Sveitsilainen poika. Ein Schweizer in Finnland.
Andreas Rohrer - //Helvetti heisst auf Finnisch Hölle. Wahlweise auch Teufel. Scheisse. Fuck. Heimat Helvetia ist weit weg hier in Helsinki. Was ich vermisse, werde ich gefragt. Deutsch oder Französisch? Ooooh, die Alpen habt ihr doch. Du siehst aber aus wie ein Italiener. Habt ihr eigenes Bier...
Keine Angst, helvetti kommt aus dem Schwedischen und hat nichts mit uns zu tun. Schweiz heisst Sveitsi. Tönt doch scharf. Und dass es schön ist bei uns, das wissen die meisten. Trotzdem, wenn ich jeweils sage woher ich komme, werde ich so halb-beachtet, eigentlich übergangen. Aha, heissts da nur. Im Gegensatz zu Spanien, Italien, Australien, Kalifornien. Da werden sie heiss, die Finnen und Finninnen. Sonne, Strand, Meer, das fehlt den Schattenkindern hier und das haben wir in der Schweiz nicht. Wer einmal bei uns war, ging Snowboarden in den Alpen. Richtige Berge gibt’s da, dafür kriegen wir dann jeweils einen halben Punkt (Snowboarden auf den Hügeln Finnlands war ich ja auch mal).
Was wissen sie sonst noch? Die Lage im Herzen Europas. Die Schweiz ist nahe zu Allem. Wer aus Finnland raus will, muss aufs Schiff oder ins Flugzeug (ausser nach Russland, aber da gehen sie nicht freiwillig hin, die Finnen). Schokolade natürlich. Herr und Frau Finnland lieben Süssigkeiten aller Art. Kleine Freuden in der Kälte. Fazer, Finnlands eigener Stolz in Sachen süsser Versuchung wurde von Karl Fazer, Sohn eines ausgewanderten Schweizers gegründet. Toblerone lieben sie. Schoggifondue gabs auf einer Party. Und sogar das Schoggi-Spiili kennt man. Ebenfalls populär, das Schweizer Eishockey. In Finnland Traditionssport, wird das Hockey in der Schweiz scharf beobachtet und geschätzt. Die Schweizer Playoff-Spiele werden sogar live im Fernsehen gezeigt und die Finnischen Spieler in der Schweizer Liga von der Presse auf Schritt und Tritt verfolgt.
Das wars dann aber auch schon. Die Schweiz ist weit weg von Finnland. Einmal haben wir Fondue gemacht. Der Käse kostete ein Vermögen, Kirsch suchte ich vergebens. Schnupftabak haben sie in einem Club für sehr illegal befunden. Oder ist das etwa Heroin? Sie stehen aber ein bisschen drauf, dass man sich das Zeug durch die Nase reinzieht. Das finden sie echt prickelnd. Priis.
"Du bist der erste Schweizer, den ich mag", hat mir Tuomas, einer dieser grundehrlichen Finnen, letztlich gesagt. "Alle Schweizer sind so... langweilig." Stimmt. Ich geb mir also Mühe. Hole Punkte mit meinem lustigen Akzent, sage ich fahre jedes Wochenende in die Alpen und erzähle tolle Geschichten aus dem Tessin, da wachsen immerhin Palmen. "Den nehmen wir mit ans Provinssirock (das erste Finnische Festival der Saison). Der bringt uns alle Jungs ins Zelt. (Zur Seite) Ich kann nicht glauben dass der Finnisch spricht!" Dass sie mich nicht als es bezeichnet hat, war grad alles. Eben doch, ich hab den Ausländerbonus. Und ein Schweizer ist ein selten gesehener Gast. Sveitsilainen poika, der Schweizer Junge, ist eine Attraktion. Zumindest hier in Finnland. Auf einen Besuch in der Schweiz hat sich nämlich noch niemand angemeldet. Dafür sind wir dann eben zu langweilig. Zu wenig Sonne. Kein Meer.
Wo macht Austausch mehr Spass? Helsinki oder Berlin? - Keine Orgasmen und illegale Hamburger in Berlin.
Man sieht sich in der Heimat,
Sara