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30. März 2009, 13:09 Music Interview

Samy Deluxe im Gespräch über das Erwachsenwerden, Schwarz-Weiss-Denken und darüber wo er her kommt (Teil 2)

Daniela Marenah - Teil 1: Interview mit Samy DeluxeDie nächste Frage geht in eine ähnliche Richtung. Bei Wir Sind Keine Kinder Mehr kommt folgende Zeile vor: „Es ist ein harter Weg, wenn man versucht seinen Sinn im Leben zu finden und ihn nicht findet“. Nun hast du mir vorhin gesagt, für di...

Teil 1: Interview mit Samy Deluxe

Die nächste Frage geht in eine ähnliche Richtung. Bei Wir Sind Keine Kinder Mehr kommt folgende Zeile vor: „Es ist ein harter Weg, wenn man versucht seinen Sinn im Leben zu finden und ihn nicht findet“. Nun hast du mir vorhin gesagt, für dich sei quasi Hip Hop deine Religion. Ist das auch der Sinn deines Lebens oder bist du immer noch Suchender?

Nee. Also gerade den Song hab ich ja fast mehr für andere Leute geschrieben als für mich selber. Sachen wie dieses Blick Nach Vorn und Sowieso Schwer hab ich tatsächlich für mich geschrieben aber Kinder ist echt so n Song wo ich über viele andere Leute rede aus meinem Umfeld oder ehemaligen Umfeld. Oder Leute die ich kenn, die ungefähr aus meiner Generation sind; so um die 30 rum, die zwar von aussen scheinbar aus der gleichen Situation wie ich entsprungen sind, denen eine Jugendkultur damals eine Perspektive gegeben hat aber diese Jugendkultur hat denen teilweise keine Karriere gegeben, weisst du? Genauso wie es dazu gehört, als Mensch einen Traum zu haben, genauso gehört es für einen erwachsenen Mann dazu, wenn sich der Traum nach so und so viel Jahren nicht erfüllt, auch davon loszulassen und irgendwie zu checken, dass man sein Leben anders organisiert kriegt, weil ich finde, diese ganze Hip Hop- Generation und vielleicht ist das auch in der Punk- Generation davor so gewesen und wird jetzt in der Emo- Generation so sein (grinst), dass Leute so hart anti- Establishment sind, dass alles andere der Feind ist. Weisste, wir sind alle cool und was wir machen, ist alles richtig aber die da oben machen’s uns schwer; das sind immer so anonyme Leute, die man nie beim Namen nennt: Die Reichen, die Politiker, so. Und das man eigentlich immer so erwartet, dass die mal einen Schritt auf einem zukommen. Und mein Leben ist eigentlich besser geworden in dem Moment, wo ich gesehen habe: Fuck it, ich kann diese ganzen Leute doch auch nutzen, weisst du? Statt mich instrumentalisieren zu lassen, versuche ich lieber mir ein paar Politikern ins Boot zu holen um mehr Macht und Möglichkeiten für meinen Verein zu haben und das auf eine erwachsene Art zu regeln. Diplomatie ist für mich auf jeden Fall immer schlauer, als diese Abgrenzung. Wir Sind Keine Kinder Mehr beschreibt die traurige Situation, der Leute, die eben nicht den Absprung geschafft haben und jetzt so mit 30 noch sind, wie wir mit kurz vor 20 waren. Da war das cool in den Tag hinein zu leben; Hauptsache ich habe jeden Tag genug, um mir einen Döner und ein bisschen Gras zu kaufen. Aber das ist mit 30 nicht mehr befriedigend.

Was mir insgesamt aufgefallen ist beim Hören des neuen Albums ist, dass du zwar immer noch sehr selbstbewusst daher kommst, aber es machen sich auch einige Selbstzweifel bemerkbar. Vor allem auf meinem persönlichen Lieblingssong Wer Ich Bin beschreibst du deine Situation so, dass du immer zwischen den Stühlen sitzt. Wie kam dieser Wandel zu stande, dass du jetzt gar nicht mehr so das Bedürfnis hast, einen Battle- oder Diss- Track nach dem anderen zu schreiben, sondern eher in eine konstruktive Richtung gegangen bist?

