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8. Mai 2009, 10:08 Music Interview

Interview mit Düde Dürst

Silvan Gertsch - 1966 sei es gewesen. Düde Dürst war mit seiner Band, den Sauterelles in Italien unterwegs. Während eines Konzertes habe es ihn "abem Stüehli grüehrt". Zu der Zeit habe er pro Tag eine Flasche Whisky getrunken - bis es an einem Auftritt zum Kreislaufkollaps gekommen ist. Heut...

1966 sei es gewesen. Düde Dürst war mit seiner Band, den Sauterelles in Italien unterwegs. Während eines Konzertes habe es ihn "abem Stüehli grüehrt". Zu der Zeit habe er pro Tag eine Flasche Whisky getrunken - bis es an einem Auftritt zum Kreislaufkollaps gekommen ist. Heute ist seine Droge die Musik. Der Kult-Drummer veröffentlicht nach 38 Jahren sein zweites Solo-Album "Back to the Groove". Das Interview findet in seinem Atelier im Zürcher Niederdorf statt. Alles ist überstellt mit Papier, Bildern, CDs, DVDs. An den Wänden sind Plakate angebracht - allesamt Andenken und Raritäten aus der langjährigen Karriere von Düde Dürst.

Düde Dürst, gehen dir spezielle Momente durch den Kopf, wenn du einzelne dieser Plakate anschaust?

Düde Dürst: Das ist mein Leben. Aber spezielle Momente gehen mir nicht durch den Kopf. Das ist alles schon zu lange her, über 40 Jahre. Wenn mich hier jemand besucht, dann kommen schon Erinnerungen an diese Zeiten auf. Aber wenn ich am arbeiten bin, dann konzentriere ich mich auf meine Grafiken und auf die Musik.

Blickst du gerne zurück?

Auf jeden Fall. Ich habe überhaupt kein Problem mit Nostalgie. Ich habe mit all meinen Bands eine super Zeit erlebt. Deshalb denke ich auch gerne daran zurück und spreche auch gerne über diese Zeiten.

Vor 38 Jahren ist dein erstes Solo-Album erschienen. Wieso hat es so lange gedauert bis zu deinem zweiten?

Ich war immer Sideman und bin es immer noch. Ich hatte nie Ambitionen, alleine im Mittelpunkt zu stehen. Mein Leben lang war ich Begleiter. Das werde ich auch bleiben. Das Album ist eigentlich zufällig entstanden, als ich vor drei Jahren mit Loops experimentiert habe – das waren nur Spielereien. Studioarbeiten haben mich schon immer interessiert, ich war ja auch schon als Produzent tätig. Ich habe also ein wenig mit der heutigen Technik experimentiert. Als ich eines Tages mit Armin Winter, der in San Francisco lebt, telefonierte, meinte er, ich solle ihm diese Sachen mal schicken, er würde etwas mit dem Saxofon dazu spielen. So entstand die Idee, ein Album zu machen. Ich beschloss aber, dass ich ein Album machen will, bei dem ich alles selber entscheide. Das wurde immer verreckter. Über zwei Jahre, immer mit grossen Abständen weil ich keinen Stress hatte, ist dieses Album entstanden.

"Back to the Groove" klingt sehr experimentell. Hast du Einflüsse aus den letzten Jahrzehnten rein gepackt?

Das war die Idee. Meine intensivste Zeit war die Wende von 1968 zu den 70ern – die psychedelische Zeit, als wir gekifft haben wie Löcher und LSD gefressen haben bis zum Gehtnichtmehr. Mit Krokodil haben wir Nummern gespielt, die bis zu einer halben Stunde lang waren. Und die Leute sassen da und hörten uns zu. Ich finde es schade, dass das verloren gegangen ist und die Songs heute auf drei Minuten runtergeschraubt werden müssen, damit sie im Radio und im Fernsehen gespielt werden. Ich habe, wenn auch in bescheidener Form, deshalb versucht, dies wieder ein wenig aufleben zu lassen. Ein wenig kommerziell muss auch ich denken, auch wenn ich am liebsten einfach drei lange Nummern auf die CD gepackt hätte. Aber die Leute sind sich nicht mehr gewohnt, lange Songs anzuhören. Im Vergleich zu meinen früheren Sachen klingen die neuen Songs aber weniger experimentell, schon fast anständig.

Düde Dürst 1970.

Blicken wir auf ein paar Stationen deiner musikalischen Karriere zurück. 1963 hat alles mit Starlights angefangen, die später zu The Counts wurden.

