Gran Torino
Christina Ruloff - Dirty Harry in der Neighbourhood: Clint Eastwood schafft eine Parabel über Rassismus, Einsamkeit, Schuld und Sühne – einfach gestrickt, absehbar, aber wie immer enorm wirksam und unterhaltsam.Walt Kowalski ist nicht die Art von Nachbar, die man sich wünschen würde. Der pens...
Walt Kowalski ist nicht die Art von Nachbar, die man sich wünschen würde. Der pensionierte Korea-Veteran und Fabrikarbeiter, der sein ganzes Leben in der Ford Fabrik am Laufband gearbeitet hat, sitzt üblicherweise auf der Veranda, trinkt Bier und missbilligt seine Umwelt. Wenn ihm etwas besonders gegen Strich geht – was ziemlich häufig der Fall ist – zieht er seine Mundwinkel auseinander und knurrt, spuckt oder flucht. Mr. Kowalski (denn so möchte er genannt werden, nichts wäre abstossender als falsche Intimität) legt dabei keinen Wert auf Etikette, Anstand oder gar political correctness. Der katholische Priester ist eine „overeducated 27-year-old virgin“, seine Nachbarn „chinks“, „negros“ und in jedem Fall „pussies“. Als der Hmong-Junge und Nachbar Thao von einer Gang verprügelt wird und die Schlägerei zwischenzeitlich sogar auf Kowalskis Rasen (gepflegt und gemäht, versteht sich) stattfindet, greift er zum Gewehr und steht plötzlich mitten im Leben dieser fremden Menschen – nur um herauszufinden, dass sie gar nicht so anders sind, sondern ihm eigentlich näher sind als seine eigenen Kinder (die ihn gerne in ein „wundervolles Altenheim“ stecken würden). Da öffnet sich der Mensch Kowalski und ergreift die wahrscheinlich letzte Chance, doch noch etwas in seinem Leben „in Ordnung“ zu bringen.
Das Land geht den Bach runter, doch Dirty Harry Clint Eastwood hält die Moral hoch - auch hier in Gran Torino
Clint Eastwood erzählt mit Gran Torino wie so oft ein didaktisches Lehrstück, verpackt in einer einfachen Geschichte um Rassismus, Einsamkeit, Freundschaft und Verantwortung, aber eben auch um Schuld und Sühne. Er spielt – grossartig wie immer – den stillen, bärbeissigen und weisen Alten, der seine Probleme in sich hineingefressen hat, und sich dann später seinen Mitmenschen nähert und am Ende das einzig Richtige tut. Hier hilft er in bester Filmtradition dem unterdrückten Nachbarsjungen als Vaterfigur (!) und lehrt ihn Selbstwert und Respekt. Weil bei Eastwood aber alles immer seinen Preis hat und auf eine Moral zusteuert, kommt es zur klischeehaften und tränenrührigen Katastrophe, in der Dirty Harry seiner Knarre abschwört, zur Beichte geht und zum Märtyrer avanciert. Das ist wieder einmal viel zu viel des Guten, es ist aber auch viel gradliniger und ehrlicher als die meisten sogenannt anspruchsvollen Filme der Oscarsaison, die sich mit geschichtsträchtigem Tiefgang zu bekleckern suchen.
Die "Dragon Lady" bringt Kowalski die Hmong näher - und zeigt, dass alle Menschen gleich sind.
Gaudi und Auflockerung bietet Eastwood in seiner Rolle als übertrieben störrischer Rassist, der Anstoss erregt, sobald er nur einen Menschen erspäht oder den Mund öffnet. Hier hat er in seinem bierernsten Drama alle Lacher und Sympathien auf seiner Seite – der Rest ist solides und wirksames Drama.
Bewertung: 3.5 von 5
- Titel: Gran Torino
- Regie: Clint Eastwood
- Darsteller: Clint Eastwood, Christopher Carley, Bee Vang, Ahney Her
- Verleih: Warner Bros.
- Release: 5. März 2009