Interview mit Röyksopp
Philipp Ramer - Nur die eine Hälfte des norwegischen Electronica-Duos, Svein Berge, erscheint wenige Stunden vor dem Konzert am Gurtenfestival zum Gespräch; Bandkollege Torbjørn Brundtland hat eine Lungenentzündung und muss sich für den Auftritt schonen. Doch Svein weiss einiges zu erzähle...
Svein, euer neues Album Junior ist ein Electropop-Album und viel tanzbarer als euere früheren Platten. Weshalb habt ihr euch weg vom Chillout-, hin zum Club-Sound bewegt?
Svein: Das hat verschiedene Gründe. Zunächst muss gesagt werden, dass wir unseren Background in der Club-Musik haben. Im Teenageralter begannen wir, zuerst Breakbeat-, dann House- und Club-Musik zu machen; erst in den späten Neunzigern sind wir zum gechillten Sound übergegangen, der Röyksopp geprägt hat. Dass wir nun zum Club-Genre zurückgekehrt sind, hat wohl mit den vielen Live-Shows zu tun, die wir seit dem letzten Album gespielt haben. Bei unseren Auftritten neigen wir immer dazu, etwas schnellere Musik zu machen, um die Leute zum Tanzen zu bringen. Diese Tendenz hat sich unbewusst auf Junior ausgewirkt, wir haben das nicht geplant. Ausserdem ist unsere Musik immer auch ein Ausdruck unserer aktuellen Gefühlslage. Als wir Junior eingespielt haben, fühlten wir uns glücklich und voller Energie; anders als vor vier Jahren (als The Understanding entstand, Anm. d. Verf.), wo wir etwas erschöpft und durcheinander waren.
Würdest du es als ein Ziel von Röyksopp beschreiben, passende Musik für jede Gelegenheit zu schaffen, für den Club, fürs Autofahren etc.?
Yeah, unbedingt! Diese Frage hat mir noch nie jemand gestellt, aber ich glaube, sie ist höchst berechtigt. Ein Freund in meiner Heimatstadt Tromsø zum Beispiel liebt es, mit laut aufgedrehter Musik in seinem Auto durchs Land zu kurven. Er behauptet, dass unser Sound sich dazu besonders gut eigne. Ich denke das kommt daher, dass wir versuchen, in unserer Musik die Energie des Clubs mit einer gewissen Ambience zu kombinieren. Wir versuchen oft Lieder zu machen, die sowohl Pop- als auch zu Clubsongs sind. Du sollst zu unseren Songs tanzen, duschen oder Liebe machen können – wir wollen alles in ein Lied packen, quasi eine Pizza mit allem drauf haben. Es ist eigentlich ein Fluch, denn häufig kommen so die Song-Elemente in Konflikt: Wenn die Beats zu laut sind, geht der Gesang unter, und wenn die Vocals zu sehr im Vordergrund stehen, ist es schwierig, ein tanztaugliches Lied zu machen. Wir müssen also immer versuchen, eine Balance zu finden... It’s just the way we make music.
Auf dem neuen Album sind Vocals von Karin Dreijer Andersson von The Knife drauf. Karin ist als sehr scheue und introvertierte Person bekannt. Wie war die Zusammenarbeit mit ihr?
Wir haben bereits auf The Understanding ein Lied zusammen mit ihr gemacht. Seit ich The Knife zufällig entdeckt habe, bin ich ein grosser Fan der Gruppe. Sowohl der naive, aber intelligente Produktionsstil, als auch Karins unglaubliche Stimme und Lyrics hauen mich um! Karin ist gar nicht so ängstlich und scheu, sie hat einfach die Entscheidung getroffen, dass sie ihr öffentliches und privates Leben strikt trennen möchte. Wir von Röyksopp sind auch nicht Leute, die sich besonders gern in den Medien exponieren, wir machen es bloss, soweit nötig. Karin ist da noch rigoroser – hinzu kommt ihre Freude am theatralischen Auftreten, am Spiel mit Identitäten, sie versteckt sich gern hinter Masken. Das ist sowohl bei The Knife als auch bei ihrem Soloprojekt Fever Ray zu beobachten, welches ich übrigens sehr empfehle.
Mit welchen anderen Künstlern würdet ihr gerne mal zusammen arbeiten?
Es gibt zwei bestimmte Leute, mit denen wir gerne kooperieren würden, aber die kann ich dir nicht verraten... Ich habe Angst, dass die Kollaboration nicht klappt und es dann später peinlich zu lesen wäre! Es ist schade, dass Michael Jackson gestorben ist, es hätte sicher Spass gemacht, mit ihm zusammen zu arbeiten... Das heisst, als er noch 28 war... Ich werde eine Zeitmaschine erfinden müssen! (lacht)
Was kannst du mir über die aktuelle norwegische Musikszene erzählen? Wer sind da gerade die heissen Acts?
