Magazin durchsuchen

Neuste Blogs

29. Dezember 2008, 01:54 Kultur

Andorra @ Schauspielhaus

Robert Salzer - Das Modellstück kehrt an den Ort zurück, wo es 1961 uraufgeführt wurde. Schlicht inszeniert, aber gerade dadurch stark.Barblin weisselt. Sie weisselt „für ein weisses Andorra“, tüncht ihren Farbroller in einen Bottich mit weisser Farbe und bemalt so das grau-silbrige Bü...

Das Modellstück kehrt an den Ort zurück, wo es 1961 uraufgeführt wurde. Schlicht inszeniert, aber gerade dadurch stark.

Barblin weisselt. Sie weisselt „für ein weisses Andorra“, tüncht ihren Farbroller in einen Bottich mit weisser Farbe und bemalt so das grau-silbrige Bühnenbild. Schlicht ist es, das Bühnenbild im Pfauen. Auf- und Abgänge gibt es keine, über den Zuschauerraum steigen die Darstellenden auf die U-förmige, abgeschlossene Bühne. Dort bleibt ein jeder sitzen, bis er zum Einsatz kommt. Barblin weisselt und am Fortschritt ihrer Malersarbeit kann man erkennen, wie lange das Stück ungefähr noch dauert. Ist Barblin in der Hälfte der Bühne angekommen, so befinden wir uns auch in der Mitte des Stückes.

Die Handlung von Andorra durften die meisten Leser wohl gründlich in ihrer Schulzeit auseinandernehmen. Es geht um Andri, dessen Pate, der Lehrer, behauptet, dass er Andri als Säugling nach Andorra gebracht und dadurch gerettet habe, da dieser im Ausland als Jude verfolgt worden wäre. Doch auch im ach so unschuldigen und sauberen Andorra bekommt Andri die wachsenden Vorurteile gegenüber Juden zu spüren. Der Soldat beleidigt ihn; sein Lehrmeister, der Tischler, bezichtigt ihn, schlecht zu arbeiten. Andri solle lieber einen Beruf ergreifen, der mit Geld zu tun habe („Wieso geht er nicht an die Börse?“ – ein unfreiwilliger Lacher, dessen Aktualität Frisch wohl nicht vorausahnen konnte), weil das zu einem Juden passe. Der Lehrer verweigert dem Jungen, seine Tochter Barblin zu heiraten. Andri bezieht die Ablehnung auf sein Judentum und sein Hass gegen die Andorraner und deren Fremdenfeindlichkeit wächst. Eines Tages erscheint die Señora von „drüben“ und Andri erfährt, wer er wirklich ist …

Schlicht ist die Inszenierung von Matthias Fontheim. Nichts soll vom Inhalt des Stückes ablenken. Die Abgeschlossenheit des Raumes, die ständige Anwesenheit aller Schauspieler, der minimale Einsatz von Requisiten, kein Gebrauch von Musik - dies alles führt dazu, dass die eigentliche Handlung von Andorra in den Vordergrund rückt. Stark sind auch die Monologe der einzelnen Andorraner, welche die Vorkommnisse zu erklären versuchen. Natürlich gesteht sich niemand eine Schuld ein (ausser der leicht reumütige Pfarrer) und wie Frisch es wollte, fühlt man sich an die Nachkriegszeit erinnert, als sich niemand für die Greueltaten verantwortete.

An den Schauspielern gibt es wenig auszusetzen. Stefan Grafs Andri ist etwas harmlos, stark hingegen Sieggi Schwienteks Tischler. Den Doktor, gespielt von Willem Menne, kann man so oder ähnlich auch schon im Spital angetroffen haben. Fabian Krüger spielt den Soldaten hingegen in seiner gewohnten aalglatten Art. Schade, dass er nicht auch einmal aus diesem Muster ausbrechen kann.

Irgendwann hat Barblin dann fertig geweisselt. Die Bühne ist weiss wie das Gewissen der Andorraner. Andorra im Pfauen: Ein Stück nicht nur für Schulklassen!

  • „Andorra“ von Max Frisch
  • Regie: Matthias Fontheim
  • Ort: Pfauen
  • Premiere: 1.November
  • weitere Vorstellungen: 30./31. Dezember; 5./8./9./16./23./30. Januar
Kommentare
Login oder Registrieren