Genau. Ich war ein Nachzügler, mein Bruder ist 15 Jahre älter, meine Schwester zehn. Die beiden waren Existenzialisten und hörten Jazz. Das war auch meine Welt, deshalb begann ich, Posaune zu spielen. Allerdings bin ich faul, ein Autodidakt. Alles, was ich mache, bringe ich mir selber bei. Ein Jugendfreund von mir gab mir eines Tages seine Trommel, ich habe daraufhin für mich etwas getrommelt. Ein anderer Kollege hatte zu der Zeit bereits eine Band, die in Richtung "Shadows" ging. Als er mich mal besuchte, musste ich ihm ein wenig vorspielen, und er war begeistert. Ich dachte nur: Der spinnt. Trotzdem ging ich zu ihnen ins Probelokal. Dort stand etwas ähnliches wie ein Schlagzeug. Ich setzte mich hin und spielte – sie fanden es obergeil. In Zürich wurden wir ziemlich schnell zur angesagten Band und waren im Vorprogramm der Kinks unterwegs.

Dann kam der Auftritt von Toni Vescoli?

Wir kriegten im Heuried ein Probelokal. Einer von uns kannte den Architekten dort, deshalb kriegten wir einen Keller zum Proben. Die Sauterelles übten gleich nebenan und so lernten wir uns kennen. Toni erzählte mir mal, dass er immer rumerzählt habe, dass er den Schlagzeuger der Counts geil finde, weil der eine so laute Polke habe. Damals war ja eher das dezente Schlagzeugspiel angesagt. Aber weil ich keine Ahnung hatte, habe ich einfach voll "reingeböllert". Die Dynamites, die Sauterelles und die Counts haben 1965 gemeinsam eine Platte aufgenommen [Swiss Beats Live]. Am Tag der Aufnahmen kam Toni Vescoli zu mir und fragte mich, ob ich nicht in seiner Band spielen wolle. Gleichzeitig kickte er auch den Gitarristen der Dynamites an. Ich war damals noch in der Lehre als Grafiker.

Die hast du dann geschmissen. Was war das für ein Schritt für dich?

Ein super Schritt – im Nachhinein. Ich hatte das Glück, dass mein Schwager ein Musiker war – Wieni Keller von der populärsten Schweizer Dixie-Band Tremble Kids. Meine Mutter hat mit ihm gesprochen und er meinte nur, dass sie mich machen lassen soll. Die Sauterelles waren damals ja schon bekannt. Natürlich kann man sagen, dass ich Glück hatte, aber es stimmte für mich. Viereinhalb Jahre war ich dann mit den Sauterelles unterwegs. Zur besten Zeit. Die grossen Tourneen habe ich erlebt, die grössten Hits stammen aus der Zeit.

Düde bei Krokodil, 1973.

Was für ein Geist herrschte damals bei den Sauterelles?

Die Beatles und die Stones wurden populär, deshalb hat man die kopiert. Wir sind in der Weltgeschichte rumgetourt und es ging zu und her, wie wenn wir die Beatles gewesen wären – mit Openair-Konzerten vor 20'000 Zuschauern. Aber es ging nur um die Musik, um nichts anderes. Am ersten Stones-Konzert in der Schweiz spielten wir im Vorprogramm. Aber gegen das Ende der Sauterelles hin tauchten die Probleme auf. Jeder von uns hatte andere Vorstellungen, wie es musikalisch weitergehen soll. In den 68ern ging es mit den progressiven Bands los, das gefiel mir sehr. Die anderen Bandmitglieder wollten eher beim Kommerziellen bleiben. Wir hatten mit "Heavenly Club" noch den grossen Hit, danach ging es aber nicht mehr weiter. Die Band ist stehen geblieben und hat sich im "Heavenly Club" gesonnt.

Hätten die Leute es euch abgekauft, wenn ihr mit den Sauterelles in eine progressive Richtung gegangen wärt?

Das ist schwierig zu sagen. Ich denke eher nicht. Wir versuchten bei den Sauterelles eine kleine Änderung einzufügen, indem wir kurzfristig einen Organisten aufnahmen. Das ging in Richtung Vanilla Fudge oder Deep Purple, schlug aber überhaupt nicht ein. Die Leute haben von uns mehrstimmige Geschichten erwartet. Wie bei den Beatles und den Birds. Das hatten wir auch im Griff.

Danach kam Krokodil?

Es wurde politischer, wir wollten eine Revolution und setzten uns mit der Umgebung auseinander. Das gabs schon auch bei den Sauterelles. Schon alleine aufgrund der langen Haare. Im Rheintal gingen die Bauern mit Scheren auf uns los, um uns die Haare zu schneiden. Da mussten wir fliehen. (lacht) Das war ein komisches Gefühl, aber wir nahmen es locker.

Krokodil entstanden, als Jimy Hendrix populär wurde.

Genau. Unser Gitarrist Walti Anselmo galt als Schweizer Hendrix. Von der Art des Spielens und Auftretens her. Das passte super in die Band. Wir brauchten einen, der rotzte, der frech war. Aber wir sind musikalisch ja nicht in Richtung Hendrix gegangen. Wenn wir Songs gecoveret haben, dann haben wir eine eigene Geschichte daraus gemacht. Das war lässig und hat uns gefallen.

