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Sehnsucht oder:Wo man nicht ist, dort ist das Glück

Sehnsucht oder:Wo man nicht ist, dort ist das Glück

07.03.2008

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Man schaut nach ihm und sieht es nicht

27.12.2007 um 10:38

Erzählerin:Am Anfang des Daoismus steht ein Text, der unter den Autoren-Namen Laozi und den Buchtitel Dao-Te-King bekannt ist. Es handelt sich dabei um ein schmales Büchlein. Es besteht aus 81 mehr oder weniger weise anmutenden, poetischen Sprüchen. Es sind eher Aphorismen eines alten Sehers, eines Mystikers, eines Weisen. Genau lässt sich die Entstehungszeit dieser Texte nicht datieren. Allgemein wird angenommen, dass im Dao-Te-King des Laozi Weisheiten und Sprüche aus frühdaoistischer Zeit zusammengefasst werden. Wer der Redakteur war, wissen wir nicht. Da sich Konfuzius bereits auf Laozi beruft und ihn zitiert, darf man annehmen, dass die daoistischen Weisheiten sicherlich schon um 600 v. Christus, wenn nicht schon deutlich früher, mündlich tradiert worden sind. Der erste Spruch dieses rätselhaften Buches Dao-Te-King, übersetzt von dem bekannten Sinologen und protestantischen China-Missionar, Richard Wilhelm, lautet:

Zitator:Der Sinn, der sich aussprechen lässt, ist nicht der ewige Sinn.Der Name, der sich nennen lässt, ist nicht der ewige Name.Nichtsein nenne ich den Anfang von Himmel und Erde.Sein nenne ich die Mutter der Einzelwesen.

Darum führt die Richtung auf das Nichtsein zum Schauen des wunderbaren Wesens, die Richtung auf das Sein zum Schauen der räumlichen Begrenztheiten. Beides ist eins dem Ursprung nach nur verschieden durch den Namen. In seiner Einheit heißt es das Geheimnis. Des Geheimnisses noch tieferen Geheimnis ist das Tor, durch das alle Wunder hervor treten.

Erzählerin:Kein anderes Werk hat die Sinologen so sehr beschäftigt wie das Dao-Te-King des Laozi. Das Sibyllinische und das Schwierige des Textes gibt sehr viel zu denken und zu meditieren. Dieses Werk, das Laozi zugeschrieben wird, ist selbst für Chinesen nicht auf anhieb zu entschlüsseln. Der Autor, der Laozi genannt wird, ist uns weitgehend unbekannt. Denn Laozi ist kein Eigenname, sondern ein Appelativum, ein Ehrentitel und wird am besten mit "alter Meister" übersetzt. Dennoch spricht uns aus den Aphorismen eine originale und unnachahmliche Persönlichkeit an. Viele Geschichten ranken sich um Laozi. Späte Quellen berichten, er sei über 160 Jahre alt geworden. Laozis Mutter soll mit ihm 72 Jahre lang schwanger gewesen sein, so dass er mit weißem Haar zur Welt kam und natürlich von Geburt an sprechen konnte. In einer anderen Version heißt es, Laozi sei von Gautama/Buddha aufgefordert worden, das Dao-Te-King aufzuschreiben. Andere Quellen behaupten, er sei Chronist an dem Fürstenhof des Staates Zhou gewesen. Tatsache ist: Laozi hat nicht wie Konfuzius eine Schule gegründet. Offenbar hatte er dazu weder Lust noch Bedürfnis. Ihm lag nicht daran, eine Lehre, die vor allem um die Begriffe Dao und Te, Sinn und Tugend kreisen, zu verbreiten. Richard Wilhelm schreibt über Laozi: Zitator:"Er hat für sich einen Blick getan in die großen Weltzusammenhänge und hat, was er geschaut, mühsam in Worte gebracht, es gleich gesinnten Geistern der späteren Zeit überlassen, selbstständig seinen Andeutungen nachzugehen und im Weltzusammenhang selbst die Wahrheiten zu schauen, die er entdeckt. Das hat er auch erreicht."

