Oomph! im Interview
Silvan Gertsch - Vor zwei Jahren wurden sie von der Echo-Preisverleihung ausgeladen, ihr aktuelles Video zum Song "Beim ersten Mal tut's immer weh" ist der Zensur zum Opfer gefallen. Am 22. August veröffentlichen die deutschen Industrial-Rocker von Oomph! ihr zehntes Studioalbum "Monster".Ihr en...
Ihr entwickelt euch langsam aber sicher zur Skandalband.
Dero: Ja, aber das ist nicht unsere Schuld, dass die Medienleute und die Verantwortlichen von Fernsehsendern so prüde sind. Wir machen nach wie vor unsere Musik und wollen die ehrlich machen. Aber auch provokativ. Musik sollte Ecken und Kanten haben und Finger in Wunden legen dürfen. Aber den Ball, den uns die Medien zuspielen, indem sie einen Skandal um einen Song von uns machen, nehmen wir dankend auf.
Im Endeffekt profitiert ihr von diesem Medienecho?
Dero: Die Betonung liegt ganz klar auf Echo (lacht). Im Ernst: Wir hätten damals viel lieber beim Echo gespielt, als dort ausgeladen zu werden. Wir hätten ganz klar mehr Leute erreicht. Andererseits sind wir die einzige Band, die je von einem Echo ausgeladen worden ist. Das muss man auch erst mal schaffen.
Steckt nicht auch Kalkül hinter diesen Skandalen? Dass ihr das bewusst geplant habt?
Dero: Das geht nicht. Die Verantwortlichen von RTL haben uns normal eingeladen, die Choreographie war geplant, Statisten wurden bereits engagiert. Die Vorbereitungen liefen bereits auf Hochtouren. Und dann kam diese fadenscheinige Absage, dass sie die religiösen Befindlichkeiten ihrer Zuschauern nicht verletzen wollten. Andererseits haben sie ja auch keine Probleme damit, die intellektuellen Befindlichkeiten ihrer Zuschauer zu verletzen (lacht). Die Leute waren damals wohl einfach übersensibilisiert im Zusammenhang mit den Mohammed-Karikaturen.
Ärgert es euch nicht, dass die Botschaft zum Song „Beim ersten Mal tut’s immer weh“ wegen der Diskussionen untergeht?
Dero: Ich denke nicht, dass der Inhalt des Songs deswegen untergeht. Er zeigt ja die Rachegelüste auf von Menschen, die schon mal durch die Vergewaltigungshölle gegangen sind. Sonst wird in den Medien in der Regel die Opferrolle glorifiziert durch die skandalträchtige Ausschlachtung. Wir wollten zeigen, dass ein Opfer das Blatt auch mal wenden kann und sagen kann: „Jetzt schneide ich dir die Eier ab für das, was du mir angetan hast.“ Das ist zugegebenermassen ganz schön krass und wir mussten das Video auch verpixeln. Aber die unzensierte Version ist auf unserer Homepage immer noch ersichtlich. Ich bin aber ganz klar auch der Meinung, dass es viele Musikvideos gibt, die wesentlich kritikwürdiger sind. Viele Rap- und Hip-Hop-Videos wären heute durch ihre menschenverachtende Art zu kritisieren. Aber in der Kunst sollte letztlich alles erlaubt sein.
Am 22. August erscheint das neue Album „Monster“. Wie fühlt ihr euch?
Flux: Wir sind in grosser Erwartungshaltung, wie die Fans reagieren werden. Natürlich haben wir ihnen schon Schnipsel vorgespielt und es gab Prelistening-Sessions, wo das Feedback sehr gut war. Aber letztlich entscheidet der Fan, wie sehr er die Songs liebt. Wir selber lieben das Album und sind natürlich auch der Meinung, dass es das beste ist, das wir aufnehmen konnten. Wir haben uns weiterentwickelt und lange daran gearbeitet.
Bei den angesprochenen Prelistening-Sessions habt ihr Fans eingeladen. Wie wichtig ist euch der Kontakt zu ihnen?
