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27. März 2009, 11:29 Music Interview

Samy Deluxe im Gespräch über Gott und die Welt

Daniela Marenah - Du beschreibst auf deiner neuen Platte Deutschland einmal mehr als das totale Albtraumland. Und du sagst auch heute noch, du fühlst dich noch immer fremd im eigenen Land. Aber: Dis Wo Du Herkommst. Also hast du die Balance gefunden zwischen dem Albtraum und dem Positiven für di...

Du beschreibst auf deiner neuen Platte Deutschland einmal mehr als das totale Albtraumland. Und du sagst auch heute noch, du fühlst dich noch immer fremd im eigenen Land. Aber: Dis Wo Du Herkommst. Also hast du die Balance gefunden zwischen dem Albtraum und dem Positiven für dich? Und die andere Frage, die damit verknüpft ist: Wie würdest du das Wort Heimat für dich definieren oder was bedeutet es für dich, zu Hause zu sein?

Ja, das hängt ja beides auch miteinander zusammen. Ich hab eben sehr viel Zeit im Ausland verbracht. In den Jahren zwischen dem ersten Album und jetzt hab ich sehr viel Zeit in Amerika verbracht und habe gerade auch im Ausland bemerkt, dass sie mich da ja auch als Deutsch sehen und ich mich auch irgendwie mehr als Deutscher fühle. Weil in Deutschland, wenn Leute mich fragen, wo ich her komm birgt dies auch immer so dieses Rechtfertigungsding so, wenn ich sage: "Ich komm aus Hamburg, denn dort bin ich geboren". Aber die Leute wollen ja nicht hören, dass ich aus Hamburg komm. Die wollen wissen, mein Vater der kommt aus Bla, deshalb ist meine Haut so braun und das ist mir im Ausland gar nicht so passiert. Die Leute fragen: „Wo kommst du her? “, „aus Deutschland“. In erster Linie kommt dann immer so: "Ach, ich war auch in Deutschland" oder "ich mag Deutschland" oder "ich mag Deutschland nicht". So dass man sich erst mal nur als Deutscher fühlt und später kommt dann vielleicht schon: „Aber deine Eltern müssen aber wo anders herkommen“ oder so. Aber in Amerika ist es ja auch normal da irgendwie schwarz zu sein und gleichzeitig Amerikaner. Das sind schon so ein paar Unterschiede. Und deshalb habe ich schon in gewisser Weise ne Balance gefunden und mir so ein Konzept gemacht. Das Grundding ist mal zu sagen: Ok, ich hab mit 21 ja Deutschland als Albtraum beschrieben. Das war mein grösster Hit. Jetzt bin ich 31, bin immer noch hier; ich hatte genug Geld und auch genug Möglichkeiten wegzugehn. Aber bin noch hier und will auch hier sein. Ich hab auch einen Verein gegründet, tu viel für die Hip Hop- Szene, hab seit Jahren n Label. Hab da wirklich viel Zeit und Schweiss investiert und das Gleiche mach ich auch im Bezug auf Jugendarbeit. Irgendwas scheint mir ja an dem Land zu liegen, sonst würd ich ja gar nicht so viel dafür machen. Der Aufhänger ist nun das positive Statement über Deutschland aber auch detailliert genug, dass natürlich auch viele Facetten auftauchen, die ich nicht cool finde, weisst du? Das ganze Album ist dann echt so n Bisschen ein Hin und Her, n schwankendes Verhältnis und ich hab ja auch noch ein Buch dazu geschrieben, das drei Monate später kommt. Das auch Dis Wo Ich Herkomm heisst und das richtig so offiziell im Rowohlt- Verlag rauskommt und wo ich noch mehr so in jedem Kapitel den Bogen zu Deutschland hinkriegen konnte. Also das Buch basiert komplett auf den Songs vom Album. Es sind sogar noch zwei, drei Kapitel mehr drin, in denen ich mein Aufwachsen in Deutschland thematisiere. Ich kann’s nicht so objektiv sehen. Wenn man die guten und die schlechten Dinge aufschreiben würde; ich weiss gar nicht, ob dabei unterm Strich raus kommt: Deutschland ist ein gutes Land oder ein schlechtes! Aber es kommt auf jeden Fall dabei raus, wenn man eh schon an nem Ort lebt und da wahrscheinlich die nächsten Jahre nicht weg kommt, ist es cooler, was konstruktiv zu bemängeln und daran zu arbeiten, anstatt einfach nur pauschal zu sagen: Alles ist scheisse! Weisst du, das ist in Deutschland echt so n Trendsport: Deutschland- Bashing! Weisste, so? Und dann wiederum gibt es Phasen, wenn mal wieder EM ist oder WM, wie vor drei Jahren; wenn dann alle, weil sie das ja sonst nie dürfen, so „geil wir Deutschen!“ jubeln. Da wird dann Deutschland auch international wieder gefeiert. Ist ja auch wichtig für ein Land sich mal ab und zu feiern zu dürfen. Aber eben nicht so auf dumm und ich wollte eben mal für mich definieren, was ich an Deutschland mag und was nicht und damit hoffentlich eine Debatte auslösen und lange am Leben halten. Damit Leute sich Gedanken machen, was SIE an Deutschland mögen. So was wie Weck Mich Auf wird ja mittlerweile auch im Geschichts- und Deutschunterricht an Schulen durchgenommen und ich find, es wär viel cooler, wenn die Dis Wo Ich Herkomm durchnehmen würden, weil das ein konstruktiverer Ansatz ist, ein erwachsenerer Ansatz. Aber trotzdem bin ich, glaub ich, so ne Art Erwachsener, den die Jugendlichen noch ein wenig besser fühlen können. Ich bin irgendwie so etwas dazwischen, weil ich viel begriffen hab aber nicht alles so umsetze (lacht). Das macht mich ein bisschen jugendlich.

