Magazin durchsuchen

Neuste Blogs

1. Juli 2008, 15:04 Kolumnen

Tenue Grün - Teil 4: Here's Johnny

Simon Knopf - Draussen, brütende Hitze und drinnen, eine Luftfeuchtigkeit wie in den Tropen. Seit Stunden heizt die Sonne den Beton-Pausenplatz über unserer Unterkunft und somit auch diese gnadenlos auf. Es ist Samstagnachmittag und ich sitze bei meiner dritten Schicht als Wachtkommandant am...

Draussen, brütende Hitze und drinnen, eine Luftfeuchtigkeit wie in den Tropen. Seit Stunden heizt die Sonne den Beton-Pausenplatz über unserer Unterkunft und somit auch diese gnadenlos auf. Es ist Samstagnachmittag und ich sitze bei meiner dritten Schicht als Wachtkommandant am Pult beim Eingang zur Zivilschutzanlage. Eigentlich hätte mein Team und ich die Sonntagswache erst am Morgen übernehmen müssen, doch dann gab es wegen guten Resultaten an der Inspektion für alle Wochenende ab Freitagabend. Für Alle? Nein, nicht ganz. Weil das alte Wachteam ebenfalls gehen durfte, musste eine kleine Gruppe von Soldaten die Sonntagswache bereits 12 Stunden früher übernehmen. Meine kleine Gruppe, in dem Fall. Und die waren ganz schön angepisst und schmollten jetzt vor und in der Anlage rum. Ich hingegen sah die Geschichte relativ gelassen. Zu diesem Zeitpunkt noch, muss ich hier anfügen! Ich meine, Unsereiner hatte sich bereits eine Woche im Voraus auf die Sonntagswache einstellen können und eine wohl überlegte Selektion an Lesestoff eingepackt. Nur eben, mit den zusätzlichen 12 Stunden Wache hatte auch ich nicht gerechnet.

So sass ich also da. Samstagnachmittag, Roddy Doyle’s „Paula Spencer“ bereits die Nacht durch verschlungen, und mich nun auch den letzten Seiten meines zweiten Buches beängstigend schnell nähernd. Noch blieb ich ruhig, hatte ich doch immerhin nen ganzen Stapel von ungelesenen Tagimagis, den ich aus der F-Tasche zaubern konnte.

Sieben Stunden später war auch diese Ruhe verflogen. Ich hatte die Freizeit zwischen den Schichten nicht einberechnet. Niemand liegt bei 30 Grad sechs Stunden auf einer Wiese und hört Musik! Am Samstagabend hatte ich Tagesanzeiger, NZZ, Neue Zuger Zeitung und ein GEO durchgepflügt und mein mentaler Zustand begann sich langsam aber sicher zu verschlechtern. Spätestens nach dem Einsiedler Anzeiger mit Artikeln übers Vereins- und Jugendwettfischen, sowie einem Tuning-Magazin (mehr Klang und Durchzug ab mittlerem Drehzahlbereich dank der R56 Auspuffanlage mit Endrohrvarianten) setzten die ersten Stadien von Bunkerkoller ein. Es war, als würden während diesen Stunden die WK-Eintönigkeit der vergangenen drei Wochen zu einem einzigen dicken Sirup aus klebriger Öde eingekocht! Ich begann Fliegen zu fangen. Alles was recht ist, aber die frechen Biester paarten sich vor meiner Nase auf dem Tisch. Ich wendete jede erdenkliche Technik an, die ich in den letzten Wochen von Innerschweizer Bauern gelernt hatte. Und dann klebte ich die Gefangenen zu ihren bereits verschiedenen Artgenossen aufs Fliegenpapier. Langweile macht grausam!

Um drei Uhr nachts begann mir schliesslich noch meine Fantasie Streiche zu spielen. Bei einem Rundgang durch die unterirdische Unterkunft fiel mir plötzlich auf, welch Unbehagen so eine menschenleere Anlage hervorrufen kann. Auf einmal hörte ich bisher unbekannte Geräusche und entdeckte Türen, von denen ich nicht wusste, was sie verbargen. Und dann kamen mir all diese Filme in den Sinn, die ich längst vergessen hatte: The Hole, The Bunker oder The Shining mit dem grossen, leeren Haus! „Here’s Johnny“

Ich hätte nie gedacht, dass ich so ein Angsthase bin. Für den Rest der Nachtschicht leistete ich den Jungs Gesellschaft, die vor der Anlage hinter den Sandsäcken standen. Da kam nur von Zeit zu Zeit mal in kleiner Marder vorbei.

Nachtrag: Ich hab die letzte Woche auch noch überstanden. Momentan befinde ich mich in der Resozialisierungsphase, welche nach vier Wochen im Tenue Grün etwas dauern könnte. Gestern hab ich mir die Zehen am Helm gestossen und geflucht, dass jeder Bierkutscher vor Scham errötet wäre. Der ganze Armee-Gerümpel liegt immer noch in meinem Zimmer. Bisher war ich zu faul, das Zeugs in den Dachstock zu tragen. Aber das und die Sache mit den Manieren krieg ich schon noch gebacken.

Kommentare
Login oder Registrieren