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15. Februar 2009, 22:42 Kolumnen

Die Ferienwohnung

christian zweifel - Willkommen in der Ferienwohnung.Sie gehört einem nicht, man ist hier bloss geduldet.Koffer entpackt, Kleider in den Schrank gesteckt und Frischluft rein. Der Mief des Vorgängers ist endlich nach draussen bugsiert, aber seine Unordnung ist geblieben: Löffel, Messer, Gabeln, all...

Willkommen in der Ferienwohnung.Sie gehört einem nicht, man ist hier bloss geduldet.

Koffer entpackt, Kleider in den Schrank gesteckt und Frischluft rein. Der Mief des Vorgängers ist endlich nach draussen bugsiert, aber seine Unordnung ist geblieben: Löffel, Messer, Gabeln, alles ist bunt durcheinander geworfen. An den Fressutensilien lässt sich das Frühstück ablesen: Honig mit Butter ( es gibt keine Geschirrspülmaschine ).Popcorn, Datteln und Erdnüsse sind auch noch da, bloss von gestern. Also zurück damit in den Kasten.

Aber warum ist es denn so kalt in der gnädigen Stube ? Dumm, es ist Winter und die Heizung funktioniert nicht richtig – im Wohnzimmer bleiben die Wärmeschlaufen kalt. Na ja, dafür sind Küche und Schlafraum überheizt.

Abendessen bereiten. Pfannen, wo seid ihr denn ? Nur nicht da, wo man euch erwartet hätte. Aber was soll‘s, schliesslich ist die einzig nicht wahre Unordnung die Ordnung.Eier mit Butter reingeklatscht und Kartoffeln noch dazu. Es mundet vorzüglich; wenn nur die Füsse nicht frieren müssten.

Jetzt geht es an die Gerätschaften. Satellitenempfang, toll. Fernsehkabel wurden da oben keine verlegt, die Berge mögen das nicht. Mal probieren, was da so alles rein kommt. Pech gehabt: Der Dienst sendet nicht oder ist verschlüsselt. Na dann entschlüsseln wir mal. Aber das ist gar nicht so einfach. Die Einstellungen jedenfalls sind dahin, da hat wer ordentlich Vorarbeit geleistet. Endlich, nach einer Stunde Fummelei an Fernbedienung und Kasten tut sich was. Das Bild ist da und die Sendung vorbei. Man hofft auf Wiederholung und studiert die Programmsparten der Zeitschriften. Nein, da wird nichts wiederholt.

Mittlerweile ist es 23 Uhr und dem Gereisten die Müdigkeit in den Nacken gekrochen. Aber an Schlaf ist nicht zu denken. Nebst Hotelzimmern sind Ferienwohnungen die lästigste Angelegenheit in Geschichte und Gegenwart der Logie. Ihre Wände, zur Gänze aus Pappkarton gebaut, sind nicht selten die grössten Zeugen architektonischer Fehltritte. In der oberen Wohnung werden die Sessel immer wieder von neuem zurecht gerückt, der Wasserhahn krächzt, es poltert und schlägt durch sämtliche Stockwerke hindurch.Fröhliche Leute sind das, sie lachen und Schwatzen bis weit in die Nacht hinein. Schritte tapsen über den Fussboden, und krach, da scheppert das Klappbett (?) runter.Endlich, die Schritte haben aufgehört. Was nun ?Bald sickert ein theatralisches, aber durchaus schön gesungenes Stöhnen weiblicher Stimmbänder durch die Wände: Der Lustakt kann beginnen. Uh, ah, uh, ah, uh ah; eine halbe Arie lustvollen Gesangs klettert die Stockwerke rauf und runter. Die Herrschaften haben Ausdauer, da helfen nur noch Ohrenstöpsel.

Gute Nacht !

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