Vicky Cristina Barcelona
Christina Ruloff - Menage à trois in Barcelona – eine herrliche Sache: In Vicky Cristina Barcelona findet Woody Allen zu alter Stärke und zwar ohne gross repetitiv zu sein: Herausragend!Vicky fährt mit ihrer besten Freundin Cristina nach Barcelona, um ihre Masterarbeit über „Katalanische Ku...
Vicky fährt mit ihrer besten Freundin Cristina nach Barcelona, um ihre Masterarbeit über „Katalanische Kultur“ zu schreiben, hoch seriös versteht sich. Schliesslich ist Vicky verlobt, auf Häusersuche und hat überhaupt schon ihr ganzes Leben durchgeplant. Cristina weiss zwar nicht, was sie will; aber sie will ganz bestimmt nicht, was Vicky hat - dieses normale, bürgerliche Leben. Dann „passiert“ den beiden plötzlich Barcelona: Der Künstler Juan Antonio lädt sie aus dem Nichts heraus in einem Restaurant auf einen Trip nach Oviedo ein, zu Sightseeing und Lovemaking! Vicky ist angeekelt, ja empört, rein der Gedanke mit einem dahergelaufenen „nicht mal besonders attraktiven“ Spanier ihren Mann betrügen, ist ... unerhört. – Cristina ist naturgemäss hin und weg. Gemeinsam erleben sie neues, aufregendes Leben und lernen natürlich Juan Antonios mörderische Exflamme Maria Elena kennen!
Wer könnte da widerstehen? Javier Bardem mimt den melancholischen Künstler, der von seiner Frau fast erstochen worden wäre.
Vicky Cristina Barcelona zeigt – wie fast alle Allen-Filme – herausragend, dass die meisten Menschen nie wissen, was sie eigentlich wollen und sich so über kurz oder lang ins Unglück stürzen. Cristina (Scarlett Johansson schön und blond) ist der Allensche Prototyp der ewig Suchenden: „I’m proud of my intolerance!“ Juan Antonio (Javier Bardem als Superlover mit Schlafzimmerblick) wiederum ist von der einen und wohl einzigen Frau besessen, die ihn unglücklich macht und sieht gerade darin wieder Sinn: „Only unfulfilled love can be romantic!“ (Penelope Cruz mimt wie so oft den verrückt-hysterischen Vamp, der allen Anwesenden das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt.) Vicky, die dem Künstler in jeder Hinsicht das Wasser reichen kann, kommt als einzig Rationale im Film für ihn nicht in Frage – scheinbar. Aber auch sie verliert ihren „konventionellen“ Wertemassstab und fragt sich schliesslich, ob das Leben nicht mehr als einen netten, aber in jeder Hinsicht (psychisch, physisch, geistig und seelisch) beschränkten Kumpel zu bieten hat, der am Telefon automatisch „I love you“ flötet. Rebecca Hall spielt diesen wohl klischeehaften, aber ausgesprochen lebensnahen Charakter mit einer Eindringlichkeit, die ihresgleichen sucht. Weil sie sich als einzige selbst reflektiert, wird sie sich zwar ihres Dilemmas bewusst, kann oder will doch keine Entscheidung treffen und ihren Gefühlen nicht den wesentlichen Platz eingestehen: Besser oder sicherer ist es, den Spatz in den Hand als die Tauber auf dem Dach zu haben.
Zu Dritt macht alles Spass - bis die Unzufriedenheit wieder Überhand gewinnt.
Wäre da nicht die professionell gelangweilte Erzählerstimme, die die Charaktere und ihre Motive pointiert, aber nicht sehr freundlich kommentiert und seziert, wäre dieser Steifen wahrhaft gelungen. So hängt über allem der etwas didaktische Schatten Allens, der auf Mechanismen aufmerksam macht, die man eigentlich aus den Charakteren herauslesen sollte. Aber Dialoge schreiben kann Woody Allen einfach wunderbar und sorgt so für 96 Minuten rundherum gute Unterhaltung.
Bewertung: 4 von 5
Sie stiehlt allen die Show: Rebecca Hall ist grossartig.
- Titel: Vicky Cristina Barcelona
- Land: USA
- Regie: Woody Allen
- Darsteller: Scarlett Johansson, Javier Bardem, Rebecca Hall, Penelope Cruz
- Verleih: Frenetic
- Release: 4. Dezember