Die Frau mit den 5 Elefanten
Christina Ruloff - „Die Sehnsucht nach etwas, was sich immer wieder entzieht...“ Der Regisseur Vadim Jendreyko schafft ein intimes Porträt der bedeutenden Übersetzerin Swetlana Geier und zugleich eine Annäherung an die Frage, was richtig gute Übersetzung ausmacht.Swetlana Geier hat (unter...
Swetlana Geier hat (unter anderem) die fünf grossen Dostojewski-Romane neu übersetzt und sich im Zuge einer neuen, konzisen Auseinandersetzung mit dem Werk Dostojewskis auch nicht gescheut, den bislang anerkannten Titel des Romans „Schuld und Sühne“ in den korrekteren und weniger moralisierenden „Verbrechen und Strafe“ abzuändern. Geier kann dies ohne weiteres, hat sie sich doch intensiv und jahrzehntelang mit der russischen und deutschen Sprache auseinander gesetzt, und beherrscht letztere so, wie kaum jemand noch; immer sucht, formuliert sie so lange, bis sie den einzig passenden Ausdruck gefunden hat und so ihrer Absicht oder dem Autor gerecht werden kann. Was Sprache alles bedeuten kann, wie viele Nuancen und Akzentsetzungen es gibt, und wie viel sprachliche Schönheit doch heute um der Einfachheit (oder der Unachtsamkeit) willen verloren geht, realisiert das Publikum mit fast stossender Deutlichkeit.
Die Arbeit mit dem Musiker: Erst wenn Geier ihre Übersetzung hört, merkt sie, ob sie stimmig ist.
Die Kamera begleitet Geier denn auch bei ihrer Arbeit, beim Diktat einer neuen Version (gearbeitet wurde am „Spieler“ von Dostojewski) und der Überarbeitung der Übersetzung mit einem befreundeten Musiker, der die Texte Geier vorliest und mit ihr Musikalität, Stimmigkeit und Logik intensiv diskutiert. In diesen spannenden Sequenzen wird offensichtlich, wie viel wenige Veränderung ausmachen, die die Stimmung, ja sogar den Sinn verändern können. Natürlich ist – so Geier eine Übersetzung nie mit dem Original kompatibel und kann auch nicht direkt vergleichen werden: Das russische Original, das mit „der Käfer brummt“ übersetzt wird, ist ungleich onomatopoetischer, ruft Bilder und Atmosphären hervor, die zwangsläufig verloren gehen. Daher sei es wichtig, Autor, Sprache und Werk zu kennen und bei der Übersetzung dem Gesamtbild treu zu bleiben.
Ihre Grosse Liebe: Geier mit den "5 Elefanten" - den Dostojewski-Romanen.
Vadim Jendreyko nähert sich Geier mit dem angemessenen Respekt und feiert ihre Persönlichkeit in wunderbaren, sorgfältig ausgelichteten, stillen Aufnahmen. Er lässt Geiger und ihrer Umwelt Zeit, sich zu entfalten, Zeit zu atmen. Und er verzichtet wohltuend auf eine langwierige und effekthascherische Aufarbeitung der Vergangenheit Geigers. Alles, auch die Reise in ihre Heimatstadt Kiew, dient dem Verständnis der Person und damit auch dem Verständnis ihrer Arbeit. So ist ihm ein schönes, spannendes und intimes Porträt einer grossen Übersetzerin gelungen.
Bewertung: 4 von 5
- Titel: Die Frau mit den 5 Elefanten
- Land: Schweiz, Deutschland
- Dauer: 93 Minuten
- Regie: Vadim Jendreyko
- Cast: Swetlana Geier
- Release: 19.11.2009
- Verleih: Cineworx