2012

2012 ist derart schrecklich, dass man eigentlich gar nicht weiss, wo man anfangen soll – vielleicht mit einem bezeichnenden Detail: Über zwei Stunden lang wurde dem Publikum eingetrichtert, dass Gorden ein netter Kerl ist. Aber das Drehbuch lässt ihn in der letzten halben Stunde einen grausamen Tod in einer Walze erleiden, weil nur so die Familienreunion des Helden mit seiner Exfrau und den süssen Kindern zu Stande kommen kann und der Stiefvater und Boyfriend nur im Weg ist. Ebenfalls dramaturgisch überflüssig ist nun eine junge Russin, die ein potentielles Love Object für den Verstorbenen dargestellt hat. Sie ist demnach dumm genug, ihren geliebten kleinen Hund retten zu wollen und ersäuft daher jämmerlich um Hilfe schreiend. Wer nicht ins amerikanische Weltbild von der trauten Zweisamkeit und dem grossen Familienglück passt, wird vom Drehbuch bestraft und kurzerhand entsorgt. Wer wie der idealistische Geologe und die kulturbeflissene Präsidententochter edel, hilfreich und moralisch ist, wird mit der Liebe und einem Platz auf der Arche belohnt. (Um die Gefühle des sensiblen Publikums nicht zu verstören, sind selbstverständlich alle Paare schön assortiert, entweder „kaukasischer“ oder „afroamerikanischer“ Herkunft.)

Finden im Laufe des Films zusammen: Der edle Geologe und die moralische Präsidententochter.

Die Belohnung besteht vor allem darin, sich vor dem Weltuntergang – in Form von Erdbeben, Fluten, Vulkanausbrüchen und anderer Naturgemeinheiten – in der oben erwähnten gigantischen Arche retten zu dürfen. Auserwählt sind aber nur die 400'000 Mächtigsten, Klügsten und Reichsten der Welt, die „der menschlichen Zivilisation“ beim Neuanfang etwas bringen. Der profane Rest, die übrigen 6 Milliarden Menschen können getrost verrecken, verbrennen, ersaufen, ersticken, verhungern. Manch armer Irrer entblödet sich nicht, auf dem Petersplatz zu beten, natürlich vergeblich. Das anonyme Massensterben bildet ja lediglich den Hintergrund für die achterbahnartige Weltreise der Helden und lässt völlig kalt; schliesslich ist es ein notwendiges Übel der Zerstörungswut des Regisseurs.

Die offensichtliche Verrohung ist kaum zu überbieten, der Gegensatz zu den vor Kitsch triefenden Dialogen umso stossender: Ständig verabschieden sich weinende Väter von ihren grossartigen Kindern, beteuern, wie unermesslich stolz sie sind und flöten „I love you“. Angesichts der Superflut, die das Weisse Haus verschlingt, verkündet der Präsident erschüttert, endlich mit seiner toten Frau vereint zu werden. Nur ein tibetischer Mönch besitzt die Seelenruhe, auch noch am jüngsten Tag in Musse seinen Tee zu schlürfen. Familienväter vereinigt euch: Jackson glaubt an das Gute im Menschen und wird daher mit einem Platz auf der Arche und seiner Familie belohnt.

Roland Emmerich wird nicht müde zu beteuern, dass die Handlung seiner Filme gänzlich irrelevant sei und er sich nur um die Effekte schere. Desinteresse ist jedoch keine Rechtfertigung für Obszönität gepaart mit kruder Moral und Ignoranz: Nicht die Erderwärmung, nicht die Umweltverschmutzung und auch nicht Kriege, und damit der Mensch, sind verantwortlich für den Weltuntergang, sondern Mutter Sonne. Alle Milliarden Jahre erlaubt sie sich den Spass, den Erdkern zu erwärmen, was mit unendlichen pseudowissenschaftlichen Grafiken bebildert und mit ermüdenden Countdowns vertont wird. Ergo ist niemand schuld, es war alles nur ein blöder, unterhaltsamer Zufall. Das ist wahrhaft schockierend.

Bewertung: 1 von 5

• Titel: 2012
• Regie: Roland Emmerich
• Darsteller: John Cusack,
Thandie Newton,
Amanda Peet,
Woody Harrelson, 
Danny Glover,
Chiwetel Ejiofor,
Oliver Platt
• Verleih: Walt Disney Studio
• Release: 12. November 2009