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16. Dezember 2008, 10:13 Kultur Movie

Film des Jahres: Waltz With Bashir (UMFRAGE)

Christina Ruloff - Wann ist ein Film gut? Und warum ist ein Film dann gut? Schlechte Filme gibt es wie Sand am Meer und ihre Mechanismen sind inzwischen so vertraut und alltäglich geworden, dass sie kaum mehr auffallen. Da haben es die guten Filme, die anderen Filme schwerer und die Kritikerin kom...

Wann ist ein Film gut? Und warum ist ein Film dann gut? Schlechte Filme gibt es wie Sand am Meer und ihre Mechanismen sind inzwischen so vertraut und alltäglich geworden, dass sie kaum mehr auffallen. Da haben es die guten Filme, die anderen Filme schwerer und die Kritikerin kommt in Erklärungsnot, wenn es zu belegen gilt, warum es eigentlich wunderbar und herausragend ist, wenn ein Film mal nicht unsere Sehgewohntheiten befriedigt und sich nicht der 0815-Erzähltechniken bedient – und wenn ein Film sich traut, eine Aussage zu machen, und sei er nur, dass der Irakkrieg ein Verbrechen ist.

Tommy Lee Jones versucht mit Händen und Füssen sein Weltbild zurecht zu prügeln - vergeblich in In the valley of Elah.

Mein erster Kandidat (wenn man chronologisch das Kinojahr durchackert) ist In the valley of Elah mit Tommy Lee Jones; der Film arbeitet zugegebenermassen mit der Holzhammertechnik und Jones’ selbstgerechte Suche nach der Wahrheit ist manchmal empörend, oftmals unfreiwillig komisch. Der Kollege Suubmarine hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass in 45 Einstellungen die amerikanische Flagge flackert. Aber hier liegt eben des Films Kern: Elah ist ein verstörter und verstörender Weckruf aus Amerika von einem Amerikaner für Amerikaner. Und wer nicht Flagge zeigt, ist (so wurde mir mehrmals bedeutet) ein „commie pinko liberal“, „French“ und – am schlimmsten – „anti-american“! Dass Barack Obama mit aller Deutlichkeit gewählt worden ist, zeigt, dass die Botschaft des Films in weiten Teilen des Landes angekommen ist – endlich. Und vielleicht sollten wir Europäer uns ebenfalls endlich von der Illusion lösen, dass die Amerikaner eigentlich ganz ähnlich sind wie wir – wenn sie nur ein bisschen anders wären. (Das Wehklagen erinnert oftmals an das einer unglücklichen Ehefrau, die ihren Mann ändern möchte.)

Mord ist nicht sein Hobby, sondern seine Berufung: Javier Bardem wütet als Reiter der Apokalypse in No Country for Old Men.

No Country for Old Men ist ein grosser Film, Oscar - prämiert und umso grossartiger, weil er gängige Klischees, aber auch selbstgefälliges Moralisieren und pseudotiefsinnige Selbstreflexionen und Spielereien vermeidet. Er erzählt gradlinig in der krass - schönen Landschaft von Südtexas von der nahenden Apokalypse, vom Untergang der Gesellschaftsform, auf die wir seit 1789 so stolz sind. Was wirklich alles in diesem Film steckt, mag wohl Cormac McCarthy, Autor der Romanvorlage wissen. Auf den ersten Blick ist den Cohen-Brüdern nämlich einfach wieder mal ein absurd-morbider Thriller gelungen.

Warum ist dann dennoch Waltz With Bashir der “Film des Jahres“? Weil er nicht nur demaskiert oder lakonisch schildert, sondern uns auf eine Höllenfahrt in die verdichtete Vergangenheit mitnimmt und erleben lässt, wie der Mensch ist; wie er erinnert, verdrängt, vergisst, beschönigt, die eigene Vergangenheit neu schreibt – um trotz all des entsetzlichen, schockierenden und Ekel erregenden Erlebten, irgendwie den Alltag bewältigen zu können. Wenn Ari Folman sich erinnert, wie er in Ferienstimmung durch den Flughafen Beirut flaniert und versonnen träumt, nach Paris, Los Angeles oder New York fliegen zu können – um erst Minuten später zu realisieren, dass seit Wochen kein Flugzeug dieses zertrümmerte Schlachtfeld mehr anfliegt, erleben wir das Unterbewusstsein bei der Arbeit und sind beeindruckt. Dass Waltz With Bashir der wichtigste Anti - Kriegsfilm seit Jahren ist, muss kaum angefügt werden, es ist ein Film für die Ewigkeit.

