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18. Dezember 2006, 00:00 Movie

Marie-Antoinette

Joel Bedetti - Man ahnte es bereits nach Lost in Translation: Sofia Coppola steigt in den Olymp der Filmgötter auf. Mit Marie-Antoinette tritt die junge Regisseurin endgültig aus dem Schatten ihres Übervaters. Bombastisch in jeder Hinsicht: Marie-AntoinetteDer Kostümfilm ist im 21. Jahrhund...

Man ahnte es bereits nach Lost in Translation: Sofia Coppola steigt in den Olymp der Filmgötter auf. Mit Marie-Antoinette tritt die junge Regisseurin endgültig aus dem Schatten ihres Übervaters.

Bombastisch in jeder Hinsicht: Marie-Antoinette

Der Kostümfilm ist im 21. Jahrhundert angekommen. Mit einem Feuerwerk an Bildern und Klängen inszeniert die junge Regisseurin das pompöse und wilde Leben der Königsbraut Marie-Antoinette (Kirsten Dunst) – und bringt gleichzeitig die tragische Persönlichkeit der verhassten Partymonarchin zum Vorschein.

Auf eine spezieller Weise setzt sich der Film mit seinem historischen Kontext auseinander, und dies auf mehreren Ebenen. An der politischen Entwicklung nimmt der Zuschauer, wie damals der Königshof auf der isolierten Luxusinsel Versailles selbst, nur Bruchstückhaft teil. Wie aus einer anderen, unwirklichen Welt platzen bisweilen Minister und Kriegsherren zur Tür hinein, um die königlichen Gesellschaft in ein paar kurzen Sätzen über die Lage eines Feldzuges zu informieren oder eine Steuererhöhung absegnen zu lassen. Die Folgen der getroffenen Entschiedungen bleiben fern und unsichtbar - bis schlussendlich die blutigen Ereignisse der französischen Revolution die Ebenen der Realität gewaltsam umdrehen und die versaill’sche Kunstwelt aus Gold und Seide zusammenfallen lassen wie eine Theaterstaffage.

In Versailles ist die Welt noch in Ordnung

Marie-Antoinette ist kein Film der grossen Worte, sondern der Empfindungen. Erotisch, träumerisch, aufwühlend: Sofia Coppola nutzt die Möglichkeiten von Bild und Ton maximal aus. Der Totalen vom Sonnenuntergang hinter der oppulenten Palastkulisse von Versailles folgt die Naheinstellung, die eine vielsagende Geste einer namenlosen Maiträsse in einem Zimmer einfängt. Den ausschweifenden Modekonsum und die Liebesszenen stellt Coppola mit einer Lockerheit und Eloquenz dar, welche die Dekadenz und Erotik von The devil wears prada dagegen verblassen lässt.

Ein Meisterwerk für sich ist der sorgfältig ausgewählte Soundtrack. Auch wenn in einigen Szenen klassische Stücke die historischen Kulissen vertonen, überwiegen insgesamt moderne Lieder von The Cure, The Strokes und New Order. Ein Geniestreich. Denn so wird die visuelle Ebene des 18. Jahrhunderts mit der Akustik unserer Zeit verknüpft – besser kann man die Zeitlosigkeit der Bedürfnisse und Gefühle, welche sich unter den beengenden Kleidern und den steifen Gebärden des Rokoko-Zeitalters verbergen, nicht verständlich machen. Auch Marie-Antoinette und ihr Hofstaat wollten gestern im Grunde nichts anderes, als Erdbewohner heute und morgen auch wollen: Das kurze Leben in vollen Zügen geniessen. Wenn die kaum 20-jährige Königin, verkörpert von der zuckersüssen Kirstin Dunst, mit ihren blaublütigen Freunden nach einer durchgefesteten Nacht durch die Palastgärten von Versailles hüpft, um dem Sonnenaufgang zuzusehen, wird einem die Grösse dieses Films bewusst. Doch dazu muss man ihn sehen. Die Bildsprache, der emotionelle Tiefgang und die menschliche Authentizität von Marie-Antoinette sind mit Sprache nur schwer zu vermitteln.

Bewertung: 5 von 5

Paris Hilton in Versailles: Partykönigin mit Gefolge

Originaltitel: Marie-Antoinette

Land: USA

Dauer: 123 Minuten

Regie: Sofia Coppola

Darsteller: Kirsten Dunst, Jason Schwartzman, Asia Argento

Verleih: Pathé

Kinostart: 21.12.2006

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Quelle: Bilder: Monopole Pathé (Link)
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