Erzählerin:Laozi ist wie Konfuzius kein Religionsstifter. Der Daoismus von Laozi besitzt nicht so etwas wie eine kirchenbildende Kraft. Das, was heute in China Daoismus genannt wird, geht auf unterschiedliche Quellen zurück - eine Mischung mit Indischen Lehren und animistischer Volksreligion des alten China, ein Synthese aus alchimistischen und medizinischen Kenntnissen sowie der Glaube des Menschen, Unsterblichkeit erlangen zu können. Dennoch: In daoistischen Tempeln thront Laozi auf dem Hauptaltar. Er ist eine der höchsten Gestalten in dem großen Pantheon der chinesischen Volksreligion, in der sich hauptsächlich daoistische und buddhistische Lehren zu einem Glauben vereint haben.

Was aber ist das Dao und das Te, was uns so fasziniert? Unzählige Übersetzungs-versuche gibt es für Dao - Vernunft, Wort, Logos, das All-Eine, das Ewig-Eine, das Unvergängliche, das Allgegenwärtige. Dao geht über die Vorstellung von Raum und Zeit hinaus. Es ist der Urgrund des Alls. Man kann es nicht in konkreten Vergleichen darstellen. Es ist ein Sein, das jenseits unserer Erkenntnis liegt, das kein Objekt unserer Wahrnehmung ist. Man bezeichnet es auch als das Wu oder Nichtsein. Dieses Nichtsein bringt das Sein hervor, gebiert das All. Die Entstehung des Universums geht also in folgender Ordnung vor sich: Aus dem Dao kommt das Einsein, aus diesem kommt das Zweisein, aus diesem wieder das Dreisein. Und daraus entsteht dann das All. Und der Begriff Te? Er bezeichnet die Wirkkraft des Dao und aller Dinge, die sich dem Dao gemäß verhalten. In Bezug auf den Menschen kann und sollte Te als "Tugend" verstanden werden. Denn diese Wirkkraft ist es, durch die das Dao Himmel und Erde lenkt. Und durch diese Wirkkraft und mit diesen Tugenden vermag der Weise den Staat zu ordnen. Das Dao umschreibt Laozi mit folgenden Versen:

Zitator:Man schaut nach ihm und sieht es nicht: Sein Name ist Keim. Man horcht nach ihm und hört es nicht: Sein Name ist Fein. Man fasst nach ihm und fühlt es nicht: Sein Name ist Klein.

Diese drei kann man nicht trennen, darum bilden sie vermischt eines. Sein oberes ist nicht Licht, sein unteres ist nicht dunkel. Ununterbrochen quellend kann man es nicht nennen. Der kehrt wieder zurück zum Nichtwesen. Das heißt die gestaltlose Gestalt, das dinglose Bild. Das heißt das dunkel Chaotische. Ihm entgegenstehend sieht man nicht sein Antlitz, ihm folgend sieht man nicht seine Rückseite. Wenn man festhält den Sinn, Dao, des Altertums, um zu beherrschen das Sein von heute, so kann man den alten Anfang wissen. Das heißt des Sinns, des Daos, durchgehender Faden.

Erzählerin:Und über Te, die Tugend, die Wirkkraft lesen wir in der 54. Weisheit des Dao-Te-King:

Zitator: Gebrauch es an dir - das Te wird echt. Gebrauch es im Haus - das Te wird mehr. Gebrauch es im Dorf - und das Te wächst fort. Gebrauch es im Land - das Te trägt Frucht. Gebrauch es in der Welt - und das Te dringt überall hin.

Erzählerin: Auch der bekannte Schweizer Psychoanalytiker, C. G. Jung hat sich intensiv mit dem Dao befasst. Er schreibt:

Zitator: Der Osten gründet sein Denken und seine Bewertung der Tatsachen auf einem anderen Prinzip. Der Osten hat natürlich ein Wort dafür, aber wir verstehen es nicht. Das östliche Wort ist Dao. Das Dao ist das höchste Letzte, das jenseits von Einheit und Einssein liegt. Der östliche Mensch weiß, dass die Erlösung auf dem Werk beruht, das einer an sich selbst tut. Aus dem Einzelnen erwacht das ganze Dao.

