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1. Oktober 2009, 18:05 Movie

Waffenstillstand @ Zurich Film Festival

Christina Ruloff - „Niemand ist unschuldig“ – sagt Matthias Habich, zitiert damit Albert Camus. Und richtet sich natürlich an uns alle; Waffenstillstand erzählt von Reportern und Ärzten im Irak, leidet aber unter dem pädagogischen Impetus.Im April 2004 kommt es zu einem 24-stündigen Waff...

„Niemand ist unschuldig“ – sagt Matthias Habich, zitiert damit Albert Camus. Und richtet sich natürlich an uns alle; Waffenstillstand erzählt von Reportern und Ärzten im Irak, leidet aber unter dem pädagogischen Impetus.

Im April 2004 kommt es zu einem 24-stündigen Waffenstillstand zwischen den irakischen Aufständischen und der amerikanischen Besatzung. Kim, Leiterin einer Hilfsorganisation, und Alain, Arzt in eben dieser NGO, wollen die Zeit nutzen, um lebenswichtige Medikamente nach Falludscha zu bringen. Um sich die notwendige Autorität bei der US-Armee und allfälligen Rebellen zu beschaffen, laden sie den jungen Fernseh-Reporter Oliver und seinen Kameramann Ralf mit ein. Oliver wittert die Story seines Lebens, Ralf hingegen fürchtet um sein Leben...

Unterwegs im Namen der Humanität: Matthias Habich, Thekla Reuten, Hannes Jaenicke, Max von Pufendorf und Husam Chadat machen ihre Sache hervorragend.

Es gibt viele spannende, pointierte und nachdenkliche Zitate, mit denen sich die verschiedenen Protagonisten in Waffenstillstand äussern: Was bringen all die hilflosen 30 Sekunden – Beiträge, die das Leid in die Wohnzimmer in aller Welt heraustragen wirklich? Befriedigen sie unsere Neugierde? Unser schlechtes Gewissen? Leider werden diese Fragen jedoch so offen und offensichtlich gestellt, dass unter all den vielen, guten Absichten die Story und die Charaktere fast untergehen.

Waffenstillstand leidet unter der deutschen Filmkrankheit, die Zuschauer belehren oder zumindest sanft in die richtige Richtung schupsen zu wollen und das merkt man vor allem dem Filmpersonal an: Wir haben den zynischen Arzt; die sympathische Weltverbesserungstante; den neugierigen, aber herzensguten Reporter; den harten Kerl, der im Notfall über sich hinauswachsen kann und dann den unvermeidlichen guten Araber. Das Drehbuch schiebt die Charaktere je nach pädagogischer Absicht der einzelnen Szenen hin und her – und lässt kaum Raum für Entwicklung, kaum: Denn die Stereotypen wachsen einem trotzdem ans Herz, weil sie effektiv so gut gespielt werden und weil sie so reden, wie echte Menschen reden. Das hört man im Kino ganz selten. Waffenstillstand kann zudem mit Matthias Habich auftrumpfen, der den Arzt so verzweifelt spielt, dass man ihm all seine coolen Sprüche und sogar seine Morphiumsucht abnimmt. Er hat alle Lacher und alle Sympathien des Publikums sofort auf seiner Seite und man fragt sich wieder einmal: Warum sieht man ihn nicht öfters auf der Leinwand? Es ist ja nicht so, dass Deutschland unendlich viele Charakterdarsteller seines Formats hat. Deutschland – oder zumindest Waffenstillstand hat jedoch einen hervorragenden Kameramann, der die Szenen wunderbar und farblich stimmig ausgeleuchtet hat. Auch die Requisiten und Locations wirken sehr authentisch, dass der Film (in dieser Hinsicht) amerikanischen Produktionen in keiner Weise nachsteht.

In Kürze spielt die Story keine Rolle mehr, weil es Wichtigeres gibt - weniger Moralin wäre mehr gewesen...

Waffenstillstand ist ein mutiger Versuch, grosses Kino zu machen. Leider scheitert das Vorhaben an dem schwachen und absehbaren Drehbuch.

  • Europapremiere: 1. Oktober 21.30 Uhr Corso 2
  • 3. Oktober 14.30 Uhr Corso 3
  • 3. Oktober 17.00 Uhr Corso 3
Kommentare
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Basti554
Basti554 23.10.2009 um 20:05
Deutsche Filmkrankheit? Bin mir nicht sicher, ob man das so überhaupt nennen kann, auf jeden Fall hab ich den Film nicht als Moralkeule empfunden sondern war angenehm überrascht! Hat sogar den Publikumspreis gewonnen, zu Recht.