Well, ich weiss nicht so genau, Torbjørn und ich stehen da ein bisschen aussen vor. Wir sind eigentlich kein Teil der Szene. In Norwegen versteht man uns nicht ganz. Wir sind nicht unbeliebt, aber die Leute können nicht so viel mit uns anfangen; sie begreifen auch nicht, weshalb wir nicht mehr grosse Shows machen etc. Wir werden als dark horses, als erfolgreiche Aussenseiter eingeschätzt. Anyway, soweit ich sehe, sind die interessantesten Sachen tatsächlich die, welche junge, kreative Leute zuhause aufnehmen und ins Internet stellen. Ich habe ähnliches in Schweden beobachtet. Kids sitzen mit ihrem Laptop im Schlafzimmer, und spielen einfach mit einer ‚I-don’t-give-a-fuck’-Attitude vor der Webcam los. Ich würde empfehlen, mal auf Youtube oder Myspace rumzuschauen, dort finden sich die spannenden Sachen.
Welche anderen Künstler magst du?
I listen to anything and everyone. Als ich heute abend von Bern auf den Gurten heraufgefahren bin, habe ich Harvest von Neil Young gehört. Ich hatte dieses Denim-Shirt an und bin an den ganzen Hügeln und Kühen vorbeigekommen, das hat einfach perfekt gepasst! Davor habe ich Kris Menace gehört, dann eine namenlose Gruppe schwedischer Kids, die grauenhaften Techno-Rap machen. Vierzehnjährige Möchtegern-Gangster mit furchtbarem Akzent und enormer Attitüde, die bringen mich einfach zum Lachen. Ach ja, und davor hab ich noch Antony & The Johnsons gehört. Ich höre eigentlich alles von Beck über Dolly Parton und Led Zeppelin bis Miles Davis. Und Vivaldi! (lacht)
Bitte gib mir zu den folgenden Künstlern einfach ein paar Stichworte: ABBA.
ABBA sind eine der Bands, die mich als Kind auf die Musik gebracht haben. Ich wurde in den späten Siebzigern geboren, als sie ihren Höhepunkt hatten, und meine Eltern hatten oft ABBA oder Beatles im Auto laufen, wenn sie mich vom Kindergarten abholten. Wenn ich dann nach Hause kam, legte ich entweder ABBAs Arrival oder Sgt. Pepper von den Beatles auf. Die Platten hörte ich stundenlang, und studierte dabei die faszinierenden Covers. ABBA hat einen grossen Platz in meinem Herzen.
Michael Jackson.
Armer Kerl. Ein wahres Genie. Er wurde von klein auf ausgenutzt... Was auch seine guten Seiten hatte. Ich weiss, es klingt schrecklich, aber wenn er nicht so behandelt worden wäre, wie es geschehen ist, wäre er wohl nie ein so grosser Star geworden. Er gehörte einer aussterbenden Gattung von ‚larger-than-life’-Künstlern an – wie etwa auch James Brown –, deren Lebensgeschichte ebenso aussergewöhnlich ist wie ihre Musik. Ich liebe seinen Sound und seine Stimme. I love Michael.
Daft Punk.
Ich bin ein grosser Verehrer von Daft Punk. Jedermann, der mit elektronischer Musik zu tun hat, muss neidisch auf sie sein: Sie haben ein grossartiges Image, haben tolle Alben gemacht und tun es immer noch. Egal woran sie sich versuchen, es wird immer eine interessante Sache. Ich habe gehört, dass sie die Filmmusik zum Remake des Disney-Films Tron beisteuern sollen, ich denke das passt perfekt.
Kraftwerk.
Kraftwerk ist eine Band, ja eigentlich die Band, die uns veranlasst hat, elektronische Musik zu machen. Ich kann mich erinnern: Als ich fünf, sechs Jahre alt war, hab ich im schwedischen Fernsehen einen Science-Fiction-Film über Roboter gesehen. Dazu lief der Song The Robots von Kraftwerk. Ich war fasziniert von der Musik, und mithilfe meines älteren Bruders fand ich heraus, von wem sie war. Ich besorgte mir das Album, und von da an kaufte ich alles von Kraftwerk, das mir in die Finger kam. Zur gleichen Zeit wurde ich mit der Musik von Jean-Michel Jarre und Vangelis bekannt gemacht, die mehr in Richtung Synthpop gehen. In den frühen Achtzigern lernte ich dann Depeche Mode und Art of Noise kennen. Das sind so meine wichtigsten Einflüsse, doch Kraftwerk waren, sowohl für Torbjørn als auch für mich, am prägendsten. Das habe ich Ralf Hütter auch gesagt, als wir vor einigen Jahren ein paar Shows für sie eröffnen durften.
Vielen Dank für dieses Gespräch, und viel Glück heute Abend!