Erzählerin:Der Daoismus empfiehlt so etwas wie das seelische Geradeausgehen, den rechten Weg des Lebens, Geradheit. Er rät dem Menschen die Rückkehr zum Ursein. Jegliche Klugheit und mechanische Künstelei ist zu verwerfen. Wir müssen zurück zum unverdorbenen Naturzustand des Kindes. Sei natürlich, nicht künstlich und kompliziert, lass der Natur ihren freien Lauf, auf diese knappe Formel lässt sich eine zentrale Aussage des Laozi bringen. Hab kein Begehren, sei indifferent, vermeide Streit, gib lieber nach. So verwirklicht man in sich das Dao und wird eins mit ihm. Wer das erreicht hat, ist ein Sheng-Jen, ein vollkommener Mensch, oder ein Chen-Jen, ein wahrer Mensch.

Diese Gedanken auf das politische Gebiet übertragen lautet: Die Vergewaltigung der Natur durch menschlichen Eingriff oder das Verbessern-wollen, bringt Wirrsale für das Land mit sich. Deshalb darf der Herrscher nicht handeln, das heißt in den Lauf der Natur eingreifen, er muss sich vielmehr dieser Entwicklung angleichen. Das Reich wird sich von selbst regieren. Gesetze, Systeme, Belehrung sind zu verwerfen.

Diese Gedanken sind nur aus den politischen Verhältnissen der damaligen Zeit zu verstehen. Das Reich der Mitte war zersplittert, es herrschte Chaos. Es wurde viel herumregiert. Es herrschte Habgier und Eigensucht. In diesem Klima wollten Laozis Gedanken ein Gegengift sein gegen Machtgier und Habsucht, sowie eine scharfe Kritik des politischen Programms und egozentrischen Persönlichkeitskultes der Konfuzianer. In dieser Zeit von 600 bis 200 vor Christus traten immer wieder politische Ratgeber und Philosophen mit neuen Gedankengebärden und Gesellschaftsentwürfen an die rivalisierenden Könige und Fürsten heran. Laozi gibt zu bedenken:

Sprecher: Die fünferlei Farben machen der Menschen Augen blind. Die fünferlei Töne machen der Menschen Ohren taub. Die fünferlei Würzen machen der Menschen Gaumen schal. Rennen und Jagen machen der Menschen Herzen toll. Seltene Güter machen der Menschen Wandel wirr. Darum wirkt der Berufene für den Leib und nicht fürs Auge. Er entfernt das andere und nimmt dieses.

Erzählerin: Und die 68igste Weisheit des Dao-Te-King erinnert an die Bergpredigen des Neuen Testaments wenn sie das politische Programm des Daoismus so zusammen fasst:

Sprecher:Wer gut zu führen weiß, ist nicht kriegerisch. Wer gut zu kämpfen weiß, ist nicht zornig. Wer gut die Feinde zu besiegen weiß, kämpft nicht mit ihnen. Wer gut die Menschen zu gebrauchen weiß, der hält sich unten. Das ist das Leben, Te, das nicht streitet; Das ist die Kraft, die Menschen zu gebrauchen; Das ist der Pol, der bis zum Himmel reicht.

Erzählerin:Und den Regierenden empfiehlt Laozi:

Zitator:Zur Leitung des Staates braucht man Regierungskunst, zum Waffenhandwerk braucht man außerordentliche Begabung. Um aber die Welt zu gewinnen, muss man frei sein von Geschäftigkeit. Woher weiß ich, dass es also mit der Welt steht? Je mehr es Dinge in der Welt gibt, die man nicht polen darf, desto mehr verarmt das Volk. Je mehr die Menschen scharfe Geräte haben, desto mehr kommen Haus und Staat ins Verderben. Je mehr die Leute Kunst und Schlauheit pflegen, desto mehr erheben sich böse Zeichen. Je mehr die Gesetze und Befehle prangen, desto mehr gibt es Diebe und Räuber. Darum spricht ein Berufener: Wenn wir nichts machen, so wandelt sich von selbst das Volk. Wenn wir die Stille lieben, so wird das Volk von selber recht. Wenn wir nichts unternehmen, so wird das Volk von selber reich. Wenn wir keine Begehren haben, so wird das Volk von selber einfältig.

