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2. September 2009, 20:36 Music Interview

Interview mit Selig

Silvan Gertsch - "Wir proben uns nach oben und üben uns nach drüben", sagt Jan Plewka ins Telefon. Wir, das sind er und seine Band Selig. Und dass sie gemeinsam im Proberaum stehen, ist alles andere als selbstverständlich. Die Band flog in den 90ern nach ganz oben - löste sich auf dem Höhepu...

"Wir proben uns nach oben und üben uns nach drüben", sagt Jan Plewka ins Telefon. Wir, das sind er und seine Band Selig. Und dass sie gemeinsam im Proberaum stehen, ist alles andere als selbstverständlich. Die Band flog in den 90ern nach ganz oben - löste sich auf dem Höhepunkt auf und ging zehn Jahre lang getrennte Wege. Nun sind sie mit "Und endlich unendlich" zurück - für zwei Konzerte in der Schweiz.

Selig waren auf dem Zenit – und du gleichzeitig am Ende. Gab es damals keinen anderen Ausweg, als die Band aufzulösen?

Jan Plewka: Es ging nicht mehr. Weder geistig, noch körperlich. Wir verstanden uns nicht mehr – es stand kurz vor Hass. Wenn solche Kraftfelder aufeinander treffen, die nicht zusammen passen, dann sollten sie auseinander gehen. Sonst passiert was schlimmes. Das ist das tragische, wenn Träume in Erfüllung gehen.

Wie konnte es so weit kommen?

So eine Band ist ja auch eine Beziehungskiste. Wir wurden wie ein Liebespärchen, das sich nichts mehr zu sagen hatte, aber trotzdem noch zusammen war. Wir sassen am Tisch, blickten depressiv in die Welt und hatten auch einen Schleier vor den Augen. Wir hatten einfach zu viel zusammen gemacht. Damals gab es nur Selig, Selig und Selig. 48 Stunden am Tag. Nichts anderes.

War das Problem nicht auch, dass euch der Erfolg überwältigte?

Wir wussten, was wir wollten und arbeiteten hart dafür. Wir konnten das Erreichte auch geniessen. Es mag sich komisch anhören, aber der Erfolg wurde auf einmal zum Alltag. Man wusste, wie die Tage laufen. Das war wie eine Maschinerie und so etwas ist nicht gut für die Kreativität und die Musik.

Du hast keine Angst davor, dass es dieses Mal ähnlich enden könnte?

Wir haben Massnahmen ergriffen. Im September 2007 trafen wir uns zum ersten Mal wieder alle gemeinsam. Und bis März 2008 redeten und redeten wir. Wir erkannten die Probleme, die wir damals hatten und stellten Regeln auf. In den zehn Jahren davor sind wir weiser und reifer geworden. Der Zahn der Zeit hat gut an uns genagt. Es kommt mir vor wie eine schwarze Rose, die auf die Seele tätowiert ist. Die wird jetzt langsam wieder rot.

Hat es dich viel Überwindung gekostet, nach zehn Jahren Unterbruch wieder mit den andern an einen Tisch zu sitzen?

Das war eines der spannendsten Erlebnisse meines Lebens. Wenn Christian [Gitarrist von Selig, Anm. d. Red.] die Strasse runter gekommen ist, dann bin ich in den nächsten Hauseingang gesprungen. Ich wollte ihn nicht treffen. Da brannte zehn Jahre lang ein Klumpen Glut in mir. Irgendwann sass ich mit Stoppel, unserem Schlagzeuger, am Küchentisch und beschloss, diesen Groll-Panzer abzulegen und wieder mit den andern zu sprechen. Wir trafen uns, schlossen musikalisch Frieden. Dann haben wir die neue Platte gemacht – und jetzt sind wir wieder Selig. Wir verbringen gerade eine sehr schöne Zeit. So kann es weiter gehen. Es ist wie eine Wiedergeburt. Wir haben unsere zweite Naivität erreicht.

Wenn du Selig heute mit der Band in ihrer Anfangsphase vergleichst. Was sind die grössten Unterschiede?

Das Alter. Früher wurde viel über Drogen und Sex gesungen. Okay, das kommt jetzt zwischen den Zeilen auch noch vor. Aber ich glaube, dass die Reise weitergegangen ist. Unsere Musik war immer schon eine Momentaufnahme, ein Zeitdokument. Musikalisch hat sich nicht viel verändert.

Hast du für die neuen Songs auch Ideen eingebracht, die du jahrelang mit dir rumgetragen hast?

Bestimmt. Unterbewusst. Aber nach zehn Jahren eine Platte aufzunehmen ist natürlich auch sehr dankbar, weil es dann viel zu sagen gibt. "Und endlich unendlich" haben wir auch in erster Linie für uns gemacht – wie eine grosse Therapiestunde. Deshalb ist es auch die positivste Selig-Platte geworden. Die erste zeigte uns von unserer rebellischen Seite, auf der zweiten tauchten wir nach Dämonen und fanden diese schliesslich auch. Auf der dritten fanden dann die Dämonen uns. Die neue Platte handelt nun von Frieden, Vergebung und Bruderschaft.

Bald kommt ihr zurück in die Schweiz. Was erwartet uns?

Ein Selig-Konzert. Und diejenigen, die schon mal an einem Konzert von uns waren, die wissen, dass das sich aus alten und neuen Momenten zusammensetzt, aus einem psychedelischen Rausch. Es geht auf jeden Fall immer um Empfindung. Es wird getanzt, gelacht und geweint.

Selig live:

15. September: Härterei, Zürich

16. September: Bierhübeli, Bern

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