Ihr habt als erste Super-Group der Schweiz gegolten.

Ja, weil damals alle in der Band schon populär waren. Aber diese Super-Groups sind eine völlige Erfindung der Plattenfirmen.

Schon damals?

Auf jeden Fall, die haben schon damals versucht, immer etwas neues zu finden, um die Musik zu verkaufen. Das war früher nicht anders. Damals waren aber alle Mitarbeiter bei den Plattenfirmen Musikfans. Egal wo auf der Welt, alle Büros bei den Plattenfirmen waren brechend voll, aus jedem Zimmer klang andere Musik. Das reinste Chaos, aber geil. Wenn man heute eine Plattenfirma besucht, hat man das Gefühl, in eine Bank gegangen zu sein. Deshalb gehen diese Plattenfirmen auch zugrunde. Bei den Majors arbeiten Banker. Die verstehen nichts von Musik. Wenn man denen Musik anbietet, fragen sie zuerst, ob man es verkaufen könne, und erst als zweites wollen sie wissen, was es überhaupt für Musik ist. Katastrophal. Teddy Meier von EMI hat uns früher die Beatles-Platten immer als erste gegeben in der Schweiz. So konnten wir die Songs einüben und sie bereits auf der Bühne spielen, wenn die CD rauskam. (lacht) Es besteht aber Hoffnung – die kleinen Labels halten die Musikindustrie am Leben. Aber versteh mich nicht falsch, früher war nicht alles besser.

Düde Dürst heute.

Was denkst du über die immer populärer werdenden Online-Votings?

Das verfolge ich ehrlich gesagt nicht so. Diese Votings sind halt einfach ein neuer Weg für Bands, um bekannter zu werden. Früher musste man dafür durchs Land touren, bis man bekannt wurde. Der Nachteil dieser Votings ist, dass man nicht weiss, ob diese Bands live auch halten, was sie im Internet versprechen. Mit der heutigen Technik kann man ja alles machen. Was mich aber viel mehr nervt, ist die Tatsache, dass ich an jedem Konzert Stöpsel in die Ohren stecken muss. Ich gehe ja auch nicht ins Kino mit einer Sonnenbrille vor den Augen.

War die Musik früher noch nicht so laut an den Konzerten?

Das ist kein Vergleich. Früher hörten die Leute den Bands aufmerksam und ruhig zu. Die Hörkultur hat wahnsinnig abgenommen. Ein Konzert darf schon mal laut werden, aber es muss auch wieder runter gehen, dynamisch sein. AC/DC war verreckt.

Hast du sie im Hallenstadion gesehen?

Natürlich. Ich finde die geil und der Beginn war sehr gut. Dann wurde es immer lauter, meine Ohren schmerzten. Dann stopfte ich Ohrstöpsel rein aber besser wurde es trotzdem nicht. Deshalb bin ich vorzeitig gegangen. Ich bin froh, sind die Singer-Songwriter-Geschichten wieder stark im Kommen. Das sensibilisiert die Leute wieder ein wenig, sich auf die Musik zu konzentrieren.

Blicken wir noch ein wenig nach vorne: Wenn Düde Dürst heute jung wäre, eine Band gründen würde und Musik machen würde. Wie würde die klingen?

Genauso, wie mein Album "Back to the Groove" klingt. Das ist die Musik, die ich gerne höre. Ich habe nie bewusst in einem Trend musiziert und etwas machen wollen, weil es alle gemacht haben.

Düde bei den Sauterelles, 1968.

Auch nicht bei den Sauterelles?

Nein, dort sowieso nicht. Dort bin ich ja einfach reingerutscht. Ich hatte das Glück, dass Toni Vescoli meine laute Pauke mochte. Das war ein Glücksfall, den ich nicht gesteuert habe. Ebenso wenig war dies bei Krokodil der Fall. Dort waren wir ja auch populär, aber nicht sehr kommerziell. Auf meinem neuen Album ist das genau gleich. Einem Trend nachgerannt bin ich nie. Auch nicht bei Jo Geilo, wo ich Bandleader, Manager und Psychiater war. Kompromisslos. Aber dafür bin ich nicht weltberühmt geworden. Da stellt sich allerdings die Frage: Will man das überhaupt? Ich wäre wohl ohnehin nicht der Typ dazu gewesen.

Bald spielst du mit den Sauterelles in Liverpool im Cavern Club, in dem die Beatles gross geworden sind. Schliesst sich für euch damit ein Kreis?

Klar. In den 60er haben wir ja auch im Star-Club in Hamburg gespielt. Uns fehlte nur noch der Cavern Club. Jetzt stimmt es für uns.

www.duededuerst.ch

www.krokodil.li

www.sauterelles.ch

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