Erzählerin: Nach Meinung des Daoisten hat sich der Mensch schon viel zu weit von der Natur entfernt. Kein Fehler ist größer als das Erwerbenwollen, Begierde und gezielte Ambition. Daher gilt für den daoistischen Idealstaat:

Zitator:Soldaten und Waffen werden gewährt, und bleiben dennoch ungenutzt. Die Menschen werden in Furcht vor dem Tod gehalten, und es liegt ihnen fern auszuwandern. Man hat Boote und Wagen, die niemand besteigt. Man hat Schilde und Schwerter, die keiner erhebt. Dem Volk gibt man wieder die Knotenschrift zum Gebrauch. Süß sei das Essen. Schön sei die Kleidung. Froh seien die Sitten. Friedlich seien die Wohnstätten. Die Nachbarländer leben in Sichtweite gegenüber, gegenseitig hört man das Lärmen der Hähne und Hunde. Aber bis ins Alter, bis in den Tod reisen die Menschen nicht hin und her.

Erzählerin: Im Daoistischen Staat ist also alles da, was gebraucht wird, aber man braucht es nicht, um Grenzen zu überschreiten. Der Reichtum unterstützt nur die Schlichtheit, in dem er keine schädlichen Begierden aufkommen lässt. Jeder ist zufrieden mit seinem Ort und seiner Aufgabe. Die Menschen reisen nicht hin und her. Der Herrscher herrscht im Einklang mit dem Dao. Er ist die Nabe im Rad: Zentral, leer, unbewegt und allein, ohne Bestimmbarkeit, ohne Zuweisung eines Titels, ohne persönlichen Besitz, ohne Eigenschaft, ohne ein bestimmtes soziales Gegenüber. Er bleibt verborgen, niemand kennt ihn. Vers 17 des Dao-Te-King charakterisiert den idealen Herrscher so:

Sprecher:Herrscht ein ganz Großer, so weiß das Volk kaum, dass er da ist. Mindere werden geliebt und gelobt, noch mindere werden gefürchtet, noch mindere werden verachtet. Wie überlegt muss man sein in seinen Worten! Die Werke sind vollbracht, die Geschäfte gehen ihren Lauf, und die Leute denken alle: Wir sind frei. Erzählerin: Bezeichnend für das Daoistische Denken gerade hinsichtlich des Politischen ist " die Regel der Verkehrung: Verzicht bedeutet Gewinn. Wer sich zurücknimmt, der steht allen voran". Der Staatskörper und der physische menschliche Körper werden im alten China, vor allem aber im daoistischen Denken, als analog konstruierte Organismen konzipiert. Die Verquickung von politischem Denken und Lehren körperlichen Kultivierung haben im Daoismus einen hohen Stellenwert.

Das chinesische Denken und Fühlen wurzelt in dem Prinzip der Polarität, das nicht zu verwechseln ist mit dem Begriff des Gegensatzes oder Konflikts. Der amerikanische Sinologe Alan Watts beschreibt dieses Prinzip sehr prägnant:

Zitator: In den Sinnbildern anderer Kulturen kämpft das Licht mit der Finsternis, das Leben mit dem Tod, das Gute mit dem Bösen, und so konnte sich in weiten Teilen der Welt die Vorstellung verbreiten, dass das eine zu bejahen, das andere zu verneinen sei. In dem traditionellen chinesischen Denken wäre das so unverständlich wie ein elektrischer Strom ohne den positiven und negativen Pol. Plus und Minus, Nord und Süd, Hell und Dunkel sind verschiedene Aspekte ein und desselben Systems und das Verschwinden des einen würde das Verschwinden des Systems bedeuten.