So vernünftig ist dann wohl keiner, auch du nicht. Im Track Deshalb sagst du, du hättest „Gott noch nicht gefunden aber vom Teufel genug“. Auch beim Vatertag wird Gott explizit thematisiert. Kannst du das vielleicht ein wenig kommentieren? Hast du das Bedürfnis danach zu suchen?

Neenee. Für mich war das so: Ich bin eben komplett ohne Religion aufgewachsen; hab irgendwann meinen Vater dann besucht, wie ich auch in dem Vatertag- Lied erzähl, war drei Wochen da und hab da erstmals in meinem Leben als Teenager erfahren, was Religion überhaupt bedeuten kann so. Für mich war das echt immer nur ein Fach in der Schule. Etwas das in meiner Familie nicht praktiziert wurde und auch bei meinen Freunden nicht grossartig. Ab und zu musste man zu Weihnachten in der Küche Adventslieder singen. Aber was sollte ich mit der Kirche, mit diesem komischen blutenden Jesus an der Wand? Das war für mich keine positive Assoziation. Im Sudan habe ich gemerkt, wie positiv Religion sein kann. Wie sie die Leute zusammenhalten kann, hat mich voll beeindruckt. Es war schön, wenn ich die ganzen Leute zusammen hab beten sehn. Alles was Leute sich hier in Europa so über islamische Gesellschaften erzählen, hab ich dort überhaupt nicht empfunden. Es war echt ein harmonisches Zusammenleben zwischen Menschen und sehr viel Respekt. Keine Schimpfwörter, weisst du? Wirklich krass, was Religion ja auch positiv bewirken kann. Danach wider in Deutschland, hab ich trotzdem gemerkt: Ok, das kann ich jetzt trotzdem für mich nicht so adaptieren auf Deutschland. Ich hab, glaub ich, in Hip Hop so ne Art Religion gefunden. Wenn ich über Gott und den Teufel rede, hab ich auch nicht dieses Bild im Kopf vom weissen alten Mann mit weissen Haaren und der Teufel ist bestimmt auch nicht rot mit Hörnern. Gerade wenn ich sage: „Gott noch nicht gefunden aber vom Teufel genug“, sag ich danach ja konkret, was ich damit meine. Man gibt sich den negativen Sachen so leicht hin, weil sie manchmal so attraktiv sind. Gerade wenn du in der Öffentlichkeit stehst: Irgendwelche Frauen oder so und du hast aber gerade eine Freundin und machst trotzdem irgendwelche Scheisse. Das ist schon für mich so der Teufel, das Schlechte im Menschen. Du denkst für den Moment, es sei gut aber danach fühlst du dich auf jeden Fall scheisse. Du hast ja jemand anders wehgetan oder dir selbst auch wehgetan, weil du die Person liebst. Bei Vatertag wollte ich auch mal thematisieren, dass Viele Religion wohl so praktizieren wie ich. Wenn irgendwas scheisse ist, dann fängt man an zu beten und auf irgend ne höhere Macht zu hoffen; immer wenn alles gut ist, bezieht man es auf sich selbst und sagt nie: Oh danke Gott, dass grade alles cool ist und dass ich die letzten zwei Wochen mal keinen Stress in meinem Leben hatte. Sondern das nimmt man immer für selbstverständlich aber wenn’s scheisse wird, dann sucht man immer nach jemand anders.

Heute wird die besprochene Platte Dis Wo Ich Herkomm veröffentlicht und nächste Woche folgt ein weiterer Ausschnitt aus dem Interview: Samy äussert sich zum Thema Rassismus und zu anstehenden Projekten.

zu Teil 2: Interview mit Samy Deluxe Teil 1

Mehr Infos auf

www.samy-deluxe.de

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