DVD der Woche: O'Horten
Christina Ruloff - Lakonie in Norwegen: Subtil, wunderschön in Szene gesetzt und mal ganz anders überrascht dieser kleine norwegische Film über die Abenteuer eines pensionierten Lokführers.Odd Horten ist 67 Jahre alt. Er hat vierzig Jahre als Lokführer für die norwegische Eisenbahn gearbeitet...
Odd Horten ist 67 Jahre alt. Er hat vierzig Jahre als Lokführer für die norwegische Eisenbahn gearbeitet. Er kennt – wie seine skurrilen Kollegen – alle Strecken in- und auswendig, weiss wie viele Brücken und Tunnels auf der Fahrt zwischen Oslo und Bergen liegen. Und jetzt wird er plötzlich pensioniert, aus seinem bekannten Alltag gerissen. Zu allem Unglück verpasst er durch eine Reihe bizarrer Zufälle seine letzte Fahrt – und damit gerät sein Leben ins Wanken. Zum ersten Mal in seinem Leben lernt er die Irrwege eines Flughafens kennen. Zum ersten Mal lässt er sich am Abend in einem Hallenbad einschliessen (und flieht am Ende vor einem verliebten Paar, das sich im Pool austobt). Zum ersten Mal geht er auf einen Menschen zu und erlebt wohl die seltsamste Nacht seines Lebens. Und zum ersten Mal denkt Odd Horten über sein Leben nach, über was er gemacht und was er verpasst hat: Ist es zu spät, neu zu beginnen?
Bislang ging es immer nur geradeaus, und alles zog an Horten vorbei.
Es wäre interessant zu hören, wie der durchschnittliche Norweger O’Horten wahrgenommen hat. (Als ich einmal die Gelegenheit hatte, finnische Bekannte auf Aki Kaurismäkis Filme anzusprechen, bekam ich zu hören, dass „so und genau so“ Finnland und die Finnen seien. Der Stolz auf diese Filme und die eigene Kultur war nicht zu überhören.) Denn für den durchschnittlichen Mitteleuropäer ist dieser Film enorm subtil und eher skurril ausgefallen. Horten erlebt ziemlich zusammenhangslose, absurde Situationen und schaut interessiert und zufrieden an seiner Pfeife rauchend zu, was in der Welt so passiert. Er ist – wie der Zuschauer auch – ein Beobachter, neugierig zwar, aber nicht bereit am Leben teilzunehmen. Das muss er erst lernen. Und als es dann soweit ist, als Odd Horten (von einem sybillinisch lächelnden Baard Owe gespielt) einen Quantensprung in seinem Leben macht und der Film abrupt endet – ist man sehr, sehr überrascht, ja überrumpelt. Äusserliche Anzeichen für einen inneren Wandel dieses Charakters fehlten nämlich gänzlich. Vielleicht hat Horten etwas breiter gelächelt, vielleicht seine Stirn gekraust. Vielleicht hat er sich selbst reflektiert. Und wahrscheinlich ist er zum Schluss gekommen, dass das Leben mehr zu bieten hat, als Zugfahren und Zuschauen, wie alles an einem vorbeizieht.
Und nun sieht Herr Horten der Welt ins Auge und entdeckt sie ganz neu.
Bent Hamer inszeniert die Abenteuer des Herrn Horten so liebevoll und visuell ergreifend, dass man gerne mit ihm durch Oslo stolpert, über die eine oder andere Situation genauso zart wie Horten zu lächeln beginnt und richtig gespannt wartet, ob das mit dem Mit-verschlossenen-Augen-Fahren wirklich funktioniert. Die Reise, die dieses DVD bietet, lohnt sich wirklich!
O'Horten ist neu auf DVD erschienen!