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Kommentare
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jack_daniel 29.12.2008 um 23:17
Waltz with Bashir habe ich leider noch nicht gesehen, genauso wie Gomorra, der anscheinend auch sehr gut sein soll. No Country for Old Men ist grossartig, genau so wie auch There will be Blood. The Dark Knight ist perfektes Hollywood-Kino. Weiter: In Bruges, Die Fälscher, Le Scaphandre et le Papillon. Bin aber nicht so ganz sicher, ob die alle ins Jahr 2008 gehören.
Bures
Bures 21.12.2008 um 23:53
Mein Favorit ist klar "The Dark Knight". Heath Ledger ist einfach spitze als Joker, ein ganz starker Schauspieler - mal abgesehen davon, dass es sein letzter Film war und er sowieso ein Hingucker ist
stipe79 21.12.2008 um 16:00
hab nun auch waltz with bashir gesehen. in der tat ein sehr starker film, vor allem wegen der kombination aus polit-dokumentation und anime, ohne zweifel. das ist wahrscheinlich vorher noch nie dagewesen.. neuland. und die zeichenarbeit, die da geleistet wurde, wahrscheinlich nur kaum mit konventionellen filmen zu vergleichen.. - auch die einarbeitung der musik von max richter (!!!) und anderen ist sehr gelungen... max richter scheint mir stark underrated... vgl. http://www.imeem.com/people/sRLWdUW/music/XcxVBb0q/max_richter_november/
kritisch anzumerken ist vielleicht, dass der film mit den eingeflochten realbildern am ende aus dem deskriptiven psychologischen aufarbeitungsprozess heraustritt und schlussendlich zur politischen anklage wird... irgendwie war das zu erahnen, kommen doch filme mit einer politisch linken dimension in cannes und anderswo sehr gut an (vgl. Michael Moore). der adressat dürfte nebem dem fachpublikum auch die israelische politik sein, womit der bisher stark im psychologischen aufarbeitungsprozess einbezogene ohnmächtige zuschauer wieder "raus geworfen" wird, möchte er sich nicht selbst betroffen/schuldig fühlen. aber vielleicht wollte er ja tatsächlich nicht nur das fachpublikum und die politik betroffen machen, sondern auch jeden einzelnen aussenstehenden zuschauer.. da bleibt wiederum zu fragen, was man denn wirklich als einzelner nach jahrzehnten des konflikts und vor dem hintergrund der dargestellten (psychologischen) zusammenhänge tun kann.. wer ist nun der gute und wer ist der böse?
julischwan
julischwan 19.12.2008 um 19:16
Waltz With Bashir ist für mich auch definitiv der Film des Jahres! Oder des Jahrzehnts? Man kann das ganze nicht gut in Worte fassen..
valeries 18.12.2008 um 11:24
es war NO COUNTRY FOR OLD MEN! den bashir hab ich leider nicht gesehen, kann mir nach der Vorschau aber gut vorstellen, dass er den 1. Platz auch verdient...
dollarhyde 18.12.2008 um 00:05
Bin dieses Jahr längst nicht dazu gekommen, alle Filme zu gucken, die ich gern gesehen hätte. So bleibt für mich als diesjähriges Kinohighlight "The Dark Knight". Auch wenn Christina böööse Sachen über den Streifen geschrieben hat und er tatsächlich nicht ganz das Meisterwerk ist, als das er gepriesen wird.
stipe79 17.12.2008 um 22:54
ich habe nicht alle filme gesehen, aber "into the wild" war schon eine klasse für sich, fand ich...
silu
silu 16.12.2008 um 17:22
Film-Highlight 2008: "Control"! Aus der Schweiz hat mich "Tausend Ozeane" am meisten überzeugt!
jonasb
jonasb 16.12.2008 um 17:08
Das Kino-Highlight 2008 war für mich ohne Zweifel "Lars and the Real Girl": Weder arrogant-abgehobener Arthouse-Kunstfilm, noch durchgestylter Ami-Blockbuster, ist dieses Kleinod erstaunlich lustig, ehrlich, lebensbejahend und nicht zuletzt virtuos gespielt. Wer hätte gedacht, dass man mit der Story um eine "anatomisch korrekte" Sexpuppe so viel erreichen könnte?