Qué Tan Lejos
Sonja Stucki - Teresa, eine junge ecuadorianische Studentin aus Quito macht sich auf den Weg, um ihren Geliebten in Cuenca von seiner Hochzeit abzuhalten. Bereits im Bus trifft sie auf Esperanza, eine junge Spanierin aus Barcelona, die in Ecuador auf Reisen ist. Als der Reisebus wegen eines Str...
„Qué Tan Lejos“ ist eine ecuadorianische Redewendung für „Wie weit noch?“. Dieser Titel offenbart bereits einige Besonderheiten des Reisens. Meint manch Reisender das Ziel des Reisens sei die Ankunft, so zeigt die Regisseurin Tania Hermida auf eindrucksvolle Weise auf, dass sich beim Reisen trotz Reiseziel, oft eine gewisse Leere breit macht. Jene Leere bietet Platz zum Nachdenken und lässt einen das Leben oft aus einem ganz anderen Blickwinkel wahrnehmen. Fernab vom Alltag gewinnt man eine entspannende Distanz, deren Wirkung oft bis in den Alltag anhält. Somit ist die Ankunft oft nicht das Ende der Reise. Geht man einen Schritt weiter, kann denn auch das ganze Leben als eine Reise und als ein fortdauernder Prozess betrachtet werden.
Dass der Film in Ecuador der erfolgreichste einheimische Film aller Zeiten wurde und auch im Ausland Erfolg verzeichnen konnte, ist sicherlich nicht von ungefähr. Da Qué Tan Lejos ein realistisches Bild des Andenlandes samt seiner landschaftlichen Schönheit und seinen politischen Problemen vermittelt, ohne je etwas Schönmalen zu wollen, erweist sich der Film für jedermann als interessant. Die poetisch anmutende Erfassung der Landschaft und die unkomplizierte und ehrliche Art der drei Reisenden verleihen dem Film eine sehr persönliche Note, welche wohl manchen Zuschauer emotionell berühren und zum Nachdenken anregen wird.
Bewertung: 5 von 5
Regie: Tania Hermida
Hauptdarsteller: Cecilia Vallejo (Teresa), Tania Martínez (Esperanza), Pancho Aguirre (Jesús)
Dauer: 92 Minuten
Land: Ecuador
__Interview mit Tania Hermida__
Wie startete die Idee zu Qué Tan Lejos?
Seit ich Filmstudentin war wollte ich einen Roadmovie in den Anden drehen. Dabei wollte ich zwei verschiedene Figuren kreieren, die an denselben Orten unterwegs sind, jedoch ihre Umwelt mit ganz anderen Augen wahrnehmen und auch ein sehr unterschiedliches Weltbild haben.
Eines der Hauptthemen Ihres Films ist das Reisen. Was sind für Sie die wichtigsten Aspekte des Reisens?
In der Literatur und Kunst bedeutete Reisen schon immer ein Übergang zu etwas Neuem; dies einerseits auf eine äusserliche, sowie auch eine innerliche Weise. In meinem Film geht es hauptsächlich um zwei Aspekte des Reisens. Der erste ist, dass man beim Reisen stets einen bestimmten Ort erreichen will. Wenn man jedoch angekommen ist, dann realisiert man, dass die Ankunft gar nicht so wichtig war, da sich während der Reise vieles verändert und eine andere Bedeutung bekommen hat. Der zweite Aspekt ist jener, dass man wie Esperanza im Film auf Reisen stets versucht perfekte Moment-Aufnahmen zu machen, um seine Erfahrungen für immer festzuhalten und sie sozusagen zu besitzen. Hiermit wollte ich zeigen, dass die Dinge, die zum Beispiel für Esperanza während der Reise wichtig sind und die Veränderungen, die sie dabei durchmacht sich nicht anhand von Bildern festhalten lassen.
Was für ein Bild wollten Sie in Qué Tan Lejos von Ecuador vermitteln?
Ich wollte kein vollkommen realistisches Bild von Ecuador vermitteln. Zwar schon ansatzweise realistisch, aber mit einer teilweise seltsamen Atmosphäre. Ein Merkmal hierfür ist, dass alle Orte an welchen wir drehten menschenleer waren, was sozusagen als Kulisse für die Geschichte des Films dienen sollte. Eigentlich ist Ecuador ja ein Land voller Menschen, Kinder und Lärm. Im Film wollte ich jedoch das Gefühl vermitteln, dass alle Leute fort gegangen sind. Ich habe das Gefühl, dass in den letzten Jahren in Ecuador nicht nur die physische Emigration einen wichtigen Teil ausmachte, sondern dass sich auch die Idee verbreitet hat, dass die gute, die reale Welt woanders als bei uns ist. Dies hat uns stark von unserem eigenen Land und unserer eigenen Kultur entfernt. Dieses Phänomen wollte ich im Film widerspiegeln.
Wie möchten Sie, dass die Zuschauer den Kinosaal nach dem Film verlassen?
Ich wollte einen Film machen, der einen zu Ende mit zwei Gefühlen ausfüllt; Traurigkeit und Hoffnung. Einerseits kann man seine eigene Welt immer wieder neu erfinden und neue Sachen machen, aber andererseits gehen einem auf dem Weg immer wieder bestimmte Dinge verloren. Diese Verluste sind sehr wichtig, denn von da aus kann man weitermachen und sich neu orientieren. Ohne diese Verluste gäbe es in Filmen keine Handlung und auch keine Kunst im Allgemeinen. Es ist sehr wichtig zu wissen, dass aber trotz Verlusten sich einem die Möglichkeit eröffnet, sich in neue Richtungen fort zu bewegen.
Arbeiten Sie bereits an einem neuen Filmprojekt?
Ja, ich bin momentan am Schreiben. Der Schreibprozess ist für mich mitunter einer der wichtigsten Prozesse eines Films. Dabei wird einer Geschichte sozusagen Leben eingeflösst und die Bedeutungen werden verteilt. Für den Schreibprozess nehme ich mir also gerne Zeit. Mein zweiter Film wird kein Roadmovie sein, aber er wird auch in Ecuador spielen und durch die Welt um mich herum beeinflusst sein…