Sportfreunde Stiller im Interview
Patrick Holenstein - Nach einer langen und staureichen Autofahrt, direkt von München nach Zürich, sitzt Rüdiger Linhof, der Bassist der Sportfreunde Stiller, gemütlich auf dem Sofa und hält eine Tasse Kaffee in der Hand. Voller Enthusiasmus spricht er im Students-Interview über die Erfahrungen ...
Das Konzert zu Unplugged in New York fand in den Bavaria Studios in München statt. Wieso habt ihr diese Location gewählt und wie kam es zum Namen?
Erstmal haben wir sehr, sehr lange gebraucht, bis wir überhaupt eine Location gefunden haben, denn für ein MTV Unplugged muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Es muss wetterunabhängig sein, dann muss die Möglichkeit gegeben sein, die Bühne gut auszuleuchten, einfach eine schöne Atmosphäre zu gestalten und die Location selber trägt halt nicht unwesentlich zum Grundcharakter eines Unlugged-konzertes bei. In Deutschland gab es bis jetzt fünf MTV Unpluggeds und jedes dieser Konzerte fand in einer besonderen Location statt, also haben wir es uns nicht leicht gemacht und insgesamt ca. 40 mögliche Orte angeschaut. Dabei war vom Regenwasserspeicher unter der Erde in München über das Bergwerk bis zum Traumschiff oder der Zugspitze alles Mögliche dabei und doch sind wir schlussendlich in den Filmstudios gelandet. Es war tatsächlich das Letzte, was wir angeschaut haben. Wir wollten eigentlich nicht in ein Filmstudio, weil uns ein Studio zu langweilig erschien. Tatsächlich war da aber diese Kulisse, die eine Strasse in Brooklyn zur Jahrhundertwende nachbildet und diese Kulisse war dann auch der Grund für den Namen Unplugged in New York. Wir betonen aber in ziemlich jedem Interview, dass wir nicht in New York waren, es ist halt einfach der Name des Projektes. Die Kulisse hat halt die optimalen Voraussetzungen geboten. In dieser Kulisse konnten wir an drei verschiedenen Stellen spielen. Dadurch ist es das erste Unplugged, bei dem verschiedene Hintergründe genutzt werden. Einmal spielen wir vor einem alten Wohnhaus in so einem hindrapierten Nadelwald, dann auf einem Baugerüst und die letzte Station haben wir zwischen einem Plattenladen und einer Werkstatt reingebaut...
Die Kulissen wurden jeweils umgebaut oder wie muss man sich das vorstellen?
Ja, da mussten wir schon eine Art von Dramaturgie oder Choreografie entwerfen und mussten uns die Liedübergänge so überlegen, dass sie zu den Szenenwechseln passten. Es sollten fliessende Übergänge sein, was natürlich einiges an logistischen Problemen aufgeworfen hat und letztendlich war es brutal teuer, man brauchte wahnsinnig viel Equipment und Mitarbeiter, weil wir alles dreifach benötigt haben. Aber es war lustig, so ein gigantisches Projekt zu stemmen. Es steckte schon viel Arbeit drin und die Musik hat dann nur einen Teil der Arbeit ausgemacht. Wir haben circa ein halbes Jahr lang geprobt, weil wir das erste Mal mit insgesamt 23 Musikern auf der Bühne gewesen sind. Da waren ein Chor und Streicher dabei, Bläser spielten mit, ein DJ, der mit einem Grammophon gescratcht hat, es war eine Harfe dabei, eine chinesische Geige und natürlich die drei Gäste, The Subways, Meret Becker, eine tolle Schauspielerin, feine Künstlerin und Sängerin und natürlich der grosse Udo Jürgens, der ja hier in Zürich zuhause ist. Mit all denen haben wir verschiedene Dinge gemacht, Meret Becker hat zum Beispiel die singende Säge gespielt und ihre wunderbare Stimme für ein Duett mit Peter gebraucht, bei Tu nur was dein Herz dir sagt. Mit The Subways haben wir Rock `n`Roll Queen gecovert, in einer deutschen Version, die sehr lustig war, weil der Billy (Sänger von The Subways, Anm. d. Red.) versucht hat, „du bist die Sonne...“ zu singen und dann wollte er mit die Sportfreunde weitermachen und hat sich mehrfach versungen. Es war sehr nett, eine schöne Stimmung und sie sind wirklich eine feine Band. Mit Udo Jürgens seinen Klassiker Ich war noch niemals in New York zu spielen ist einmal eine grosse Ehre und es ist auch eine tolle Aufgabe, dieses Lied, das eigentlich nur noch so ballermannschlagermässig wahrgenommen wird, in ein Gewand zu stecken, das ihm unserer Meinung nach dieses anspruchsvolle Kleid gibt, das dieses Lied halt verdient. Es ist ein Lied über eine Lebenssituation, in der wahrscheinlich jeder schon einmal gesteckt hat. Dass er sich fragt, wo steh ich überhaupt und wo will ich hin? Am liebsten würde ich abhauen und man schafft’s halt nicht. Ein wunderbares Lied und natürlich mit seiner Stimme veredelt.
