19. Mai 2009, 13:57 Kultur

Es ist ihr erster Tag an der Uni. Nachdem sie im übervollen Bus schon mal die Möglichkeit hatte, einige ihrer zukünftigen KommilitonInnen zu mustern, betritt sie neugierig und auch ein bisschen nervös den grossen Vorlesungssaal an der Fabrikstrasse in Bern. Sie hatte sich für Soziologie entschieden. Das töne spannend, hat sie nach dem Besuchstag gefunden. Und im Nebenfach Germanistik. Schliesslich las sie ja schon immer gerne.

Ein naturwissenschaftliches Fach war für sie sowieso nie in Frage gekommen. Schliesslich war sie nie gut in Chemie. Oder Physik. Oder auch Mathe. Aber das machte ja nichts. Schlechte Noten in diesen Fächern wurden ihr von den Eltern nie übel genommen. Sie ist ja ein Mädchen. Die sind halt mehr in den Sprachen und im Zeichnen gut, hatte ihr Vater stets gesagt und ihr einen milden Blick zugeworfen, wenn sie mal wieder mit einer Ungenügenden nach Hause kam. Dafür hat sie im Franz immer Sechsen, fügte die Mutter jeweils stolz hinzu. Und auch ihr Lehrer war mit den Mädchen irgendwie immer nachsichtiger als mit den Buben, wenn sie mal etwas nicht verstanden haben.

Aber wäre Biochemie nicht vielleicht auch was Interessantes? fragt sie sich nun als sie sich in die hinterste Reihe des sich langsam füllenden Saals setzt. Schliesslich war sie in der Mathe schon draus gekommen, wenn sie jeweils mit Alex und Katja übte. War sie vielleicht manchmal etwas zu wenig angespornt worden, sich auch in diesen Fächern ins Zeug zu legen? Sie dachte an ihre Schulkolleginnen, mit denen sie die Matura abschloss. Die meisten von ihnen begannen jetzt auch mit der Uni. Sie überlegte, ob vielleicht eine von ihnen Biochemie machte. Nein. Spanisch, Geschichte, Germanistik, Psychologie und eben Soziologie waren die beliebtesten Fächer. Nur Sonja, die begann jetzt mit Physik. Aber die war halt ein Naturtalent. Oder?

„Hallo. Ich bin Anna. Und du?“ wird sie plötzlich aus ihren Gedanken gerissen.„Simone.“