Flux: Das ist uns sehr wichtig. Wir suchen auch auf unterschiedlicher Basis den Kontakt zu ihnen, auch im Internet oder an den sogenannten Oomph!-Days, die mehrmals jährlich stattfinden. Dort stellen wir uns vor die Fans, um ihnen die Möglichkeit zu geben, mit uns zu sprechen, Fragen zu stellen. Kürzlich waren 500 Leute da, manche andere Band wäre froh, wenn so viele Leute an ihren Konzerten erscheinen würden.
Dero: Eigentlich wollten sie ja nur Sex.
Flux: Das kriegen die meisten ja dann auch.
Dero: Nicht alle. Wir werfen ja immer das goldene Kondom in die Mitte und Flux muss sich dann erbarmen, diejenige oder denjenigen zu befriedigen, der es fängt (lacht).
Flux: Ich opfere mich immer ganz gerne für die Band.
Bilder: Sven Sindt.
Auf eurer Homepage setzt ihr stark auf die Interaktion. Wie viel Planung steckt dahinter?
Flux: Wir hängen uns da sehr stark rein. Unsere Fans sollen integriert werden. Sie sollten das Cover von „Monster“ mitgestalten – über 650 Entwürfe sind reingekommen. Zum anderen haben wir auch einen Aufruf gemacht, dass die Fans die Lieblingsszene aus einem Oomph!-Video nachdrehen. Die Gewinnerin durfte dann in einem Video von uns mitspielen. Ausserdem weiss ich, dass viele unserer Fans Videospiele mögen. Deshalb haben wir auf unserer Internetseite dieses Labyrinth gestaltet, wo man sich vortasten kann und immer mehr über die Band erfahren kann.
Wie schwierig ist es als Band, sich nicht zu wiederholen?
Dero: Schwierig. Schwierig. Schwierig. Wenn man sich aber genug Zeit lässt zwischen den Alben, bei uns sind das in der Regel zwei Jahre, dann hat man auch die Chance, sich dazwischen weiterzuentwickeln. Wir haben grossen Wert darauf gelegt, voranzukommen. Sich selbst zu kopieren ist der kommerziell einfachste Weg. Wir haben uns für den anderen entschieden und schätzen es deshalb auch, dass viele Fans den Weg mitgehen.
„Monster“ ist euer zehntes Studioalbum – ein geeigneter Zeitpunkt, um zurückzuschauen. Wie habt ihr euch als Band in dieser Zeit entwickelt?
Dero: Unser Debutalbum war elektronisch, beim zweiten Album haben wir die Gitarren ausgepackt, beim dritten sind sie schon fast dominant geworden. Danach ist die Elektronik wieder zurückgekommen, seither herrscht ein gesundes Gleichgewicht zwischen Elektronik und harten Gitarrenwänden, ohne dass wir unsere Wurzeln dabei verleugnen. Wir wachsen nach wie vor, und das ist auch unser Anspruch. Stillstand wäre unser Tod.
Du hast jetzt vor allem die musikalische Seite angesprochen. Wie siehts menschlich aus?
Flux: Menschlich entwickelt man sich natürlich auch weiter. Man ist erfahrener, reifer. Man weiss, was man kann und was nicht, was man besser den anderen überlässt. Wir können in Einzelbereichen schneller arbeiten, was uns ermöglicht, neue Experimente zu wagen. Um neue Inspiration zu finden, haben wir beispielsweise die Gitarrensaiten verkehrt aufgezogen, ebenso jene vom Klavier. Und Dero hat rückwärts gesungen. Beim Mischen habe ich ohne Lautsprecher mit geschlossenen Augen gearbeitet.
Dero: Ein Blind-Mix sozusagen.
Flux: Genau, du musst die Musik fühlen.
Dero: Und wir machen beim Sex innerhalb der Band neuerdings das Licht aus.
Flux: Das ist in unserem Alter auch angebracht. Die Fantasie beflügelt.
===Oomph!