Bienvenue chez les Ch’tis
Christina Ruloff - Wer nicht lacht, ist kein Franzose! Der erfolgreichste französische Film aller Zeiten kommt ins Kino und unterhält liebenswürdig, harmlos und prächtig. Philippe Abrams, Postbeamter und liebevoller Ehemann, will nur das Beste für seine etwas schwierige Frau und ein Umzug an d...
Philippe Abrams, Postbeamter und liebevoller Ehemann, will nur das Beste für seine etwas schwierige Frau und ein Umzug an die Côte d’Azur würde ihr Herz erfreuen und die Stimmung in der Familie heben. Die Plätze an der Sonne sind aber heissbegehrt und daher greift Philippe, der eigentlich ein total netter Kerl ist, zu einem billigen Trick: Die Szene ist so peinlich, dass man sich nur Augen zukneifen und Ohren zuhalten muss. Weil sein Auftritt als Rollstuhlfahrer jedoch auffliegt, wird Philippe nicht entlassen, nein viel schlimmer: Er wird strafversetzt – in den hohen Norden! Wer als Nicht-Francophiler nun verständnislos mit den Schultern zuckt, lasse sich folgendes erklären: Für den wahren Franzosen endet Frankreich spätestens mit Paris; alles was nördlicher liegt, ist die reinste Wildnis, wird ständig von Schneestürmen heimgesucht. Ah ja, die Menschen dort, also die Leute, die es dort aushalten, sprechen ein unverständliches Gebrabbel, eine Beleidigung gegenüber der schönen französischen Sprache, das Ch’timi.
Philippe nimmt nun, selbstverständlich ohne die liebe bessere Hälfte, das Kreuz auf sich und fährt nach Bergues – um dort zu erfahren, dass die Einheimischen furchtbar liebenswürdig und hilfsbereit sind, ihn sofort in ihren Freundeskreis aufnehmen und ihm sogar Ch’timi beibringen (anstatt „merde“ sagt man „du brun“, ein paar Lautverschiebungen sind auch noch zu beachten, alles halb so wild). Und zu Hause wird Philippe von seiner Frau als Märtyrer gefeiert und verwöhnt! Plötzlich will sie ihm aber zu den Wilden folgen, um ihm beizustehen...
Sie sind gar nicht so wild, die Wilden im hohen Norden - und man amüsiert sich köstlich mit!
Der berühmte französische Schauspieler und Komödiant Dany Boon wollte seine Heimat, den französischen Norden, in einer Hommage feiern und all die lächerlichen und komischen Vorurteile seiner Landsleute widerlegen. Das ist ihm prächtig gelungen! Bienvenue chez les Ch’tis ist ein auf der ganzen Linie liebenswürdiger und lustiger Film, der vor allem dadurch besticht, dass er alle Akteure mit Nachsicht, ja Verständnis behandelt, dass er nicht auf Kosten anderer Witze macht, sondern mit den Figuren lacht. Ja die Figuren, man kriegt sie, so unspektakulär die Handlung ist, eine nach der anderen richtig gern: Der Postchef, der sich gegen alle Erwartungen pudelwohl fühlt, der „Pöstler“, der noch immer seiner grossen Liebe anhängt, als einziger im Dorf das Glockenspiel bedienen kann und von all seinen Klienten auf ein Schnäpschen eingeladen wird (eine wunderbar chaotische Szene!), die Mutter des „Pöstlers“, die ihm seinen Znüni bringt und ihm auch sonst kaum eine freie Minute lässt.
Um bei Bienvenue chez les Ch’tis frenetisch mitfeiern zu können, müsste man wohl Franzose sein, weil einem trotz der klugen Untertitelung einfach zu viele schöne Finessen und Anspielungen entgehen (Das ist ein bisschen wie bei einem Giacobbo-Film, bei dem wohl nur echte Helvetier alle Witze und Insider verstehen). Trotzdem verlässt man das Kino zufrieden und mit dem beruhigenden Gefühl, dass irgendwo ganz im Norden Frankreichs die Welt noch in Ordnung ist.
Bewertung: 4 von 5
Das waren wohl mehrere Schnäpschen zu viel, aber wie könnte man bei der Gastfreundschaft nein sagen?!
- Titel: Bienvenue chez les Ch’tis
- Land: F
- Regie: Dany Boon
- Darsteller: Kad Merad, Dany Boon, Zoe Felix
- Release: 26. Juni 2008