DVD der Woche: Then She Found Me
Christina Ruloff - Wenn April Epner ein Problem hat und sich abregen will, klopft sie mit dem Zeigefinger auf ihre Stirn. Das sieht zwar bescheuert aus, aber es hilft offenbar. Wenn Frank seine Wutanfälle kanalisieren will, geht er spazieren und verflucht dann dort die nicht mehr anwesenden Person...
Um nicht unfair zu sein – April Epners Probleme sind nicht eingebildet. Natürlich hat sie seit Ewigkeiten einen Komplex, weil sie als Säugling „nur“ adoptiert worden ist und daher glaubt, nicht wie ihr Bruder „richtig“ geliebt worden zu sein. Aber dann lässt ihr Jugendfreund und Ehemann Ben sie vom einen auf den anderen Tag sitzen, weil er „dieses Leben nicht will“ (er zieht zurück zu seiner Mutter). Und ihre ewig nörgelnde Mutter stirbt. Und aus dem Nichts taucht plötzlich ihre echte, das heisst leibliche Mutter auf, die schon ewig auf den glückseligen Tag der Wiedervereinigung mit ihrer Tochter gewartet hat.
Bernice ist Talkmasterin einer grässlichen Morgensendung, eine liebenswürdige Klette und eine notorische Lügnerin. Wie wenn das alles nicht traumatisch genug wäre, ist April mit 39 Jahren schwanger – ihr Herzenswunsch geht endlich in Erfüllung, nur stammt das Kind von ihrem Exmann und nicht von Mr. Right!
April Epner ist keine amerikanische Version von Bridget Jones, sondern eher eine Bridget Jones für vernünftige Leute, für Erwachsene. April zählt nicht obsessiv Kalorien, ihre Heldentat besteht nicht darin, dass sie alle möglichen Gemeinheiten oder Peinlichkeiten mehr oder weniger souverän über sich ergehen lässt und am Ende wird sie auch nicht zur Belohnung von einem Prinzen gerettet. Aprils Leben ist kompliziert, weil sie selbst kompliziert ist, weil sie nicht weiss, was sie eigentlich will und April ist erwachsen und für zumindest für einen Teil ihrer Misstritte selbst verantwortlich. Das macht sie (im Gegensatz zu den beautiful people die üblicherweise die amerikanische Leinwand bevölkern) menschlich und sympathisch.
Helen Hunt verkörpert die Heldin nämlich in ihrem Regiedebüt wie gewohnt mit Mut zur Hässlichkeit, zu Dreistigkeit und auch zu Fehltritten. Viele Szenen sind irre komisch und zwar auf eine intelligente Art und Weise: Man lacht über die treffenden (und oftmals sarkastischen) Bemerkungen, man lacht über den ganz normalen Irrwitz und nicht über die Figuren, vor denen man trotz, nein wegen ihrer Ehrlichkeit, ihrer Komplexität und ihrer Irrationalität Respekt hat. Dass Then She Found Me (nach gewissen Motiven aus dem gleichnamigen Roman von Elinor Lipman) nicht ein grossartiger Film geworden ist, liegt vor allem daran, dass er hoffnungslos mit Themen und Problemen überfrachtet ist, die üblicherweise für mindestens vier abendfüllende Filme reichen würden: Es geht um Mutterschaft, Adoption, eine gewisse Obsession mit der Mutterschaft, aber auch darum, was es bedeutet in einer Beziehung zu sein und nicht zuletzt um Erwachsen - Werden und Verantwortung - Tragen. Das bedeutet aber auch, dass dieser Film sich tatsächlich (und im scharfen Gegensatz zu den meisten Filmen im Kinojahr 2008) um etwas dreht, dass er Substanz hat, dass er Aussagen macht, um nicht zu sagen – ein Weltbild schafft! Und daher ist Then She Found Me absolut sehenswert, ein kleines, feines und anregendes Filmerlebnis.