Preview: Vorstellungen und Instinkte @ Schiffbau
Robert Salzer - Das Schauspielhaus zeigt eine Uraufführung des Schweizer Autors Reto Finger. students.ch sprach mit Dramaturg Andreas Erdmann.Vorstellungen und Instinkte handelt von einer Generation von Menschen, die um das Jahr 1968 herum junge Erwachsene waren und greift ein exemplarisches Sc...
Vorstellungen und Instinkte handelt von einer Generation von Menschen, die um das Jahr 1968 herum junge Erwachsene waren und greift ein exemplarisches Schicksal der Angehörigen dieser Generation heraus anhand von zwei Hauptfiguren, die im Zentrum stehen. Anna und Hans sind am Anfang des Stückes ein Ehepaar und erwarten gerade ihr zweites Kind. Eigentlich sollten sie eine glückliche Kleinfamilie sein, doch Hans bleibt abends immer länger aus und grübelt über sein Leben nach. Erfüllung meint er in einer Kommune zu finden und überredet seine Frau schliesslich, eine solche zu gründen. Jahre später sieht man das Paar in der neuen Gemeinschaft. Hans scheint glücklich in der ungezwungenen Umgebung. Diesmal ist es aber Anna, die nachdenklich scheint. Ihr gefällt das Leben in der Kommune nicht und sie hat das Gefühl, dass es den Kindern auch nicht gut tue. Wieder einige Jahre später stehen Anna und Hans vor dem Richter und streiten sich um das Sorgerecht der Kinder. Die Geschichte der beiden geht weiter, sie bleiben trotz unterschiedlicher Vorstellungen und Instinkte verbunden.
„Vorstellungen und Instinkte“ ist ein Auftragswerk des Schauspielhauses Zürich, geschrieben vom Schweizer Reto Finger. Im Jahre 2007 zeigte das Schauspielhaus bereits „Fernwärme“ des jungen Autors. Finger hat an der Universität Zürich Jura studiert, bevor er begann Theaterstücke zu schreiben. Regie führt Sandra Strunz, welche bereits am Theater Neumarkt inszenierte. In den Hauptrollen sind Johanna Bantzer zu sehen, bekannt aus zahlreichen Schweizer Filmen, sowie Ensemblemitglied Oliver Masucci („1979“, „Motortown“).
Die besondere Herausforderung des Stückes liege unter anderem in der Darstellung der ständigen Zeitsprünge, sagt Andreas Erdmann, der sich für die Dramaturgie verantwortlich zeichnet. Der Text springt von Szene zu Szene um mehrere Jahre in der Zeit. Befände man sich im Pfauen auf einer klassischen Guckkastenbühne, könne man mit einer illusionskräftigen Bühnenmaschinerie diese Zeitsprünge darstellen. In der Schiffbauhalle müsse aber ein anderer Weg gefunden werden. Zum Zeitpunkt des Gespräches wurde daran gerade herumexperimentiert. Möglichkeiten seien Zeichen wie Einblendungen oder dass der Zuschauer selber merken müsse, wie die Zeit vergeht. Das Bühnenbild gestaltet Karin Hoffmann, die in der Marthalerzeit unter Falk Richter bereits viele eindrucksvolle Bühnenbilder anfertigte (beispielsweise für „Die Nacht singt ihre Lieder“).
Auf Reto Fingers Werk angesprochen, sagt Andreas Erdmann, dass Finger klassische Konversationsstücke schreibe, also Stücke mit aufgeteilten Charakteren und einer Handlung, die in mehrere Szenen zerlegt wird. Dies sei ein Genre, das es vor zehn Jahren kaum noch gab unter Autoren. Damals haben junge Autoren das so genannte postdramatische Theater geschrieben, das eine unkonventionelle oder formensprengende Behandlung auf der Bühne provoziere. Die Gegenbewegung sei dann Ende der 90er Jahre von Schreibworkshops aus gekommen, welche zu einer klassischeren Rollenverteilung bei der Theaterproduktion führe. Finger beispielsweise schreibe sein Stück am Schreibtisch und gäbe es dann vertrauensvoll an das jeweilige Theater ab. So entstehe noch einmal ein Teil der künstlerischen Vision im Theater, da Regisseur und Schauspieler das Stück auf ihre Art interpretieren. Ein Austausch bestünde trotzdem, da Finger manchmal an die Proben komme und auch Fragen beantworte, wie er was gemeint hat.
Als Zuschauer darf man auf den 9.April gespannt sein, wenn das Ergebnis dieses kreativen Prozesses zu sehen ist.
- „Vorstellungen und Instinkte“ von Reto Finger
- Regie: Sandra Strunz
- Ort: Schiffbau Halle 2
- Premiere: 9. April
- weitere Vorstellungen: 13./14./17./19./20./21./29. April