Ich war noch niemals in New York gibt der Tatsache, dass ihr in Filmkulissen sitzt, einen herrlich ironischen Touch. Udo Jürgens singt den Titel gemeinsam mit euch, wenn auch nur durch eine Videoeinspielung. Wie kam es zur Zusammenarbeit mit ihm?
Er kannte uns schon eine Weile und wir kannten ihn noch länger und so haben wir ihn über sein Management angemailt und ihm eine Demoversion geschickt, auf der schon die Streicherarrangements zu hören waren - er fand es super. Er ist generell ein sehr lockerer, offener und feiner Kerl. Ich würde mich freuen, wenn ich mit 75 so drauf wäre.
Durch die aufwändigen Arrangements klingen eure Songs vertraut und doch irgendwie neu. Wie lange habt ihr daran gesessen, die Songs neu zu arrangieren? Wie schwierig war es, die Stücke anzupassen?
Wir sind mindestens ein halbes Jahr dran gesessen. Das Schwierigste war, glaube ich, die Songauswahl. Letztlich war die musikalische Neufassung eine freudige und tolle Arbeit. Wir mussten uns nicht mit Songschreiben beschäftigen, sondern konnten uns dem Versuch widmen, Liedern das zu geben, was ihnen unserem Gefühl nach fehlte. Das war eine spannende und anspruchsvolle Aufgabe, sich nur diesem Musikalischen zu widmen. Wir haben dafür einen Pianisten dazu genommen und auch Flos Bruder, der kompositorisch eine grosse Ahnung hat, hat uns geholfen, wenn es darum ging, Streicher-arrangements umzuschreiben und neu zu fassen, auf Quartettform zum Beispiel. Es war eine schöne und tolle Aufgabe, aber die schönste bestand darin, dass die Songs akustisch trotzdem krachen und nicht verschlafen klingen, dazu muss man das Zeug halt perfekt spielen, um so eine Dynamik rein zu bringen. Wo es uns früher nur wichtig war, zum gleichen Zeitpunkt anzufangen und aufzuhören, kam es jetzt drauf an, mit 23 Musikern zusammen auch zwischen Anfang und Ende gut zu spielen. Das war das Schwierigste, nicht das Umschreiben.
Wie habt ihr entschieden welche Lieder auf der CD sein sollen?
Wir haben die Platte in zwei Fassungen auf den Markt gebracht. Einmal die Doppel-LP, die etwas teurer ist, und dann die einfache Version, für die Menschen, die nicht so viel für eine Doppel-LP ausgeben möchten. Ich weiss zwar gar nicht, wie viel teurer die Doppelausgabe ist, inzwischen wohl nur noch unwesentlich, aber wir wollten einfach noch so eine Best of Auswahl anbieten, weil man ja nicht von jedem erwarten kann, dass er sich eine Doppel-LP kauft und dort sind es dann nur 13 Lieder.
