The Tale of Despereaux
Christina Ruloff - Angst ist lernbar! The Tale of Despereaux ist weniger ein Kinderfilm als eine gelungene Parabel über das Leben, manchmal altbacken moralisch, manchmal genial entlarvend, alles in allem aber amüsant und sehr sehenswert.Mäuse fürchten sich: Vor Menschen, vor Ratten, vor der So...
Mäuse fürchten sich: Vor Menschen, vor Ratten, vor der Sonne, vor der Aussenwelt, vor dem Tranchiermesser, vor Büchern, vor Mäusefallen – vor allem. Das war nicht immer so, wie das Beispiel von Despereaux Tilling zeigt: Angst ist nämlich lernbar. Sie wird den kleinen Mäusen in der Schule anerzogen, genauso wie Unbildung und Appetitlosigkeit. Und wer nicht artig lernt, dem gehen die Lehrer, die Eltern und später sogar der Mäuserat an den Kragen. Weil Despereaux einfach nicht wie alle anderen sein will, sondern Spass am Leben hat, zeigen ihn die eigenen Eltern bei der Obrigkeit an, aus Angst vor grausamen Konsequenzen. Sie hoffen, durch elterliches Flehen und Betteln die obersten Mäuse mit Zwicker und Gehstock umstimmen zu können. Vergeblich. Despereaux wird zum Tod verurteilt und in die Rattenwelt verbannt...
"Lerne dich zu fürchten!" Die Gefahren des Mäuselebens lauern überall...
The Tale of Despereaux wird als Kinderfilm beworben. Er handelt von einer süssen, kleinen Maus und einer herzergreifenden Ratte, die zusammen die schöne Prinzessin retten und erst noch moralisch wertvolle Lektionen lernen: Liebe, Reue, Vergebung werden da vermittelt. Das ist alles gut und recht und natürlich nur die halbe Wahrheit, aber dafür gibt es ja PR und Marketing. Man könnte schlechterdings der Welt verkünden, dass man einen animierten Film mit einer Maus gemacht hat, der einerseits mit einer hochmoralischen und belehrenden Erzählerstimme schöne Wahrheiten verkündet, während er andererseits verschiedene Diktaturen, ihre Funktionsweisen und ihre Propaganda aufzeigt. Das Mäusereich gleicht einer verdeckten Wohlstandsdiktatur, die mit psychologischem Terror und Gehirnwäsche arbeitet, während das Rattenregime offen totalitär sein Volk mit Brot und Spielen in Schach hält. Während die menschliche Ratte Roscuro an den Enttäuschungen eines Rattenlebens langsam zerbricht und einen Groll hegt, überragt die übermenschliche Maus Despereaux alles mit einem unerschütterlichen Glauben an das Gute und an sich selbst.
Eine Ratte ist auch nur ein Mensch, aber eben ein Mensch dritter Klasse...
Am Ende kommt es zu obligaten und unrealistischen Happy Ending, aber bis dahin ist dermassen viel reales und unerfreuliches Leben ins Märchenland Dor eingekehrt, dass man sich fragt, was gereizte Eltern mit ihren naiven Siebenjährigen in diesem Film verloren und verstanden haben. Die Antwortet lautet: „Nichts!“ Aber das ist eine Grundkrankheit der modernen, animierten „Kinderfilme“. Sie überfordern ihr vermeintliches Zielpublikum und kaschieren ihre Inhalte dank knuddeliger Plüschtiere. Wenn Universal den Film tatsächlich mit den (wahrscheinlich) göttlichen Originalstimmen (Dustin Hoffman als Roscuro, Kevin Kline als Meisterkoch André, Ciaran Hinds als Superdiktator) zeigen würde, dann hätten Kinder hier überhaupt nichts mehr verloren. So haben alle Erwachsenen einen dreidimensionalen Vorwand, sich The Tale of Despereaux anzuschauen. Und das sollten sie tun, es lohnt sich nämlich!
Bewertung: 4 von 5
- Titel: The Tale of Despereaux
- Land: USA
- Regie: Sam Fell, Robert Stevenhagen
- Nach einem Buch von: Kate DiCamillo
- Verleih: Universal
- Release: 19. März