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28. September 2009, 15:45 Movie

Sergio @ Zurich Film Festival

Christina Ruloff - Die letzten dreieinhalb Stunden des Sérgio Vieira de Mello: Greg Barker erzählt vom Leben und Sterben des Hohen Kommissars der UN für Menschenrechte und schafft damit einen packenden Dokumentarfilm.Sérgio Vieira de Mello war der wohl bekannteste und mit Abstand beliebteste Mi...

Die letzten dreieinhalb Stunden des Sérgio Vieira de Mello: Greg Barker erzählt vom Leben und Sterben des Hohen Kommissars der UN für Menschenrechte und schafft damit einen packenden Dokumentarfilm.

Sérgio Vieira de Mello war der wohl bekannteste und mit Abstand beliebteste Mitarbeiter der Vereinten Nationen; dank seines Charismas und seines Mutes galt er als „Mischung zwischen James Bond und Bobby Kennedy“. De Mello war für die beiden wohl erfolgreichsten Missionen der UNO zuständig – für die Rückführung von mehr als 300'000 kambodschanischen Flüchtlingen in ihre Heimat im Jahre 1991 (hierfür musste de Mello mit den Roten Khmer risikoreiche Verhandlungen führen) und für die friedliche Gründung eines unabhängigen Osttimor im Jahre 1999. Nach Ausbruch des Irakkrieges liess sich de Mello nach langem Drängen der UNO dazu überreden, als Sondergesandter des Generalsekretärs die UNO im Irak zu vertreten. Am 19. August 2003 wurde er bei der Explosion einer Autobombe vor dem Hauptquartier UNO gemeinsam mit 21 weiteren Personen getötet.

Sergio wurde von HBO finanziert, weshalb Fokus und Akzent des Films nicht auf der herausragenden Arbeit de Mellos liegen. Greg Baker (GHOSTS OF RWANDA) schildert vielmehr die letzten dreieinhalb Stunden, die de Mello nach der Explosion schwer verletzt mit seinem Kollegen Gil Loescher in einem Gebäudeschacht zugebracht hat, während die beiden US Sanitäter William von Zehle und Andre Valentine unter Einsatz ihres eigenen Lebens eine Rettung versuchen. Die Szenen der Bergung wurden (sogar mit den Sanitätern, die sich selbst „spielen“) nachgestellt und kommentiert, was für Höchstmass von Authentizität, aber auch Dramatik, Spannung und vor allem Emotionen sorgt – die beiden Helden erleben nämlich die ganzen entsetzlichen Rettungsversuche noch einmal mit; und mit ihnen, de Mello und Loescher fiebert unweigerlich das Publikum mit.

Man muss sich als die Situation in Bagdad folgendermassen vergegenwärtigen: In einem winzigen Schacht zwischen drei Stockwerken unter Betongeröll liegen de Mello und sein Kollege – schwer verletzt. Per Zufall werden sie von zwei US Soldaten, die aus eigenem Antrieb, um Menschen zu helfen, zum brennenden UN-Gebäude gefahren sind, entdeckt. Diese versuchen die beiden mit baren Händen, ohne Werkzeug, auszubuddeln. De Mellos Verlobte und sein Bodyguard haben aussen ein winziges Loch gefunden, und können so mit de Mello kommunizieren. Doch so sehr sie auch weitere US Soldaten, ihre Vorgesetzten, irgendjemand am Ort der Katastrophe, um Hilfe bitten – nichts geschieht. Sie müssen draussen tatenlos zuschauen, wie de Mello nach dreieinhalb Stunden Überlebenskampf stirbt (Gil Loescher kann nach der Amputierung seiner Beine bei vollem Bewusstsein gerettet werden). Aber nicht nur de Mellos engste Freunde können beim Sterben zusehen: Die ganze Welt ist über CNN, das über die „Breaking News“ vor Ort berichtet, informiert, dass der höchste Vertreter der UNO im Irak im Schutthaufen liegt und vielleicht überlebt. Paul Bremer, der damalige Zivilverwalter des Irak, ist vor Ort; Condoleeza Rice, damals Sicherheitsberaterin, ist per Telefon bestens im Bild. Niemand reagiert.

Üblicherweise sterben weniger prominente Menschen wegen unterlassener Hilfeleistung – im Irak, in Afghanistan und überall wo Krieg herrscht – und kein Hahn kräht danach. Man wird den Eindruck jedoch nicht los, dass der Tod Sérgio Vieira de Mellos – das Aushängeschild der UNO – der US Regierung zumindest nicht ungelegen kam. De Mello war gegen den Irakkrieg gewesen und hatte ein möglichst baldiges Ende der Okkupation gefordert. Er hatte sich dadurch bei der irakischen Bevölkerung beliebt gemacht, dass er durchs Land reiste und den Menschen zuhörte. Dieses Verhalten war für de Mello ebenso charakteristisch, wie die Tatsache, dass er sich noch kurz vor seinem Tod nach dem Wohlergehen seiner Mitarbeiter erkundigte.

Greg Barker ist mit Sergio ein aussergewöhnlicher Dokumentarfilm gelungen – über Sérgio Vieira de Mello, über seine heldenhaften Retter und (wohl unbeabsichtigterweise) über den Krieg im Irak.

29. September, 16 Uhr, Corso 4

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