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20. Oktober 2008, 22:22 Kolumnen

When We Were Students...

Karin Reinhardt - Als Phil-Einer verfügt man bekanntlich über das Privileg, sich seine Lernzeit selber einteilen zu können. Dieses Privileg beisst sich aber mit der Undiszipliniertheit. Im Phil-Einer wohnt zwar das Gewissen, der Druck, der Lerntrieb. Aber auch die Faulheit, Mañana-Haltung und ...

Als Phil-Einer verfügt man bekanntlich über das Privileg, sich seine Lernzeit selber einteilen zu können. Dieses Privileg beisst sich aber mit der Undiszipliniertheit. Im Phil-Einer wohnt zwar das Gewissen, der Druck, der Lerntrieb. Aber auch die Faulheit, Mañana-Haltung und der Drückeberger. Diese zwei Seiten bekämpfen sich permanent, besonders, wenn man nur noch zwei Stunden Uni pro Woche hat. Um sich selber ein bisschen Druck zu machen und in Stimmung zu kommen, pilgert man deshalb Morgen für Morgen an ein Lernplätzchen. Dabei ist die Wahl der geeigneten Umgebung a) essentiell und b) sauschwer. Freunde der Zentralbibliothek schwören auf deren kühle Hallen, die riesige Auswahl an verstaubten Schinken und die Ruhe. Ich hasse die ZB abgrundtief, die Stille treibt mich in den Wahnsinn, man darf nicht essen, nicht trinken, nicht sprechen, nicht seufzen, nicht husten oder atmen. Zwischen den Bücherregalen muss man immer Angst haben, entweder selber eingeklemmt zu werden oder eine verweste Leiche zu entdecken. Etwas lockerer geht’s am RWI zu und her. Immerhin seine Wasserflasche darf man mit hinein nehmen und der Calatrava-Bau ist auch noch was fürs Auge. Leider muss man Fünf-vor-Acht anwesend sein, weil man sonst weder einen Sitzplatz noch den 700-seitigen Kommentar zur Schweizer Bundesverfassung ergattern kann. Rechnet man die drei Stunden Stylingzeit dazu, die man braucht, um Outfit-mässig mit den schnieken Jus-Studis mithalten zu können, muss man um halb fünf aufstehen. Naturwissenschaftler schwören auf den Irchel, wo sie in den Pausen das Wald- und Wiesenfeeling geniessen können. Ich hingegen lerne im Maschinenbaulaboratorium. Dort stehen sechs Sechsertische, was eine fast schon intime, familiäre Lernatmosphäre erlaubt. Aus dem Radio der Tannenbar erklingt Musik und die ausnahmslos männlichen Maschinenbau-Studis brummeln Formeln und Logarithmen vor sich hin. Der dunkelhäutige Kollege am Nebentisch starrt verzweifelt in seinen Laptop, steht dann auf und holt sich einen der berühmten Cappucino aus der Tannenbar. Der Basler hinter mir erklärt seinem Ostschweizer Kollegen, wie der Sinus zum Cosinus steht und warum seine Gleichung nicht aufgehen kann. Die Welsch-Schweizer Fraktion motiviert sich gegenseitig in einer mir mittlerweile unbekannten Sprache. Kurz vor zwölf ruft einer: „Mittagessen“ und ich beobachte fasziniert, wie sich die gesamte Truppe erhebt und zur Türe herausschlurft. Ihre Unterlagen lassen sie liegen, Angst vor Diebstahl muss man hier nicht haben. Man kennt und vertraut sich. Konzentrieren kann man sich hier nicht wirklich, aber mir gefällts. Im Maschinenbau ist die Welt noch in Ordnung. M.B., The Place 2 B.
Kommentare
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sasette 21.10.2008 um 01:36
die männer im maschinenbau? das musst du schon selber rausfinden, die geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden. (das war mal ne diplomatischi antwort, hä du)