Interview mit Razorlight
Silvan Gertsch - Wer ist Johnny Borrell? Der Razorlight-Sänger gilt gemeinhin als arrogante Diva, die von sich behauptet, ein besserer Songwriter als Bob Dylan zu sein. Im Interview mit Students.ch präsentierte sich Borrell allerdings als zurückhaltender, anständiger Sänger einer grossartige...
Du hast dich auf eine kleine, einsame Insel zurückgezogen, um die Songs fürs neue Album zu schreiben. Hat dir das geholfen, dich auf die Musik zu fokussieren?
Johnny Borrell: Ein Stück weit auf jeden Fall. Ich war zuvor fünf Jahre lang immer unterwegs, habe Konzerte gespielt, war ständig unter Leuten. Deshalb war ich froh, mal wieder Zeit für mich zu haben. Ich bin quasi aus dem 5-Sterne-Hotel ausgezogen und in diesem Cottage gelandet, wo ich selber Holz hacken musste. (lacht) Ich habe dort angefangen, Texte und Gedichte zu schreiben – ohne Hintergedanken, ein Album zu schreiben. Das hat sich einfach ergeben.
Hat dieser Aufenthalt deine Beziehung zur Musik verändert?
Ich denke schon. Ich habe mich wieder verstärkt auf meine musikalischen Wurzeln besinnt und bin zu den Anfängen zurückgekehrt. Und die Songs sind noch persönlicher als auf den beiden ersten Platten. Das Album wäre ganz anders ausgefallen, wenn ich es in London geschrieben hätte. Wie das Resultat in dem Fall klingen würde, kann ich dir allerdings nicht sagen. „Slipway Fires“ ist ein spezielles Album geworden – uns war wichtig, dass wir nicht stehen bleiben und nicht noch einmal das gleiche machen, wie wir es bereits auf einer unserer ersten Platten gemacht haben.
Eure erste Single „Wire To Wire“ hast du wahrscheinlich an einem dunklen, einsamen Abend in der Nähe eines Feuers geschrieben...
Da liegst du völlig falsch. Der entstand nicht auf dieser Insel, sondern an einer Party. Die Leute feierten – und ich zog mich auf einmal zurück mit diesem Song in meinem Kopf. Ich habe mich dann ans Klavier gesetzt und angefangen zu spielen, während die Party weiterlief. „Wire To Wire“ haben wir später live aufgenommen – die Stimme, das Piano, das Schlagzeug, alles ist live aufgenommen. Es fühlte sich an, als ob wir einen magischen Moment eingefangen hätten.
Hattest du beim Schreiben der Songs bereits die Live-Umsetzung im Hinterkopf?
Dieses Mal überhaupt nicht. Das war bei den beiden ersten zwei Alben noch ganz anders. Damals wusste ich schon während des Schreibens, wie die Songs auf der Bühne klingen sollen. Bei „Slipway Fires“ hat mich das überhaupt nicht interessiert. Ich habe einfach versucht, das bestmögliche Album zu schreiben – was nicht heissen soll, dass ich bei den beiden Vorgängern dieses Ziel nicht gehabt hätte. Das neue Album ist wie eine Dokumentation, die die wichtigsten Ereignisse aus meinem Umfeld beschreibt.
Ist demzufolge die Live-Umsetzung der neuen Songs schwieriger?
Auf die meisten Stücke trifft das zu. Schon alleine aufgrund der ganzen Arrangements, die uns vor eine Herausforderung gestellt haben, als wir die Live-Shows geplant und vorbereitet haben. Die neuen Songs sind auf jeden Fall schwieriger zu spielen und fordern auch mich als Sänger mehr heraus. Die Stimme ist allgemein stärker ins Zentrum gerückt auf „Slipway Fires“.
Blicken wir ein paar Jahre zurück: „Stairway To Heaven“ sei der Song gewesen, der dich dazu gebracht hat, ein Rockmusiker zu werden. Stimmt das?
(lacht) Das ist etwas überspitzt formuliert. Es war einfach einer der ersten, vielleicht sogar der erste Rocksong, den ich bewusst wahrgenommen und angehört habe. Der hat tatsächlich vieles ins Rollen gebracht für mich. Aber ich würde ihn nicht als Auslöser für den Weg, den ich eingeschlagen habe, ansehen. Da haben verschiedene Faktoren mitgespielt. Ich habe aber schon früh angefangen, Texte zu schreiben. Irgendwann nahm ich dann eine Gitarre zur Hand und begann, den gleichen Ton immer und immer wieder zu spielen und dazu meine Texte zu lesen. Das muss fürchterlich geklungen haben.
Du hast danach deine erste Band Oblivion gegründet. Was für eine Band war das?
Wir waren jung, 13 Jahre alt. Und so hörte sich auch die Musik an. In erster Linie ging es uns darum, mit Mädchen abzuhängen, Acid zu nehmen, zu kiffen. In dem Alter darf man in England ja noch nicht in die Pubs gehen und dementsprechend auch noch keinen Alkohol trinken. Deshalb hatten wir die Band, um uns die Zeit zu vertreiben. Wir waren definitiv ambitioniert. Wir wussten, wo wir mit unserer Musik hin wollten. Vielleicht wäre es mal an der Zeit für eine Reunion. (lacht) Ich habe noch immer Kontakt zu den Jungs von damals. Wir verbringen nach wie vor immer wieder Zeit zusammen.
Damals sei auch der Autor Hunter S Thompson ein Einfluss von dir gewesen. Sein wahnsinniger Schreibstil?
Nein, überhaupt nicht. Er brachte mich mit Drogen in Verbindung. Das war der einzige Einfluss, den er auf mich ausübte. Wenn man in jungen Jahren ein Buch aufschlägt und auf der zweiten Seite erklärt wird, welche Drogen die Hauptperson in ihrem Kofferraum lagert, dann beeindruckt das einen natürlich. Das Verbotene an „Fear & Loathing In Las Vegas“ reizte mich damals. Aber seine Art zu schreiben war keine Inspiration für mich. Ich konnte in dem Alter einen guten Schreibstil noch nicht von einem schlechten unterscheiden.
Ironie des Schicksals: Pete Doherty von den Babyshambles brachte Johnny Borrell vor Jahren dazu, keine Drogen mehr zu konsumieren...