Das Erwachsenwerden beinhaltet ja viele Sachen, wie zum Beispiel einen Sohn haben, der jetzt meine Texte versteht. Ich weiss: Der hört mir wirklich zu. Auch detailliert. Alleine deshalb könne ich manche Sachen, die ich vor ein paar Jahren gesagt hab, nie mehr über die Lippen bringen. Ausser jetzt als Beispiel: So Motherfucker in Mutterficker zu übersetzten, das wär für mich so das Abstrakteste der Welt. Es gibt einfach Sachen, die kann ich als erwachsener Mann nicht mehr machen. Und manche Sachen, die kann ich noch machen: Ich kann immer noch weite Hosen tragen und meine Shirts sind schon von sieben- XL auf XL geschrumpft. Aber ich muss weite Hosen tragen, weil ich mag einfach keine engen. Aber manche Sachen kann ich einfach nicht mehr machen. Deshalb kommen dann auch Bekenntnisse daher, die früher nicht kamen: Dass man auch einmal Schwächen eingesteht. Je erwachsener man wird, merkt man eigentlich: Das ist eigentlich ne Stärke. Sich immer brüsten mit etwas, das man gerne wäre, das ist ne Schwäche und ich glaube, ich hab jetzt mal beides einmal durchexerziert und bei diesem Wer Ich Bin- Track, das kommt bei der Frageform und diesem ganzen Aufgezähle „zu weiss für die Schwarzen und zu schwarz für die Weissen“ etc. zwar nicht deutlich rüber, aber man kann ja auch sehen, was ich daraus gezogen habe, wenn man mich trifft. Ich bin ja jetzt nicht so drauf, dass ich mich frage: Bin ich jetzt zu schwarz für dich? Sondern ich weiss, dass ich dadurch, dass ich zwischen den Dingen stehe, auch vermitteln kann. Ich kann über viele Sachen jetzt reden, weil ich beide Perspektiven hab. Ich finde, jetzt kann ich mir viele von meinen Nachteilen quasi zum Vorteil machen und dadurch auch mit mehreren Leuten kommunizieren, weisst du? Wenn’s um diese Migrations- und Integrationsproblematiken geht, kann ich Deutsche ja auch nachvollziehen. Ich versteh aber auch die Ausländer. So n paar Leute wie mich sollte es mehr geben, die so ein bisschen diplomatisch sind und nicht nur eine Seite vertreten können. Selbst wenn ich in einer Diskussionsrunde die Seite der Ausländer vertreten würde und dann aber ein Deutscher was Cooles sagt, kann ich auch sagen: Ja stimmt. Und das ist auch wichtig, dass Ausländer das und das machen, damit sie von Deutschen nicht so gesehen werden. Ich bin so das lebende Beispiel für gelungene Integration: Ein Deutscher der sich gut ausdrücken kann aber nicht alles bejaht, sondern sich kritisch damit auseinandersetzt.

Zurück zum andern Track: Wir Sind Keine Kinder Mehr. Xavier Naidoo ist darauf zu hören. Ich hab mich dadurch erinnert an das Brothers Keepers- Projekt. Was ist da eigentlich los? Gibt’s das noch?

Ja, das gibt’s als eingetragenen Verein noch. Ich bin da seit Jahren nicht mehr so aktiv, ehrlich gesagt. Es war für mich langfristig auch nicht die richtige Plattform für soziales Engagement. Ich hab mich ein bisschen eingeengt gefühlt in so ner Gruppe wo der einzige gemeinsame Nenner die Hautfarbe ist. Ich seh mich schon so als braunen Mann, als schwarzen Mann, manchmal nenn ich mich halbschwarz, manchmal schwarz und bei Superheld sag ich „Superheld mit brauner Haut“. Ich kann mich da nicht so eindeutig positionieren, weil ich nicht so aufgewachsen bin. Bei mir zu Hause war nicht dieses Selbstverständnis. Ich musste mir das lange erkämpfen und habe auch gemerkt: Genauso wie ich mich zum Teil zu schwarzen Leuten hingezogen fühle, genauso möchte ich mich aber nicht nur darüber definieren. Was ich auch gemerkt habe in Deutschland ist, dass diese Brothers Keepers- Sache und andere rein schwarze Projekte bei den Leuten wirklich Angst hervorrufen. Die haben wirklich Angst vorm schwarzen Mann, wie es bei diesem Lied heisst „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“ und das ist wirklich so. Sobald zehn schwarze Leute zusammen sind, fragen die: Warum ist denn da kein Weisser in der Gruppe? Aber bei den Randfichten wollte auch niemand n Schwarzen drin sehn. Selbst bei der deutschen Nationalelf, wo eigentlich im Kader immer ein bis zwei Schwarze sind, sind nur die elf Weissen aufm Feld und keiner sagt je: Der Schwarze müsste jetzt aber mal spielen, weisst du? Aber sobald zehn Schwarze was zusammen machen, sagen die Leute: Eh, da fehlt jetzt aber der Weisse! Oder: Nehmt doch mal nen Türken dazu, dann ist’s jedenfalls multikulti und so. Und deshalb hab ich für mich gesehen, dass das Land noch nicht bereit ist und wenn ich persönlich an das Wohl von dunkelhäutigen Menschen denke, macht es mehr Sinn als Einzelpeson etwas Positives zu verkörpern. Ich kann so einfach ein besseres Beispiel sein für andere Leute. In dieser Gruppe schwingen einfach zu viele negative Sachen mit. Innerhalb der Gruppe sowieso, weil sich auch dort Leute nicht einig sind. Es ist mir damals jedenfalls so vorgekommen bei diesem Musikkonstrukt. Aber alles was die als Verein machen, würde ich auf jeden Fall unterstützen, wenn mal wieder ne konkrete Anfrage käme. Und ich hab denen immer gesagt: Ich mach gerne diese Schultouren. Wir haben damals so ne Schultour durch die neuen Bundesländer gemacht, wo es gar nicht um Musik ging, sondern ums Gespräch mit den Kindern. So was würd ich immer gerne machen aber ich mach nicht mit Leuten Musik, nur weil sie die gleiche Hautfarbe haben; dieser Brothers Keepers- Track ist auch mit Abstand der schlechteste Track auf dem ich je war. Ich find den Beat einigermassen cool, ich find auch Xaviers Solo einigermassen cool aber ich find 90% der Rapper auf diesem Track scheisse. Das war echt ne Ausnahme. Sonst hab ich immer mit Rappern Lieder gemacht von denen ich dachte, es sind geile Rapper. Bei dieser Sache dachte ich erst: Cool, es sind paar Brüder. Aber es waren eben auch nicht alles Brüder.

