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1. Februar 2010, 22:04 Politik

Vorwärts – ohne Bodenhaftung zu verlieren!

Nadine Masshardt - Viel wurde über das zu Ende gegangene erste Jahrzehnt im neuen Jahrtausend geschrieben. Auch mir gingen dazu während einer kurvigen Zugfahrt Eindrücke durch den Kopf. Was prägte unsere Gesellschaft in den letzten zehn Jahren?Das ultimativste Ereignis des Jahrzehnts war 9/11: ...

Viel wurde über das zu Ende gegangene erste Jahrzehnt im neuen Jahrtausend geschrieben. Auch mir gingen dazu während einer kurvigen Zugfahrt Eindrücke durch den Kopf. Was prägte unsere Gesellschaft in den letzten zehn Jahren?

Das ultimativste Ereignis des Jahrzehnts war 9/11: Ich sass in einer Mathestunde und ein Schulkollege rief mitten in die Lektion, er habe ein SMS erhalten. In New York sei ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen. Stille. Danach folgte spontan eine ausserplanmässige Lektion in der wir über das Ereignis und die möglichen Folgen diskutierten. Über die im letzten Jahrzehnt so typischen Fragen von Toleranz und deren Grenzen, über das Zusammenleben von Religionen und Kulturen. 9/11 hat meine Generation geprägt und viele von uns mit dem Irak-Krieg politisiert.

Rückblickend fällt noch was auf: Von 9/11 erfuhr ich per SMS. Selber habe ich mir mein erstes Handy zwar erst nach der Matura gekauft. Heute aber schreibt mir selbst mein 12-jähriger Deutschschüler eine SMS wenn er sich verspätet. Auch diese Entwicklung gehört – zusammen mit dem Boom von Internet und Co. – zum letzten Jahrzehnt. Es wurde eine ungeheure gesellschaftliche Beschleunigung von Informationen und Entscheiden ausgelöst. Und es kam zu einer massiv stärkeren Vernetzung von Abhängigkeiten und Austausch von Gütern über Landesgrenzen. Dieses Tempo birgt nebst Chancen auch die Gefahr, dass überhastet entschieden wird, zu wenig Reflexion stattfindet.

Noch was fällt mir im schaukelnden Zugwagon auf: Die letzten Jahre waren geprägt von einer Politik der Angst. 9/11 und seine Folgen, Wirtschaftskrise und Schweinegrippe, Klimawandel – aber auch Abstimmungen in unserem Land, die den Rechtsstaat arg in Bedrängnis brachten.Mein grösster Wunsch fürs neue Jahrzehnt ist also naheliegend: Ich wünsche mir eine Gesellschaft, die in ihrem Handeln auch an kommende Generationen denkt, die vorwärts schreitet ohne den Boden in der beschleunigten Welt zu verlieren. Wir brauchen eine Gesellschaft, die lernt mit Ressourcen sparsam umzugehen. Eine Gesellschaft, die mit neuen Ideen brilliert und diese auch verwirklicht statt sich mit Angst abzugrenzen. Gerade im Bereich der Förderung erneuerbarer Energien gibt es ein immenses Potenzial für zukunftsweisende Arbeitsplätze – und wir können erst noch das Klima schonen. Ich wünsche mir aber auch eine Kultur die sich einmischt und Stellung bezieht. Und nicht zuletzt wünsche ich mir eine Politik, die Lösungen präsentiert statt Ängste schürt.

Nadine Masshardt, 25, jüngste Grossrätin (SP/JUSO) im Kanton Bern, Stadträtin in Langenthal und MA-Studentin der Geschichte und Philosophie.

www.nadinemasshardt.ch

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