DVD der Woche: You kill me
Christina Ruloff - Skurril, unglaublich komisch und hervorragend geschrieben: Ben Kingsley sorgt als Berufsmörder bei den Anonymen Alkoholikern für tolle Unterhaltung!Frank wäre ein hervorragender Killer – wenn er nur nicht saufen würde wie ein Loch. So pennt er im Auto seinen letzten Rausch ...
Frank wäre ein hervorragender Killer – wenn er nur nicht saufen würde wie ein Loch. So pennt er im Auto seinen letzten Rausch aus und verpasst es, den grössten Konkurrenten seiner Familie zu erschiessen. Man lebt in Buffalo, wo Mistwetter und eisige Kälte vorherrschen und das Schneeschaufelmonopol gutes Geld bedeutet. Das ist nun in Gefahr. Doch die Familie denkt nicht so sehr an sich, sondern an Franks Gesundheit und schickt ihn kurzerhand nach San Francisco zum Trockenwerden zu den Anonymen Alkoholikern. Für Frank, der entweder „arbeitet“ oder trinkt und von tiefschürfenden Gesprächen wenig hält, sind die Sitzungen der absolute Albtraum...
"It isn't that I'm sorry I killed them; it's that I'm sorry I killed them badly." - Ein Killer in moralischen Nöten.
John Dahls schwarze Komödie dreht sich in erster Linie um Franks Versuche, ein geregeltes Leben jenseits der Schnapsflasche zu führen, Leute kennenzulernen, Beziehungen zu pflegen, kurz Amerikaner zu sein. Dass Frank scheitert, sagt weniger über seinen ausgesprochen originellen Charakter aus, als über seine Umwelt. Dahl persifliert nämlich auf bitterböse und köstlich sarkastische Weise die amerikanische Gesellschaft und ihre Neigung, ja ihr Urbedürfnis zu „Sharing“ – zum Mitteilen aller Intimitäten. Die Besuche bei den Anonymen Alkoholikern sind daher der absolute Hammer. Was die Leute, zu Franks Horror, alles mit der grössten Selbstverständlichkeit (und Genugtuung) von sich preisgeben, ist eben so irrsinnig wie komisch. Franks exzentrische Züge fallen in dieser ganz normalen Gesellschaft kaum mehr aus dem Rahmen. Alkoholismus wird jedoch nicht verharmlost; der Film zeigt im Gegenteil wie schwierig es ist, in unserer Gesellschaft – wo Trinken zum guten Ton und Saufen zur Männlichkeit gehört – einmal nein zu sagen, ohne gleich zum Paria zu werden.
You kill me wäre nicht halb so gut, hätte Dahl für den Film nicht ein tolles, aussergewöhnliches Farbkonzept entwickelt – und wäre Ben Kingsley nicht einfach grossartig. Kingsley besitzt eine Leinwandpräsenz, die alles überstrahlt. Er bringt die irrsten Dialoge ebenso nüchtern wie überzeugend rüber. Sein Killer ist in erster Linie ein sympathischer, einnehmender Mensch, mit einem grossen „Drinkingproblem“ und, na ja, einem gewöhnungsbedürftigen Beruf. Tea Leoni, die man zu lange nicht auf der Leinwand gesehen hat, gibt die coole Freundin, Luke Wilson den verständnisvollen Freund, und Dennis Farina wie so oft überzeugend das Ekel. Manche tollen Hollywoodfilme (und nicht nur Festivalraritäten) kommen auch in der Schweiz nie ins Kino – im Fall von You Kill Me eine Schande. Koch Media hat den Film endlich auf DVD veröffentlicht, sogar mit Audiokommentar des Regisseurs. Top!
"I missed dinner last night because I got drunk with little Irish people." Wenn das Trinken plötzlich über allem steht.
You kill me ist neu auf DVD erschienen!