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24. März 2009, 00:00 Kultur

Watch And Hope

Martin Schmidheiny - In 'Watchmen' wird Richard Nixon inmitten nationaler Hysterie um einen nuklearen Winter zu einem dritten US Präsidentengang gewählt, und den kostümierten Helden der letzten Generation ist klargemacht worden, dass ihre Dienste nicht mehr erwünscht sind. Alan Moore ist ein Lese...

In 'Watchmen' wird Richard Nixon inmitten nationaler Hysterie um einen nuklearen Winter zu einem dritten US Präsidentengang gewählt, und den kostümierten Helden der letzten Generation ist klargemacht worden, dass ihre Dienste nicht mehr erwünscht sind. Alan Moore ist ein Lesebanderzähler ohnegleichen, weil er die Welt dieser und anderer Geschichten so erbarmungs- und kompromisslos gestaltet. Man muss bodenlose Geschichten doch wirklich hassen. Sie machen keinen Sinn, die Protagonisten schwimmen leer. Politik, vor allem in den USA, machte die längste Zeit keinen Sinn für mich, ebensowenig wie sie in dieser Erzählung Sinn macht (wobei sich ja darum die ganze Geschichte dreht).

Ich kann nicht der Einzige sein, dem diese ausserordentliche Geschichte zu einigen politischen Einsichten über den Jahren hinweg verhalf. Es gibt ohne Frage höhere Ebenen sozial-politischer Kritik, aber wohl keine tiefgründigere. Denn im Rahmen von Superhelden und Komikbücher macht amerikanische Politik erheblich mehr Sinn, indem sie unseren eingesessenen Eigensinn deutlich widerspiegeln. (Ja, ja, Alan Moore ist Engländer. Klappe, darum geht es nicht). Es geht auch nicht darum, dass nicht alle Amerikaner Komikbücher lesen oder vom furchterregenden Gestank faschistischer Regierungsklauseln keinen Schlaf kennen.

Schaut her, unsere nationale Besinnung unter einem zwei-Parteien System spiegelt eben wider, wie wichtig für uns Archetypen sind und bleiben. Wir sind nur so stark wie wir uns selber in unserer Führung vertreten sehen. Das gilt sowohl für den Staat als auch unzählige soziale Gruppen die uns als Nation definieren. Deshalb war die letzte Dekade eine solch peinliche Demütigung, entmannend wie nur Hilfslosigkeit sein kann. Wir waren unwillige Teilzeit-Schaufler eines globalen Dreckshaufens, egal wie positiv man die Welt zu beeinflussen versuchte.

Es ist durchaus frustrierend. Aber wir haben immer Helden die das Nötige, Richtige begreifen und ins Werk setzen. Wir müssen es verkörpert sehen, müssen es reden hören. Bis es jemand in die Hand nimmt bleibt es eine munkelnde Schattierung und vor lauter anderer Sorgen können wir nicht zuhören.
Unsere Helden machen das Unmögliche möglich und deshalb hassen wir diejenigen, die im Lande selber unsere Helden zerstören und hindern und ausserhalb vom Lande diejenigen, die sie verachten oder verhöhnen. Wir sind immer stolz darauf wie weit wir gekommen sind, und schämen uns stetig dafür, was wir noch nicht erreichen können. Ich denke, dass diese Mentalität nicht so schwer zu begreifen ist. Wir hatten halt von Beginn an einen unmöglichen Traum. Und nun, im modernen Alter, haben wir eine unmögliche Frage: "Wie rettet man eine Welt die sich einen Scheissdreck um sich selber kümmert? Wieso jemandem helfen, den ich bis ins Tiefste hasse?"Ehrlich gesagt brauchen wir Helden am meisten, um uns vor uns selbst zu schützen, vor unserer Apathie, unser abgelenktes Potenzial diese Fragen zu beantworten. Die besten Helden machen klar, das wir nicht nutzlos sind. Deshalb, Leser, deshalb ist Barack Obama so wichtig.

Nationale Mythologien entwickeln sich weiterhin, das muss man verstehen, sie sind zu jeder Zeit die Kulmination der sozialen Errinerung. Wir lieben gute Geschichten, würden sogar dafür sterben. In den USA preisen wir diese Mythologie bis ins Knochenmark. Gut oder Übel, es ist eine formidable Überzeugungskraft. Wir sind eben politisch bereit, unseren Helden zu folgen und zu unterstützen. Mag sein, dass dieses Land an einem manichäischen Ruf leidet, aber dass wir ein paar der besten Helden aller Zeiten beanspruchen können, lässt sich kaum bestreiten. Batman. Jimi Hendrix. Martin Luther King, Jr. Jackson Pollock. George Carlin. Gandhi, verdammt, den hätten natürlich alle gern, aber immerhin. Die kulturelle Macht solcher Figuren verewigt sich im Bewusstsein ihrer Nachfolger. Nicht als Partei, nicht als Rhetorik, nicht als Referendum, sondern als Teil dessen was sie als Individuen bestimmt. Unsere unpolitische Komikheldenmentalität bestimmt, wie wir die Landespolitik bewerten.Sobald sie verschwinden, diese Helden, fällt vieles auseindander. Präsident Obama rackelt mit einem monströsem Wirtschafts-Hydra und schlimmer noch die Apathie derer die es erzogen haben, ein moderner Herakles. Was ihn zum wahren Helden macht ist eben, dass er genau weiss, was wir brauchen, um uns selbst zu helfen.

Ausserdem sammelt er Spider-Man.http://www.shallownation.com/2009/01/09/barack-obama-spider-man-comic/

PS Übrigens hat auch Michelle Obama ein eigenes Heft http://www.chicagotribune.com/news/chi-talk_michelle_obamamar14,0,2779211.story. Habs doch gesagt.

Bild 'Who Is Watching?' ©2008 Warren Hart http://www.redbubble.com/people/famousdeath

Martin ist CH/USA Doppelbürger, absolvierte das Gymnasium in ZH und arbeitet nun als Archäologe in Boston, MA. Er hätte gerne Kiemen, eine zweite Katze und eine unzerbrochene Whiskyflasche.

Kommentare
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smithhenry 21.04.2009 um 19:11
Nein, dass denke ich nicht, obwohl ich in diesem Sinne nicht von einer US Spezialität reden würde. Ein erheblicher Faktor in diesem Argument ist eben die Tatsache, dass eine repräsentative Regierungsform sich genau deshalb vom nationalem Mythos distanziert WEIL sie äussert fragmentierte und gegenläufige Meinungen beinhaltet und nicht einen resonanten Puls suchen muss. Mit Mythos meint man nämlich sicherlich nicht Assoziationen, Stereotypen und gegenwärtige Argumente für Fortschritt. Vielleicht bin ich ein schlechter Schweizer aber der heutige Bundesrat bringt mein Herzblut nicht zum kochen. Der einen oder anderen Partei beizustimmen hat in der Schweiz (so schätze ich) verhältnismässig wenig mit persönlicher Adoration zu tun.

Aber verstehe, wir reden hier von einem Land, in dem ich mit 16 mehr als Kellner verdiente als mit 27 heute als Archäologe. Darum geht es mir vorerst mal nicht um einen Vergleich, sondern einfach als Observation.