Erzählerin: Daoisten betrachten die Welt als identisch mit oder untrennbar von ihrem Selbst, so dass Laozi sagen konnte:

Zitator: Ohne aus dem Haus zu treten, erkenne ich die ganze Welt.

Erzählerin:Das bedeutet, dass Lebenskunst sich mehr mit der Kunst der Schifffahrt als mit der Kriegsführung vergleichen lässt. Denn wichtig ist, die Winde, die Gezeiten, die Strömungen, die Jahreszeiten und das Prinzip des Werdens und Vergehens zu begreifen, so dass man sie handelnd nützen kann und nicht dagegen ankämpft.

Im Chinesischen heißen die beiden Polen der kosmischen Energie Yang (Positiv) und Yin (Negativ). Die Ideogramme deuten die sonnige und schattige Seite eines Hügels an und werden mit männlich und weiblich assoziiert, mit fest und weich, stark und schwach, Licht und Dunkel, aufgehen und untergehen, Himmel und Erde. Sie werden sogar in alltäglichen Dingen wie z. B. der Kochkunst wahrgenommen, als würzig und milde. Die Lebenskunst wird also nicht darin gesehen, dass man das Yang festhält und das Yin ausschließt, sondern das man beide ins Gleichgewicht bringt, weil das eine nicht ohne das andere existieren kann.

Das Yin-Yang-Prinzip besagt, dass das Etwas und das Nichts, das Vorhandene und das Nichtvorhandene, das Feste und der Raum sowie der Schlaf und das Wachen und das Abwechseln von Seienden und Nichtseienden sich gegenseitig bedingen. Woher, so könnte man fragen, weißt du, dass du lebst, wenn du nicht schon einmal tot warst? Wie kann man von der Wirklichkeit oder der Istheit reden, wenn nicht im Zusammenhang mit dem polaren Begriff von Leere? Alan Watts ergänzt: Zitator: Yang und Yin entsprechen in mancher Hinsicht der späteren buddhistischen Auffassung von Gestalt und Leerheit. Denn durch das vollkommene Nichts sehen wir das vollkommene Etwas. Das Yin-Yang-Prinzip ist daher nicht ein gewöhnlicher Dualismus, sondern eine explizite Zweiheit, die eine implizite Einheit zum Ausdruck bringt. Die beiden Prinzipien sind einander nicht entgegengesetzt, sondern in Liebe vereint. Ein Yin und Yang heißt das Dao. Die leidenschaftliche Vereinigung von Yin und Yang und die Paarung von Mann und Frau sind der ewige Rhythmus des Universums. Wenn Himmel und Erde sich nicht mischten, wie könnte Leben gedeihen?

Erzählerin: Ewig ist nur das unsagbare, unbenennbare, namenlose Dao. So sagte der alte Weise Laozi:

Zitator: Ein Dao das sagbar ist kein ewiges Dao. Ein Name, der nennbar ist kein ewiger Name.

Erzählerin:Das Dao ist so etwas wie ein unerschöpfliches Gefäß, es ist das Rohe, Unverdorbene und das begehrte Begierdelose.

Besonders oft wird das Dao auch mit dem weiblichen und dem Wasser assoziiert. Beides hängt eng zusammen, denn das Weibliche ist das Tiefliegende, das Tal, in welches die Wasser von selbst herabströmen:

Zitator: Unsterblich ist der tiefe Geist des Tals der dunkle Mutterschoß sei er benannt und dieses dunkle Mutterschoßes Pforte genannt wird sie die Wurzel des Alls .... Ein großer Staat sei wie des Flusses Unterlauf das Weibliche der Welt.

Erzählerin: Vom Mutterschoß des Dao gehen alle Dinge aus, und wie das Wasser an die tiefsten Stellen fließt, kehren alle Dinge zum Dao zurück:

Zitator: Dem Meer, in das alle Flüsse münden, gleicht das Dao in der Welt. Das ist der Zyklus von Leben und Tod: Ausgehen vom Dao und zu ihm zurückkehren.

