Magazin durchsuchen

Neuste Blogs

7. Dezember 2008, 18:22 Kultur

Simenon: Maigret in Arizona

Christina Ruloff - Diogenes bringt die sämtlichen Maigret-Romane heraus, und zwar in einer gebundenen Ausgabe mit Kartoneinband, so dass sie garantiert jede Reise überleben werden. Wenn man nun vor dem Regal steht und sich fragt, welchen man zuerst lesen möchte (eine fast unlösbare Aufgabe), so...

Diogenes bringt die sämtlichen Maigret-Romane heraus, und zwar in einer gebundenen Ausgabe mit Kartoneinband, so dass sie garantiert jede Reise überleben werden. Wenn man nun vor dem Regal steht und sich fragt, welchen man zuerst lesen möchte (eine fast unlösbare Aufgabe), so sticht einer, nur schon wegen der ungewöhnlichen Location, ins Auge: Maigret in Arizona!

Maigret befindet sich im 32. Band auf einer sogenannten Dienstreise in den USA, wird von Kollegen zu Kollegen fröhlich weitergereicht, erhält Ehrensheriffplaketten und findet sich plötzlich in einem Gerichtsfall in Tucson wieder, der die alte Berufskrankheit weckt – den Drang hinter die Fassaden zu blicken, was für einen Franzosen in Amerika nicht ganz einfach ist...

Was Simenons Werk besonders und – mit dem Blick aufs heutige Amerika – ganz offensichtlich zeitlos macht, sind seine scharfsinnigen, nicht immer freundlichen, aber meist wohlmeinenden Beobachtungen über das Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Da sind die Menschen, die immer gut gelaunt und herzlich alle Welt mögen und grüssen, den Eindruck erwecken, „das Leben als Spiel zu betrachten, als sei es wirklich sehr vergnüglich“. Da ist das beinahe unstillbare Bedürfnis, sich zu betrinken, 13, ja 20 Bier und ein paar Whiskys zu kippen. (Den Kater am nächsten Morgen hält man sich mit einer mysteriösen blauen Flüssigkeit vom Leibe, die es in allen Apotheken gibt.) Dass die Amerikaner alles haben und scheinbar die glücklichsten Menschen sind, treibt Maigret zur Weissglut:

„Hier gab es keine Geheimnisse. Alle Welt schien im vollen Licht zu leben. Keine beunruhigenden Gestalten, die um die Häuser strichen, keine Gardinen, die vor die Fenster gezogen wurden. Nur unzählige Autos, die weiss Gott wohin fuhren, ohne jemals zu hupen, an der Kreuzung scharf bremsten, sobald die Ampel von Grün auf Rot wechselte, und dann geradeaus weiterfuhren.“ (S.91)

Dass die Gesellschaft aber doch einen Knacks hat, beweist der Mord an der siebzehnjährigen Bessy. Sie ist – so entdeckt der Kommissar auf seinen Streifzügen durch den Westen – Symbol für eine Welt, in der alles mit geschriebenen und ungeschriebenen Gesetzen geregelt wird und in der man sich als guter Amerikaner freudig der Öffentlichkeit fügt. Die Doppelmoral – gerade in Sachen Sexualität – zwingt die Menschen, „im Geheimen“ über die Stränge zu schlagen, und fördert eine eigene, neue Kriminalität. Simenons Analyse ist messerscharf. Er kennt die USA (er hat jahrelang in den Staaten, besonders in Tucson gelebt) und er kennt die Menschen, ihre Eigenarten und vor allem ihre Schwächen. Maigret in Arizona ist daher ein besonders gelungener Krimi geworden.

Alle Bildrechte bei Diogenes

Kommentare
Login oder Registrieren