Interview: Clawfinger
Silvan Gertsch - Crossover ist tot. Aber Clawfinger sind lebendiger denn je. Wie erklärst du dir das?Zak Tell: Wir wussten 1993 nicht, was Crossover bedeutete. Und wir verstehen es auch heute noch nicht. Wir wollten nie ein Teil davon sein - aber wir wurden zusammen mit den anderen Bands in dies...
Zak Tell: Wir wussten 1993 nicht, was Crossover bedeutete. Und wir verstehen es auch heute noch nicht. Wir wollten nie ein Teil davon sein - aber wir wurden zusammen mit den anderen Bands in diesen Topf geworfen.
Aber seid ihr besser als die anderen Bands? Oder wieso habt ihr so lange überlebt?Viele Bands, die mit uns zusammen angefangen haben, haben wohl aus den falschen Gründen Musik gemacht. Sie sprangen auf einen fahrenden Zug auf, aber waren nicht mit Leidenschaft bei der Sache. Ich würde aber nicht sagen, dass wir besser sind. Das klingt nach einem Oasis-Zitat. Und wir sind nicht Oasis. Aber wir machen vieles anders. 95 oder sogar 99% aller Rap-Metal-Bands setzten und setzen auf „Funky-Groovy-Hip-Hop-Based-Beats“ mit Texten über nichts. Eine Ausnahme waren natürlich Rage Against the Machine. Auch Clawfinger setzen nicht auf diese Groovy-Musik und unsere Texte sagen in der Regel etwas aus. Eine logische Erklärung dafür, weshalb wir noch immer präsent sind, gibt es nicht. Aber wir geniessen das, was wir tun. Und wenn man an Orten wie in der Schweiz spielen kann und die Stimmung so sensationell ist wie gestern in Zürich, dann muss man etwas richtig gemacht haben.
Euer letztes Album, „Hate Yourself With Style“ war ziemlich hart. Die neue CD „Life Will Kill You“ ist weniger hart, aber die Texte sind düsterer. Was hats mit dieser Richtungsänderung auf sich?Es gab verschiedene Gründe dafür, wieso „Hate Yourself With Style“ so roh war. Wir hatten schlechte Erfahrungen gemacht in der letzten Zeit – mit Managern, Plattenfirmen, die uns fallen liessen, ein Gitarrist verliess uns – das waren Gründe dafür, wieso wir das Album aufnehmen mussten. Vielleicht bedeutete es den kommerziellen Selbstmord für uns. Keine Ahnung. Aber es war zu dieser Zeit, als wir es aufnahmen, das einzig richtige, was wir tun konnten. Unser neues Album hingegen bietet viel mehr einen Überblick über alles, was wir in der Vergangenheit gemacht haben. Es ist abwechslungsreicher.
Wann wusstest du, dass ihr mit dem neuen Album in diese Richtung gehen wollt?Im Grunde genommen sind wir unsere ganze Frustration mit „Hate Yourself With Style“ losgeworden. Man könnte es als einen Schritt zur Seite in unserer Bandgeschichte betrachten. Und irgendwie sind wir mit dem neuen Album „Life Will Kill You“ an einem Punkt angelangt, an dem wir tun wollten, was uns passte. Wir sind schon so lange im Geschäft, da kümmern wir uns nicht mehr drum, was ein cooler Song ist. Lass einen Klischee-Rocksong einen Klischee-Rocksong sein. Ein Schweizer-Journalist schrieb zum neuen Album, dass es wie eine Best-of von Clawfinger klinge, aber mit neuen Songs. Das gefällt mir – es bedeutet, dass alle Songs Hits sind (lacht).
Gehen wir zurück in die frühen 90er-Jahre. Wenn du heute noch einmal von vorne beginnen könntest mit Clawfinger. Würdest du noch einmal den gleichen Weg gehen?Lass mich überlegen. Es gibt sicherlich Dinge, die wir ändern würden. Aber nicht musikalisch. Es gibt einen Manager, mit dem wir nie mehr zusammen arbeiten würden. Und ebenso eine Plattenfirma. Aber das ist ein Teil des Business – das sind Erfahrungen, die man sammeln muss. Alles geschieht aus einem bestimmten Grund. Deshalb muss ich diese Frage wohl mit nein beantworten. Denn... Wenn man auch nur eine Kleinigkeit ändert, dann ändert sich auch der grosse Rest...
Was bedeutet dir die Musik? Ist es für dich eine Droge oder eine Therapie?Unsere eigene Musik ist mehr eine Therapie. Ich schreibe Songs nicht, um meine Dämonen zu bekämpfen oder die Angst loszuwerden. Aber letztendlich schreibt man ja doch über Dinge, die einen betreffen. Das hilft schon beim Verarbeiten. Aber wenn ich mir andere Musik anhöre, dann ist es mehr wie eine Droge.
Ihr besitzt zusammen mit Meshuggah ein eigenes Studio. Was kann man demnächst erwarten? Produziert ihr junge Bands?Wenn interessante Bands aufkreuzen, wieso nicht? Aber Clawfinger und Meshuggah haben natürlich Priorität. Es macht mehr Spass, eigene Alben aufzunehmen (lacht). Aber zuerst werden wir erst Mal diese Tour beenden, dann sehen wir weiter.
Auf der Tournee tretet ihr auch in eurer Heimat in Schweden auf. Wie werdet ihr dort empfangen?Es ist eine Zeit her, dass wir als das „next cool thing“ angesehen wurden in Schweden. Aber es gibt noch immer ein paar Radiostationen, die unsere neuen Songs spielen. Wir treten jedoch lieber ausserhalb von Schweden auf, weil wir dort mehr Feedback kriegen. Da müssen wir wohl den Preis dafür bezahlen, dass wir uns zu Beginn unserer Karriere auf Europa allgemein konzentriert haben und Schweden dabei nicht bevorzugt behandelt haben. Wir haben Schweden nie genug Aufmerksamkeit gegeben. Aber es ist ja noch nicht zu spät.
Letzte Frage: Warum ist Clawfinger eine der besten Livebands?Weil wir uns dafür einsetzen. Wir kümmern uns ums Publikum, das an unsere Konzerte kommt und wir versuchen, die Bühne - im übertragenen Sinn - auf ihre Höhe hinunterzusetzen. Wir haben keine Rockstar-Attitüde und schauen den Leuten in die Augen. Es ist erstaunlich, wie viele Bands diese elementaren Dinge vergessen. Wir sehen uns nicht als die beste Band der Welt an. Aber wir geniessen das, was wir tun. Das ist das grosse Geheimnis.