DVD der Woche: Die grosse Liebe
Christina Ruloff - Wenn Warten, Hoffen und Sehnen wichtiger werden als Erfüllung: Der beliebteste Film aus der NS-Zeit Die grosse Liebe erscheint auf DVD und zeigt, wie Filmpropaganda funktioniert – nämlich über Identifikation.Zarah Leander spielt hier im Wesentlichen sich selber, den grossen ...
Zarah Leander spielt hier im Wesentlichen sich selber, den grossen Revue-Star Hanna Holberg. Diese begeistert und bezaubert mit ihren Liedern das Publikum, vor allem die Soldaten auf Heimurlaub. Der Fliegeroffizier Paul Wendtland schickt sich bei dieser Gelegenheit mit besonderem Effort an, ihr Herz zu erobern. Doch der Erfüllung, der Hochzeit, kommt immer wieder der Einsatz fürs Vaterland in den Weg – sehr zum Frust Hannas, die lernen muss, was er bedeutet, „die Frau eines Offiziers“ zu sein.
Jeder anständige Mann ist im Krieg; der Wiener Komponist und Dirigent kommt daher als Ehemann nicht in Frage.
Die grosse Liebe war der mit Abstand erfolgreichste Film im 3. Reich. Mehr als 28 Millionen Zuschauer wollten die Seifenoper mit dickem Happyend sehen. Viele Zuschauer müssen mehrmals ins Kino gestürmt sein, denn sonst lassen sich diese bombastischen Zuschauerzahlen nicht erklären. Entsprechend wurde der Film nach dem Krieg von den Amerikanern auf die „Schwarze Liste“ der Propagandafilme gesetzt und trotz Drängen des Publikums nicht mehr gezeigt. Aus diesem Grund ist die DVD erst ab 18 Jahren freigegeben (es liegt also nach Meinung der FSK „schwere Jugendgefährdung“ vor) und mit einer (miserablen) didaktischen Einleitung versehen. Denn was diesen Film so attraktiv, wie gefährlich machte, lässt sich nur im Zusammenhang mit seiner Zeit verstehen. Die grosse Liebe gehörte zu den wenigen Filmen, die die Kriegsgegenwart thematisierten. Die meisten NS-Filme spielten in exotischen Ländern oder der fernen Vergangenheit, um das Hier und Jetzt auszublenden und vom Alltag abzulenken. Die grosse Liebe verfolgt jedoch eine andere Strategie. Die Identifikation und folglich Popularität wird gerade dadurch gewährleistet, dass der Star Zarah/Hanna sich genau in der gleichen Situation befindet, wie die deutsche Durchschnittsfrau, die im bangen Sehnen wochenlang auf ihren Mann/Geliebten/Vater/Sohn wartet und hofft, ihn heil wiederzukriegen. Dabei wird sogar suggeriert, dass die unendlichen Trennungen die Liebe stärken und die Vorfreude die Erfüllung umso schöner werden lässt. Und wer das eigene Schicksal beweint und den selbstlosen Kämpfer an seinem Einsatz fürs Vaterland hindern will, ist keine richtige Deutsche und schon gar keine anständige Frau. Propaganda und Erfolg funktionieren hier (und überall) über Identifikation.
Zarah Leander spielt die Diva, die lernen muss, ihre Frau zu stehen, gekonnt. Ihre berühmten Lieder – „Ich weiss es wird einmal ein Wunder geschehen“ und „Davon geht die Welt nicht unter“ – klingen nach wie vor grossartig; sie wurden von Bruno Balz getextet, der seiner Homosexualität wegen mehrere Monate in Gefängnissen zubrachte; sie sind also nicht nur „Durchhaltelieder“ des 3. Reiches. Die beiden Männer – Viktor Staal als Fliegeroffizier und Paul Hörbiger als Dirigent, Komponist und weiterer Verehrer Hannas – wirken jedoch farblos und lächerlich. Der Film dreht sich eben wirklich nur um Hanna und ihre Entwicklung von der wehleidigen Diva zur verständnisvollen Soldatengattin. Und ohne den historischen Kontext ist Die grosse Liebe nicht zu verstehen.
Die grosse Liebe ist neu auf DVD erschienen!