Wie bewusst war euch der Link zu Nirvanas Unpluggedalbum, das ja denselben Namen trägt?
Das war völlig unbewusst. Tatsächlich habe ich erst nach den Aufnahmen, sogar erst kurz vor der Promotour, erfahren, dass ein Nirvana-Album Unplugged in New York heisst.
Welches Fazit zieht ihr aus dem Unpluggedkonzert? Welche Erfahrungen habt ihr dabei gemacht?
Fazit ist erstmal, dass es für uns die grösste Aufgabe war, die uns bis jetzt angetragen worden ist, weil wir das erste Mal nicht nur eine Art musikalische Leitung über viele Musiker hatten, sondern weil wir auch die Fernseh-übertragung wesentlich mitgeplant haben. Es war ein Riesenprojekt und eine schöne Erfahrung, erstmal für den eigenen Bauch, den man damit schön pinseln kann, weil man eine Produktion dieser Grössenordnung gestemmt hat, die auch noch toll geworden ist. Die musikalische Erfahrung davon ist, dass wir fähig sind, eine Platte komplett live und ohne Nachbearbeitung aufzunehmen und durch die Tatsache, dass es toller und dynamischer klingt, bot sich uns eine neue Perspektive, was das Arbeiten und Aufnehmen mit anderen Musikern betrifft. Ich glaube, wir drei sind offener geworden, was den zukünftigen Weg angeht, wie wir Platten aufnehmen und Lieder schreiben werden. Aber wann die nächste Platte kommt, steht noch nicht fest. Auf jeden Fall aber ist es die tollste Erfahrung, mit anderen Musikern zusammen gearbeitet zu haben.
Ihr habt bei Stefan Raabs Bundesvision Songcontest Antinazibund performt. Kurz darauf habt ihr gemeinsam mit Laut gegen Nazis und der Amadeu Antonio Stiftung die Initiative gegen Rechts ins Leben gerufen. Kannst du darüber etwas erzählen?
Wir haben im Rahmen dieses Bundesvision Songcontests das Lied Antinazibund veröffentlicht und währenddessen zusammen mit der Organisation Laut gegen Nazis, mit deren Unterstützung, erstmal eine Internetseite eröffnet, die Antinazibund heisst. Ziel dieser Aktion war es, eine breitere, mediale Öffentlichkeit zu geben. Leider sind wir im Moment nicht mehr so aktiv, weil uns einfach die Zeit fehlt, aber auf dieser Seite haben wir über Umtriebe berichtet und Unterschriften gesammelt und wir haben über Aktionen berichtet, die wir mit Laut gegen Nazis gemacht haben. Unter anderem haben wir gemeinsam zwei Konzerte in Problemstädten veranstaltet, in denen es Schwierigkeiten mit Nazis gab. In einem kleinen Dorf wurde ein Jugendhaus massiv bedrängt und es fehlte eine Lobby, also haben wir dort gespielt. Für das Konzert brauchten wir massiven Polizeischutz, mehrere hundert Beamte waren vor Ort, weil tatsächlich Nazis oder NPD-Leute Gegendemonstrationen anbringen wollten. Wir haben im Rahmen dessen auch etliche Drohungen bekommen und mussten unter Polizeischutz zum Konzert gebracht werden. Es war eine interessante Erfahrung und es war toll, sich diesem Thema zu widmen. In erster Linie sind wir natürlich Musiker, aber es ist eine feine Sache, sich zu sozialen Themen zu äussern, wenn sie uns am Herzen liegen.
Was steht bei euch in der nächsten Zeit an?
Wir freuen uns erstmal über die Platte und dann wird Pause gemacht. Ich werde zum Beispiel mit einer sehr guten Freundin eine Platte aufnehmen und auch die anderen Beiden werden ihre Projekte haben. Wir gehen erstmal unsere eigenen Wege und schreiben dabei Songs und dann schauen wir, wann wir wieder zusammenkommen, wann wir wieder Bock haben. Jeder schreibt für sich und dann treffen wir uns und stellen die Ideen gegenseitig vor.