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9. Oktober 2007, 00:01 Movie Music

DVD der Woche: «Daddy and them»

Christina Ruloff - Es gibt eine goldene Regel, die besagt, dass der europäische Tourist die Ost- und Westküste Amerikas ausgiebig und enthusiastisch bereisen soll; das viele Land dazwischen gelte es hingegen besser zu meiden, denn was gibt es da schon zu sehen... abgesehen von viel flachem Land u...

Es gibt eine goldene Regel, die besagt, dass der europäische Tourist die Ost- und Westküste Amerikas ausgiebig und enthusiastisch bereisen soll; das viele Land dazwischen gelte es hingegen besser zu meiden, denn was gibt es da schon zu sehen... abgesehen von viel flachem Land und vielen wirklich seltsamen Menschen.

Irgendwo in Arkansas rennen sich eben zwei dieser seltsamen Menschen hinterher und landen unsanft auf dem Rasen. Claude (Billy Bob Thornton) und seine Ehefrau Ruby (Laura Dern) schreien sich gegenseitig an, das heisst, er brüllt, sie kreischt. Es geht um eine seiner Exfreundinnen, die dummerweise ihre Schwester ist und es geht um die manische, sehr gegenseitige Eifersucht der beiden. Später liegen sie vergnügt zusammen im Garten... bis der nächste Streit entbrennt. Da meldet sich das Familienoberhaupt O.T. (Andy Griffith) und ruft eine Notstandssitzung aus: Onkel Hazel wurde wegen versuchtem Mord verhaftet und die gesamte Sippe, also „Daddy and them“, trifft sich in Little Rock um dem Verhafteten ihren Respekt zu bezeugen. Das Chaos kann beginnen!

Daddy and Them (was sich in etwa mit „Kegel und Kind“ übersetzten lässt) bestätigt fast alle Vorurteile gegen Südstaatler: Die White-Trash-Familie ist durchgeknallt und zurückgeblieben; einen sonderlich unerträglichen Akzent wie die Hinterwälder in „The Simpsons“ hat sie aber nicht. Und bei genauerer Betrachtung sind die Montgomerys auch nicht so anders wie wir, sie sind nur völlig schamlos und herrlich offen menschlich. Sie reden ständig über ihre Verdauung („Ich hatte den ganzen Tag Blähungen“), haben relativ öffentlich auf dem Auto (auf der Motorhaube) vor dem Haus Sex, finden es normal Alkoholiker zu sein, sagen immer genau, was sie denken („Meine Güte, sieht die Engländerin englisch aus!“) und reden eigentlich nicht miteinander. Diese Unfähigkeit (nicht das Desinteresse) zur Kommunikation ist das zentrale Thema von Billy Bob Thorntons drittem Spielfilm. Als Drehbuchautor, Regisseur, Hauptdarsteller und bekennender Südstaatler ("I was the fattest baby in Clark County, Arkansas. They put me in the newspaper. It was like a prize turnip.") treibt Thornton die Problematik der mangelnden Kommunikation in irrsinnigen Gesprächen ad absurdum. Keiner hört dem anderen zu oder geht auf eine Antwort ein, sondern wartet nur darauf, dem Gegenüber eins auswischen zu können. Man redet nicht, man schreit. So entsteht herrlicher Irrsinn, neben echter Tragik und schnulzigstem Kitsch. Denn diese Menschen haben weder die Fähigkeit, sich selbst auszudrücken, noch können sich selbst reflektieren oder erweitern.

Es gibt manche, interessante amerikanische Filme, die nie bei uns ins Kino kommen: Daddy and Them hat dank Thorntons Name den Weg auf unseren DVD-Markt gefunden. Gut so! Der Film überzeichnet und übertreibt stark, schiesst manchmal übers Ziel hinaus; er ist aber originell, hat etwas zu sagen und öffnet ganz wertfrei den Blick auf das andere, riesige Amerika zwischen Ost- und Westküste, wo Engländer (hier Brenda Blethyn) als Aliens wahrgenommen werden und der Ausflug zum Liquorstore das grosse Erlebnis (eine Wahnsinnseinstellung!) darstellt.

Bewertung: 4 von 5

Originaltitel: Daddy and Them Land: USA Genre: Komödie Dauer: 93 MinutenRegie: Billy Bob Thornton Darsteller: Billy Bob Thornton, Laura Dern, Brenda Blethyn, Kelly Preston, Andy Griffith

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