Erzählerin: Dieses Auf und Ab, diese Paradoxien, sind das Typische an den Texten von Laozi: Zitator: Was man verengen will muss man erweitern. Was man schwächen will, muss man stärken. Was man stürzen will, muss man erheben.

Erzählerin: Ein Wesenszug des Daoismus ist das Streben nach langem Leben. Die Kontrolle des Atems spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Atemübungen, Massagen, die Einnahme von Kräuterdrogen und sexuellen Praktiken stimulierten und verbesserten den Einfluss der Energien im Körper und deren allmähliche Verfeinerung, so das Daoistische Denken. Sehr wichtig für die Daoistische Suche nach Unsterblichkeit war auch die Alchemie. Die Alchemisten, die alle möglichen Mineralien, vor allem Zinnober, schmolzten und läuterten, trachteten nicht nur nach der Entdeckung des Langlebigkeitselixiers, sondern auch danach, in ihren Laboratorien den Prozess der Erschlaffung des Universums nachzuvollziehen und rituell an diesem Prozess teilzuhaben, um auf diese Weise ganze Zeitalter zu durchwandern. Im Verlaufe ihrer langen Geschichte hat die Daoistische Alchemie zu einer Reihe von Nebenprodukten geführt, z. B. halluzinogene Drogen, aber auch zu Erfindung des Schießpulvers in der Tang-Dynastie. Viele Tang-Kaiser experimentierten mit alchemistischen Drogen, zuweilen mit fatalen Folgen. In der Geschichte Chinas nahm der Daoismus zeitweise Formen messianischer und eschatologischer Bewegungen an. Die erwähnte Tang-Dynastie (618 bis 907 n.Chr.) war eine Blütezeit für den Daoismus. Die Kaiserfamilie behauptete, von Laozi abzustammen, und so wurde seine Verehrung zu einem Bestandteil der offiziellen Institutionen des Reiches. Der Kaiser gründete zahlreiche Daoistische Tempel zu Ehren seines legendären Vorfahren Laozi. Der Daoismus zeichnete sich u. a. auch dadurch aus, dass er anders als andere Weltreligionen niemals der Wissenschaft feindlich gegenüber stand. Am Ende der Tang-Dynastie, also im 10. Jahrhundert, gab es so etwas wie traditionsreiche Daoistische Diözesen und lokale Gemeinden und verschiedene Tempelorganisationen. Oftmals handelte es sicht um berufliche Zusammenschlüsse, unseren mittelalterlichen Gilden vergleichbar. Es entwickelte sich ein Netzwerk von Tempeln und Märkten. Auch in den folgenden Jahrhunderten gewann der Daoismus am kaiserlichen Hof an Einfluss. Durch die Reformbewegungen Ende des 19. Jahrhunderts und die Kulturrevolution unter Mao Zedong im 20. Jahrhundert, verstärkte sich dann die Tendenz, Religion insgesamt stärker als Aberglaube zu begreifen und zu beseitigen. Ganze Tempelanlagen wurden zerstört, Daoistische Schulen geschlossen, ihre Kunstschätze oftmals zerschlagen oder verbrannt, wertvolle Handschriften verbrannt.

Das Dao-Te-King ist bis heute so etwas wie ein Standardwerk für Esoteriker und Mystiker. Als die Daoisten sich zu einer stabilen Bewegung formiert hatten, gab er den Rat an die Schüler und Gläubigen:

Zitator:Wenn du wissen willst, wo ich bin, so sage zehntausendmal das Dao-Te-King auf, bekenne deine Sünden, erforsche deinen Körper, komm schnell, finde mich! Ich wohne in den Kräften und Lebensgeistern deines Körpers.Erzählerin:Im heutigen China wird wieder mit besonderem Interesse der Daoismus erforscht und im Alltag der Menschen spielt er immer noch eine wichtige Rolle. Denn wenn die Chinesen morgens und abends in den Parks Qigong oder Tai-Chi-Übungen machen, dann geht es immer um den richtigen Atem, der Harmonie der inneren und äußeren Bewegung - der Suche nach dem Dao.

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