schlecht deutsch Sprechende mein Haar schneiden wird. Dabei hat er sich bei mir tausendmal entschuldigt für seinen Fauxpas und es ist bisher auch nie wieder vorgekommen, aber trotzdem blieb in mir eine Restangst haften. Ein gewisses Restrisiko bleibt immer, dass sich dieses Malheur wiederholen könnte.
Nun fahre ich jeden Tag mit dem Tram an diesem Coiffeursalon vorbei und versuche immer im Bruchteil der Sekunde, in welcher wir den Salon passieren, ausfindig zu machen, welcher Coiffeur gerade frei ist. Denn der andere Coiffeur macht seine Sache wirklich gut, also für 25 Franken. Er redet nicht, er schneidet und rasiert und ich kann meinen Gedanken nachhängen, ohne ständig seine Arbeit überwachen zu müssen. So nehme ich sogar diese 50/50 Chance in Kauf, dass ich von jenem anderen Coiffeur bedient werde, mit welchem die Kommunikation kaum möglich ist. Diese Wahrscheinlichkeit probiere ich zu minimieren, indem ich versuche bei meinen Tramdurchfahrten einen kurzen Blick ins Innere des Salons zu erhaschen. Die Quintessenz ist jedenfalls, dass in den letzten zwei Wochen, in denen ich nun schon zum Coiffeur wollte, immer der schlechtere Coiffeur gerade frei war. Warum weiss ich nicht, aber bald muss ich mir einen Rossschwanz binden, wenn das so weiter geht. Und das will ich nicht.
Es liegt also nicht daran, dass ich nach meinem gefakten „Movember“ noch einen sauglatten „Haircember“ hinten nachschieben wollte, ich kann nur nicht zu meinem Coiffeur, so gerne ich auch möchte, weil der nie frei ist. Vielleicht wird es Zeit, Abschied zu nehmen und mir einen anderen 25-Franken-Coiffeur zu suchen, der mein Anliegen versteht. Aber wahrscheinlich würde ich mich dann jedes Mal ein bisschen schämen, wenn ich mit dem Tram am „alten“ Coiffeursalon vorbeifahren würde. Und das geschieht doch immerhin jeden Tag.
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