Hättest du zum Schluss noch irgendetwas, das du selbst noch gerne loswerden möchtest?

Also für mich ist dieses ganze Jahr auf jeden Fall das Dis Wo Ich Herkomm- Jahr. Als erstes kommt die Platte, dann dieses Buch, dann kriege ich ein eigenes TV- Format: Sone Reise die ich mit Jugendlichen durch Deutschland mache um die deutsche Kultur zu erkunden. Beide Seiten: Was ist die original- deutsche Kultur und kann man Jugendliche noch dafür begeistern und auf der anderen Seite zu gucken, was ist eigentlich die Kultur der jungen Leute inklusive mir. Da hab ich ein Konzept entwickelt, dass jetzt vom ZDF- Info begleitet wird und auch im ZDF Hauptkanal gibt’s dann so ne Zusammenfassung noch. Fünf Teile auf ZDF- Info und dann noch eine einmalige Talkshow. Das ist dann so im September vor den Bundestagswahlen. Jetzt im Mai erst mal die Dis Wo Ich Herkomm- Tour. So ne kleine Tour durch Deutschland wo es erst mal darum geht, Samy mit Band vorzustellen. Dann im Sommer natürlich viele Festivals und auch Lesereisen, denn ich will das Buch natürlich auch so in dem Rahmen promoten, wie man ein Buch promotet: Mit Lesungen und hoffentlich auch vielen Diskussionsrunden. Einfach viel über dieses Thema reden. Dann plan ich im Herbst, so im September die Dis Wo Ich Hinkomm- Tour: Das ist dann meine grosse Tour wo ich wirklich versuchen werde, flächendeckend Deutschland, Österreich. Schweiz zu bereisen. Wo ich dann auch mehr so aktionsmässig mir überlegt habe, dass ich rechtzeitig einen Aufruf starte, wo mir meine Fans und Leute die sonst auf mich aufmerksam werden durch die Medien, checken können, wo ich auf Tour hin komm und wenn ich in deren Stadt komm, können die mich über ne bestimmte E-Mail- Adresse mit Informationen versorgen, was an deren Stadt cool oder scheisse oder was erwähnenswert ist. Ich seh mich dann quasi so als Botschafter für diese Städte und dann will ich tagsüber an irgendeinem öffentlichen Ort eine Aktion starten und die Anliegen des Volkes vortragen (grinst). Dem Volk einfach zeigen: Wir haben ja genug Sprachrohre. Wir haben Künstler, Schauspieler, Maler, Musiker und Radiomoderatoren aber die reden 99% der Zeit nur Scheisse. Es geht alles nur um Entertainment und Entertainment ist so langweilig geworden, weil’s nur darum geht: Wer hatte was mit wem letzte Woche und diese fünf, sechs Stars. Weisste, ist mir scheissegal inzwischen, was Paris Hilton macht. Ich will lieber wissen, was mit dem Jugendheim hier um die Ecke ist, das zu machen wird. Und wies den Kids da geht, die jetzt auf der Strasse rumhängen. So was ist wichtig und ich hab da einfach Bock drauf. Ich will meine Internetseite (www.samy-deluxe.de) auch noch mehr nutzen, um so kleine Kurzfilme zu machen über Hamburg, um mir noch mehr Gedanken darüber zu machen wo ich her komm und diesen Aktivismus auch bei anderen zu fördern.

Die Zeit läuft uns davon. Wir sind am Ende angelangt. Ich bedanke mich.

Ja, ich mich auch.

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